1. Viele Informationen: Das besagt der Entwurf zur Arbeitszeiterfassung
2. Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein
3. Tarif- und Betriebsvereinbarungen: Ausnahmen möglich
4. Übergangsregelung: Händisch statt elektronisch je nach Betriebsgröße
5. Referentenentwurf – Wie geht es jetzt weiter? Drohen Bußgelder?
Der Paukenschlag fiel am 13. September 2022: Das Bundesarbeitsgericht entschied mit riesiger Tragweite, dass eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten von Beschäftigten Pflicht ist – gestützt auf geltendes Recht, womit auch eine echte Übergangszeit nicht zur Debatte stand, sondern diese Pflicht quasi sofort bestand. Schwierig nur für die Praxis: Während das „Ob“ der Pflicht klar war – sie besteht! –, war das „Wie“ der Umsetzung reichlich unklarer, und das ist es eigentlich auch bis jetzt noch in seinen Details. Hier wollte und musste der Gesetzgeber indessen nachlegen. Die Aufgabe fiel zunächst in den Schoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Seit gestern gibt es endlich einen ersten Gesetzesentwurf – und da haben wir doch glatt mal hineingeschaut.
Viele Informationen: Das besagt der Entwurf zur Arbeitszeiterfassung
Die tägliche Arbeitszeit von Beschäftigten auf deutschem Boden muss laut dem Referentenentwurf künftig grundsätzlich elektronisch aufgezeichnet werden – das umfasst Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Ob per „Zeiterfassungsgerät“ aka Stechuhr, elektronischen Anwendungen wie einer App auf dem Mobiltelefon oder auch herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme, eine konkrete Art der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Auch elektronische Schichtpläne können unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden. Ein lapidarer, aber nicht unwichtiger Fakt: Die Aufzeichnungen müssen in deutscher Sprache geführt werden – bei der Auswahl des Systems sollte darauf also ein Auge geworfen werden, wenn es bei der Regelung bleibt.
Verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung soll der Arbeitgeber sein. Auch dann, wenn die Aufzeichnung selbst durch den Arbeitnehmer selbst oder Dritte (z. B. Vorgesetzte) erfolgt, was nach dem Entwurf grundsätzlich zulässig ist. Hier liegt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung weiter in den Händen des Arbeitgebers, ggf. müssen Beschäftigte von ihm angeleitet werden. Im Falle eines Verstoßes soll die Arbeitsschutzbehörde laut der Entwurfsbegründung insofern auch berücksichtigen, ob der Arbeitgeber ordnungsgemäß über die Erfassungspflicht informiert hat oder ob regelmäßige Stichproben stattfanden. Zudem soll die Aufzeichnung der Arbeitszeit am selben Tag erfolgen. Auf Verlangen eines Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber ihn über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren und ihm eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung stellen – kann der Arbeitnehmer die elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und Kopie fertigen, soll das aber bereits ausreichen. Andere Aufzeichnungspflichten, etwa im Bereich des Mindestlohnrechts, sollen unabhängig von dieser allgemeinen Pflicht bestehen und zu erfüllen bleiben. Die Aufzeichnungen müssen grundsätzlich für zwei Jahre aufbewahrt werden. Für den Bereich des Jugendarbeitsschutzes existieren im Entwurf nochmal eigene Vorschriften. Soweit die Grundzüge im Schnelldurchlauf.
Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein
Für die Vertrauensarbeitszeit bzw. Situationen, in denen der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichtet, gibt es eine gesonderte Regelung. Ganz klar heißt es in der Gesetzesbegründung, dass die Möglichkeit eines solchen Modells durch die Pflicht zur Zeiterfassung nicht beeinträchtigt wird. Die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes (tägliche Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten etc.) seien auch bisher schon einzuhalten gewesen, auch wenn Arbeitgeber auf Ebene der vertraglichen Arbeitszeit auf ein Vertrauensarbeitszeitmodell zurückgreifen.
Das wird in der neuen Regelung auch nochmal verschriftlicht, indem dem Arbeitgeber hier die Pflicht auferlegt wird, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden, etwa durch eine elektronische Meldung des Erfassungssystems. Gerade ein elektronisches System ermögliche es Arbeitgebern, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen. Das unzulässige Modell, auf Vertrauensarbeitszeit zu setzen, sich dabei aber nicht ordnungsgemäß um arbeitsschutzrechtliche Aspekte zu sorgen, dürfte es künftig allerdings schwerer haben.
Tarif- und Betriebsvereinbarungen: Ausnahmen möglich
Durch eine „Tariföffnungsklausel“ können in einem Tarifvertrag oder im Rahmen einer entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung diverse Abweichungen vereinbart werden. Möglich ist hier laut Entwurf:
- Die Zulassung einer händischen Aufzeichnung in Papierform,
- die Zulassung eines späteren Zeitpunkts für die Aufzeichnung mit einer Frist von max. sieben Kalendertagen nach dem Tag der Arbeitsleistung,
- die Ausnahme bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern von der Pflicht zur Arbeitszeitauffassung, wenn denn die gesamte Arbeitszeit (Dauer und Lage) wegen der besonderen Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von den Beschäftigten selbst festgelegt werden kann (ggf. z. B. Führungskräfte, Wissenschaftler oder „herausgehobene Experten“)
Übergangsregelung: Händisch statt elektronisch je nach Betriebsgröße
Eine praktische Herausforderung haben die Verfasser des Entwurfs offenbar darin gesehen, dass die Arbeitszeiterfassung elektronisch erfolgen muss. Für Arbeitgeber mit bis zu zehn Beschäftigten ist jedenfalls eine Kleinbetriebsklausel vorgesehen, wonach hier grundsätzlich auch eine handschriftliche Aufzeichnung ausreichend wäre.
Für Arbeitgeber mit mehr Beschäftigten sind dagegen Übergangsregelungen vorgesehen, innerhalb derer auch eine handschriftliche Aufzeichnung genügen soll:
- Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten: Zwei Jahre ab Inkrafttreten
- Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten: Fünf Jahre ab Inkrafttreten
- Generell alle Arbeitgeber: Ein Jahr ab Inkrafttreten
Referentenentwurf – Wie geht es jetzt weiter? Drohen Bußgelder?
Globalisierung und Digitalisierung sowie weitere Aspekte führen zu immer flexibleren Arbeits- und Arbeitszeitmodellen. Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt müsse aber verhindert werden, dass Arbeitnehmer ausgebeutet werden oder sich selbst ausbeuten und darüber die Sicherheit und Gesundheit für sich selbst oder andere gefährden, heißt es in den Begleitmaterialien des Entwurfs. Der Erfassung der geleisteten Arbeitszeit komme daher eine besondere Bedeutung zu.
Das belegte auch die Arbeitszeitbefragung 2021 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz: Beschäftigte mit Erfassung der Arbeitszeit berichteten demnach seltener von langen Wochenarbeitszeiten über 48 Stunden als jene ohne Arbeitszeiterfassung. Bei verkürzten Ruhezeiten und Pausenausfällen zeichnete sich danach ein ähnliches Bild.
Die Neuregelung steht mit dem Referentenentwurf allerdings noch ganz am Anfang des Gesetzgebungsprozesses, auch die Abstimmung mit den anderen Ressorts bzw. Ministerien steht noch aus. Wann das Gesetz in Kraft tritt, ist insofern noch relativ unklar. Sobald es allerdings in Kraft getreten ist, werden Verstöße gegen die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung und damit zusammenhängende Informationspflichten als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt sein.
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