Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz kommt: Der Rat der Europäischen Union hat jetzt das Regelwerk, das der Bekämpfung von Lohndiskriminierung und dem Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles dienen soll, angenommen. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten müssen demnach künftig etwa jährlich einen Bericht über den Unterschied der Löhne von Frauen und Männern vorlegen, für kleinere Unternehmen bestehen abgewandelte Anforderungen. Übersteigt das geschlechtsspezifische Lohngefälle 5 Prozent, müssen auch Maßnahmen ergriffen werden. Zudem sind Entschädigungen und Bußgelder vorgesehen. Auch im Umgang mit Bewerbungen wird es zu Änderungen kommen.
In Etappen: Berichtspflicht für Unternehmen
Durchschnittlich verdienen in der Europäischen Union Frauen 13 Prozent weniger als Männer, heißt es in der Mitteilung des Rates der EU. Dabei sei das geschlechtsspezifische Lohngefälle in den letzten zehn Jahren weitgehend unverändert geblieben. Wenngleich mehrere Faktoren zu diesem Gefälle beitragen würden, so sei es doch die Lohndiskriminierung, die eines der Haupthindernisse für die Verwirklichung der Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern darstelle. Solch eine ungleiche Entlohnung führe dazu, dass Frauen zudem stärker von Armut betroffen seien, und auch zum geschlechtsbedingten Rentengefälle trage sie bei – dieses lag 2018 in der EU bei rund 30 Prozent.
In der Richtlinie vorgesehen sind verschiedene Maßnahmen. Zunächst wäre da die Berichtspflicht für Unternehmen: Wer 250 oder mehr Beschäftigte hat, muss der zuständigen Behörde künftig jährlich über das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der Organisation berichten. Aber auch kleine Unternehmen sind betroffen. Wer 150 bis 249 Beschäftigte hat, der wird alle drei Jahre Bericht erstatten müssen. In beiden Fällen soll dies erstmals vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie erforderlich sein. Auch für Unternehmen mit 100 bis 149 Beschäftigten wird es die Pflicht zur Berichterstattung im Turnus von drei Jahren geben, allerdings erst acht Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie. Und Unternehmen mit weniger Beschäftigten? Die sind nach der Richtlinie von der Pflicht ausgenommen, jedenfalls aus Warte der EU. Die Mitgliedstaaten, die die Regeln der Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen, dürften auch hier eine Pflicht vorschreiben. In jedem Fall soll es diesen Unternehmen aber möglich sein, freiwillig Berichte vorzulegen.
Kommt es im Bericht zu der Feststellung, dass das Lohngefälle mehr als fünf Prozent beträgt, muss das betreffende Unternehmen Maßnahmen ergreifen, in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung – sofern das Gefälle nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden kann.
Vor dem Vorstellungsgespräch: Arbeitgeber muss Einstiegsgehalt nennen
Passieren soll auch etwas beim Zugang zu Informationen. Arbeitssuchende müssen nach den Vorgaben der Richtlinie künftig vom Arbeitgeber über das Einstiegsgehalt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Stelle informiert werden – und das frühzeitig: Gefordert ist die Bereitstellung dieser Informationen auf eine Weise, dass hierdurch fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden, etwa durch Bereitstellung in einer veröffentlichten Stellenausschreibung oder vor dem Vorstellungsgespräch. Weiterhin werden Arbeitgeber EU-weit nicht mehr nach der Entgeltentwicklung im laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnis fragen dürfen. Stellenausschreibungen und Berufsbezeichnungen, so fordert die Richtlinie weiter, müssen geschlechtsneutral formuliert, Einstellungsverfahren auf nicht diskriminierende Weise geführt werden.
Erst Anfang 2023 entschied das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf die Situation in Deutschland und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dass „besseres Verhandlungsgeschick“ kein objektives Kriterium für eine Ungleichbehandlung darstellt.
Für Beschäftigte, die eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung erfahren, ist im Rahmen der Richtlinie Schadensersatz vorgesehen. Dazu gehöre auch die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte, damit verbundener Boni oder Sachleistungen. Die Beweislast verschiebt sich zum Arbeitgeber: Dieser wird künftig in der Pflicht sein, nachzuweisen, dass er nicht gegen die EU-Vorschriften über gleiches Entgelt und Lohntransparenz verstoßen hat. Sanktionen, so heißt es weiter, müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Wann treten die Regelungen in Kraft?
Zudem wird unter die neuen Vorschriften künftig auch die intersektionelle Diskriminierung fallen, also die Kombination verschiedener Formen von Ungleichheit oder Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder Sexualität. Entsprechende Bestimmungen würden auch sicherstellen, dass die Bedürfnisse von Beschäftigten mit Behinderung berücksichtigt werden.
Vorgesehen ist das Recht auf gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit schon lange, es findet sich mit Art. 157 AEUV etwa in den Verträgen der EU oder mit der Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) auch im Sekundärrecht. Die Umsetzung und Durchsetzung allerdings stelle eine Herausforderung dar, lässt die Mitteilung wissen. Zum Teil sei dies darauf zurückzuführen, dass Lohndiskriminierung angesichts fehlender Transparenz schlicht unentdeckt bleibe.
Die Richtlinie zur Lohntransparenz tritt mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Sie gilt für Beschäftigungsgeber aber nicht selbst beziehungsweise direkt, sondern richtet sich an die Mitgliedstaaten. Diese müssen die Regelungen der Richtlinie in eigenes, nationales Recht übersetzen. Hierfür haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit.
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Wäre nicht das erste Gesetz, dass das Gegenteil von dem bewirkt was es soll.
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Wenn ich an alle Diskriminierung en bezüglich Gehalt, Aufstiegesmögli chkeiten, Fortbildungen, überlanges Verweilen lassen in befristeten Angestelltenver hältnissen etc etc. denke, oje oje. (egal ob im Großkonzern oder kleinen Firmen, es war immer dasselbe Drama).
Es soll einfach jeder Mensch für sein Können, seine Leistung und sein Engagement bezahlt werden.
Hoffentlich finden die findigen Firmenanwälte nicht wieder Schlupflöcher...
Ich bin am glücklichsten in meiner Selbstständigke it. Da bestimmen ich und meine lieben Kundis, wieviel Geld und Wertschätzung bei mir ankommen.
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