Gestern, am 11. Mai, hat das Plenum des Bundestags über einen Kompromiss zum Hinweisgeberschutz abgestimmt, heute hat dann auch der Bundesrat sein Okay gegeben. Das Gesetz soll die Anforderungen der EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzen und ist für die Arbeitswelt von großer Relevanz: Hinweisgebern in Unternehmen und Behörden soll es durch die Einrichtung interner und externe Meldestellen ermöglicht werden, auf Rechtsverstöße und andere bestimmte Missstände aufmerksam zu machen – ohne dabei Repressalien befürchten zu müssen.
Wo Deutschland mit der Umsetzung ohnehin schon deutlich in Verzug ist, war das Gesetz zuletzt im Bundesrat blockiert worden. In einem weiteren Anlauf konnten sich Bund und Länder jetzt auf den vorliegenden Kompromiss einigen, der neben der Halbierung des maximalen Bußgelds auf 50.000 Euro etwa keine Pflicht für Unternehmen mehr vorsieht, anonyme Meldewege zur Verfügung zu stellen. Das soll insbesondere KMU zugutekommen, wie es heißt. Für diverse Unternehmen wird es nun ernst: Bereits Mitte Juni könnte das Gesetz in Kraft treten.
UPDATE: Nachdem das Hinweisgeberschutzgesetz jetzt verkündet wurde, tritt es zum 2. Juli 2023 in Kraft.
Weniger Belastung für KMU? Diese Änderungen gab es jetzt in Hinweisgeberschutzgesetz
Bislang war vorgesehen, dass solche Meldekanäle zur Meldung entsprechender Missstände so ausgestaltet sein müssten, dass auch anonyme Meldungen abgegeben werden können. Das sei nun nicht mehr im Gesetz vorgesehen, wobei anonyme Meldungen auch weiterhin bearbeitet werden sollen. Zudem, so heißt es in der Mittelung des Bundestags, sollen hinweisgebende Personen die Meldung bei einer internen Meldestelle bevorzugen, wenn „intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann“ und keine Repressalien befürchtet werden. Auch am Bußgeldrahmen wurde geschraubt: Wird eine Meldung behindert oder werden Repressalien gegen Meldende ergriffen, kann das Bußgeld nicht mehr maximal 100.000 Euro, sondern maximal 50.000 Euro betragen.
In der Beschlussempfehlung findet sich allerdings noch eine weitere prägnante Änderung:
Zuletzt war im Entwurf noch vorgesehen, dass hinweisgebende Personen nach Repressalien auch für Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, eine angemessene Entschädigung verlangen können – es geht quasi um Schmerzensgeld. Damit sollte laut Entwurfsbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die EU-Richtlinie eine vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens verlangt. Diese Regelung wurde nun ohne Ersatz gestrichen. Dass Deutschland die Anforderungen der Richtlinie insofern nur unvollständig umsetzt, steht zumindest im Raum, Gewissheit könnte das bereits laufende Vertragsverletzungsverfahren bringen.
Späte Umsetzung: Gegen Deutschland läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren
Der bisherige Weg der Gesetzgebung war relativ holprig – als es denn zumindest einmal losging. Obwohl das EU-Recht eine Umsetzung bis Dezember 2021 vorsah, blieb das Vorhaben in der letzten Legislaturperiode ohne Ergebnisse, die Bürde wurde praktisch an die neue Regierung weitergegeben. Knapp ein Jahr später wurde vom Bundestag ein Entwurf beschlossen. Der aber kam nicht besonders weit: Aufgrund seiner inhaltlichen Regelungen war die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, die nötige Mehrheit fand sich in der Sitzung am 10. Februar 2023 aber nicht. Aus Ländern mit Regierungsbeteiligungen der Union kam die Kritik, dass der Entwurf insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen zu sehr belaste. Für Deutschland wurde die fehlende Umsetzung inzwischen ein teures Vergnügen: Die EU-Kommission hatte bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt, für jeden Tag seit Ablauf der Umsetzungsfrist sollen laut der beim EuGH eingereichten Klage 61.600 Euro Strafzahlung fällig werden.
Inkrafttreten womöglich schon im Juni 2023
Die Ampelkoalition indessen entschied sich, jetzt einen eher ungewöhnlichen Weg zu beschreiten, und teilte das Vorhaben in zwei Gesetzesentwürfe auf. Die Idee dürfte wohl praktisch motiviert gewesen sein: Nur ein kleiner Teil der Regelungen, primär jene zu Beamten im Landesdienst, bedurfte tatsächlich der Zustimmung des Bundesrates. Und diese lagerte man eben einfach in ein gesondertes Gesetz aus, sodass alle übrigen nicht mehr so einfach von den Ländern hätten blockiert werden können.
An diesem Vorgehen gab es allerdings verfassungsrechtliche Bedenken, sodass man letztlich doch, wie in solchen Fällen üblich, den Vermittlungsausschuss anrief. Dessen Aufgabe liegt in der Vermittlung zwischen Bund und Ländern, wenn es zu Uneinigkeiten im Gesetzgebungsprozess kommt. Hier kam man nun zu dem Kompromiss, über den gerade der Bundestag abgestimmt hat.
Nachdem jetzt auch der Bundesrat zugestimmt hat, ist das Gesetzgebungsverfahren nahezu am Ende angekommen, es fehlt nunmehr nur noch die Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung im Bundesgesetzblatt. In weiten Teilen soll das Gesetz einen Monat nach Verkündung in Kraft treten – das könnte bereits Mitte Juni 2023 der Fall sein.
UPDATE: Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde nunmehr verkündet und tritt zum 2. Juli 2023 in Kraft.
Fristen: Unternehmen müssen Meldewege einrichten und betreiben
Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden müssen die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes innerhalb eines Monats umsetzen, also insbesondere entsprechende Meldekanäle einrichten und betreiben. Passiert das nicht ordnungsgemäß, kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 Euro verhängt werden. Diese konkrete Bußgeldregelung wird laut der Beschlussvorlage aber erst sechs Monate nach Verkündung des Gesetzes anwendbar – während dieser Zeit werden demnach keine entsprechenden Bußgelder verhängt. Gleiches gilt für Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche, diese müssen Meldewege zudem unabhängig von der Zahl ihrer Mitarbeitenden einrichten.
Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten müssen ihre internen Meldestellen erst ab dem 17. Dezember 2023 einrichten. Eine gesonderte Verschiebung der Anwendung der Bußgeldregelung erfolgt hier aber nicht.
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