Um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie anderen Personen in der Arbeitswelt vor Demütigung, Belästigung oder Übergriffen am Arbeitsplatz geht es in der Konvention Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation, der sich Deutschland jetzt angeschlossen hat. Sie gilt als historischer Meilenstein: Erstmals gibt es damit eine international verbindliche Definition von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung eingeschlossen.

Jedes Mitglied, das das Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich dazu, das Recht einer jeden Person auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung zu verwirklichen. Bislang haben sich bereits 20 andere Staaten dem Übereinkommen angeschlossen, darunter Italien, Griechenland und Spanien. In Deutschland wurde das Ratifizierungsgesetz am 30. Mai 2023 verkündet. 

Weitreichender Schutz und klarer rechtlicher Rahmen 

Gewalt am Arbeitsplatz kann in vielen Formen auftreten, von Beleidigungen und Mobbing über Bedrohungen bis zu Belästigungen und weiter. Die Konvention greift das auf und verschreibt sich einem breiten Anwendungsfeld: Sie umfasst Gewalt und Belästigungen – gleich, ob sie auf psychischen, physischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen oder diesen auch nur (wahrscheinlich) zur Folge haben. Daneben widmet sie sich gesondert der geschlechtsspezifischen Gewalt und Belästigung, von der dann gesprochen wird, wenn diese Taten gegen Personen aufgrund ihres biologischen oder sozialen Geschlechts gerichtet sind. „Das Übereinkommen setzt weltweit ein klares Zeichen, dass jedes Verhalten, das Menschen im Arbeitsumfeld herabsetzt, demütigt, sexuell belästigt oder auch physisch beziehungsweise psychisch angreift, verboten und damit auch geächtet wird“, hieß es dazu vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Die Länder, die das Übereinkommen umsetzen, verpflichten sich dazu, eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung zu achten, zu fördern und zu verwirklichen. Es geht jedoch wohl um mehr als nur warme Worte. Von den ratifizierenden Staaten fordert die Konvention, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Dabei geht es neben der entsprechenden Ausrichtung von Gesetzen auch um die Sicherstellung eines leichten Zugangs zu geeigneten und wirksamen Abhilfemaßnahmen in Fällen von Gewalt und Belästigung sowie zu sicheren, fairen und wirksamen Melde- und Streitbeilegungsmechanismen. 

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Umsetzung: Bringt das Übereinkommen Pflichten für Unternehmen mit?

Durch das völkerrechtliche Übereinkommen werden insbesondere die jeweiligen Länder, die es ratifizieren, dazu aufgefordert, entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Inwieweit sich noch Handlungsbedarf für Deutschland ergibt, das ist zurzeit noch relativ offen. Speziell das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), aber auch zivilrechtliche und strafrechtliche Vorschriften sind in diesem Themenbereich zumindest anwendbar. Hier wird sich noch zeigen müssen, ob der Gesetzgeber weitere Schritte für erforderlich hält. 

Inwiefern Unternehmen Handlungsbedarf erwächst, hängt insofern auch von dieser Frage ab. Kommt es in Deutschland zu weiteren Maßnahmen, müssen diese entsprechend auch von den Unternehmen umgesetzt werden. Prinzipiell sollen psychosoziale Risiken von Gewalt und Belästigung innerhalb des Arbeitsschutzmanagements berücksichtigt werden, unmittelbar für Unternehmen geltende Pflichten enthält das Übereinkommen aber insofern nicht. 

Das Übereinkommen tritt für jeden Mitgliedstaat zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifizierung in Kraft. Dieser Termin, zu dem das Übereinkommen für Deutschland dann bindend wird, wird im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben.