Grundsätzlichen steht Verbraucher:innen bei Fernabsatzverträgen, also Bestellungen über das Internet oder per Telefon, ein Widerrufsrecht gegenüber dem Unternehmen zu. Kundinnen und Kunden haben damit die Möglichkeit, den geschlossenen Vertrag ohne die Angabe eines Grundes einseitig rückabzuwickeln. Gegen die Rückgabe der bestellten Ware können sie dann ihr Geld zurückfordern.
Auf das Bestehen des Widerrufsrechts und die daran geknüpften Bedingungen hat der Unternehmer die Kundschaft auch umfassend hinzuweisen. Mit dem Einstellen der Widerrufsbelehrung in den Shop ist es für viele oft getan. Dabei könnten Unternehmen viele Auseinandersetzungen mit der Kundschaft vermeiden, wenn sie ihre Rechte und vor allem die eigenen Rechtstexte kennen. Und das wollen wir jetzt tun. Hierzu sind im Folgenden die Zeilen einer beispielhaften Widerrufsbelehrug fett gedruckt und grau hinterlegt zitiert und im Anschluss folgt eine Erklärung oder Erläuterung, was mit dem Passus in der Praxis gemeint ist.
In der Praxis sind es die Grenzfälle, in denen es zu Streitigkeiten kommt, beispielsweise ein Artikel in besonders großer Menge bestellt wird oder an eine Firmenanschrift geliefert wird. Dann vermutet man schnell, dass gar kein privater Kauf stattgefunden hat, sondern ein gewerblicher. Kommt man mit der gesetzlichen Definition nicht weiter, entscheidet der Einzelfall. Bei Zweifelsfragen ist die bestellende Person dann nicht als Verbraucher:in anzusehen, wenn der Kauf eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. September 2009, Az.: VIII ZR 7/09). Lassen die objektiven Kriterien einen gewerblichen Kauf vermuten, muss die Kundschaft beweisen, dass die Bestellung für den privaten Gebrauch getätigt wurde.
Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Frist von 14 Tagen, innerhalb der sich Verbraucherinnen und Verbraucher vom Vertrag lösen können. Diese Frist kann nur zugunsten der Kundschaft erhöht werden, z.B. auf einen Monat, nicht jedoch zulasten, beispielsweise auf sieben Tage abgesenkt werden.
Die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren an einen Verbraucher beginnt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat. Es kommt auf den tatsächlichen Besitz an. Viele Zustellunternehmen oder Shops berufen sich bei einer nicht erfolgten persönlichen Zustellung möglicherweise auf den „Dritten“. Die eigenmächtige Ablieferung in einer Postfiliale oder Abgabe in der Nachbarschaft ist jedoch keine wirksame Zustellung, wenn sie nicht explizit vom Verbraucher verlangt wurde (z. B. Wunschpostfiliale, Garagenverträge). Bis die Kundschaft das Paket nicht in der Filiale oder von einem Nachbarn entgegengenommen hat, läuft demnach auch keine Widerrufsfrist. Sie beginnt erst am darauffolgenden Tag des echten Empfangs.
Achtung: Die Widerrufsfrist beginnt außerdem nicht, bevor der Shop die Kundschaft über ihr Widerrufsrecht unterrichtet hat. Unternehmer:innen kommen dieser Informationspflicht nach, indem sie dem Verbraucher oder der Verbraucherin die Widerrufsbelehrung auf der Webseite zur Verfügung stellen und außerdem nach Vertragsschluss in Textform (z.B. per E-Mail) übermitteln. Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist auf maximal 12 Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Die Frist beträgt dann insgesamt 12 Monate und 14 Tage.
Das Widerrufsrecht endet grundsätzlich 14 Tage nach dem Beginn der Widerrufsfrist. Beispiel: Der Erhalt fällt auf den Dienstag, den 1. August 2023. Die Widerrufsfrist beginnt am Mittwoch, dem 2. August 2023. Die Widerrufsfrist endet mit Ablauf des 15. August 2023.
Zwar sieht das Gesetz für die Erklärung des Widerrufs keine bestimmte Form vor. Der Widerruf könnte beispielsweise schriftlich, aber auch mündlich (z.B. am Telefon) erklärt werden. Daher muss die Telefonnummer angegeben werden, soweit sie im Impressum steht. Wichtig ist allerdings, dass erkennbar ist, dass der Kunde oder die Kundin den Widerruf erklären möchten. Dafür genügt die bloße Annahmeverweigerung nicht aus, weil nicht eindeutig erkennbar ist, ob die Kundschaft vom Widerrufsrecht Gebrauch macht oder aber Gewährleistungsrechte in Anspruch nimmt. Auch das kommentarlose Zurücksenden reicht rein rechtlich ebenfalls nicht aus, um einen wirksamen Widerruf zu erklären.
Hier geht es vor allem darum, dass die Frist durch die Kundschaft gewahrt wird, die beispielsweise gerade keine Zeit hat, mit dem Paket zur Post zu laufen. Mit der Regelung kann man also auch ohne Rücksendung seine Widerrufsfrist wahren, indem der Widerruf auf sonstigem Wege erklärt wird. Das Unternehmen muss im Zweifel alle Tatsachen beweisen, aus denen es die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere die Verwendung und Übersendung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Die widerrufende Person hingegen trägt die Beweislast für ihren Widerruf (inhaltlich, rechtzeitige Absendung und Zugang des Widerrufs).
Faktisch bedeutet dies, dass der Shop den bereits im Voraus gezahlten Gesamtpreis erstatten muss. Hat der Kunde noch nicht bezahlt, muss er die Rechnung nicht mehr begleichen. Von der Erstattung nicht erfasst sind zusätzliche Kosten, die über die günstigste Standardlieferung hinausgehen. Beispiele dafür wären der Expressversand oder die Zustellung zur Wunschzeit. Entscheiden sich Verbraucher:innen bei der Bestellung für eine teurere Versandart, zum Beispiel für einen Expressversand statt der Standardlieferung, müssen Shops diese Differenz nicht erstatten, die Standardversandkosten aber schon.
Dem Verbraucher oder der Verbraucherin müssen im Fall des Teilwiderrufs die Hinsendekosten nicht zurückerstattet werden, die ohnehin und für den Teil der Bestellung angefallen wären, die sie behalten möchten.
Viele Händler:innen werden sich nun vor einem Missbrauch fürchten und wollen das Geld keineswegs erstatten, bevor sie die Ware nicht zurückerhalten haben. Dazu klärt unsere beispielhafte Widerrufsbelehrung jedoch im übernächsten Satz auf.
Eine Überweisung wäre beispielsweise auch durch eine Überweisung zurückzuerstatten. Bei Zahlung per Lastschrift ist das Geld wieder zurückzuüberweisen, da eine Lastschriftermächtigung für den Verbraucher zu umständlich ist. In Bezug auf die Rückzahlung des Betrages sind abweichende individuelle Vereinbarungen möglich. Dies jedoch nicht in den AGB, da diese gerade für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt sind und somit nicht individuell.
Widerruf und Rücksendung müssen oder können nicht immer gleichzeitig erfolgen (s.o.). Der Verbraucher oder die Verbraucherin sind vorleistungspflichtig, d.h. sie müssen erst einen Widerruf erklären. Der Shop darf die Rückzahlung anschließend so lange verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Nachweis vorliegt, dass die Waren abgesandt wurden (z.B. durch Einlieferungsbeleg).
Mit dem Absenden der Widerrufserklärung fängt eine neue zu laufen Frist an. Ab diesem Zeitpunkt hat die Kundschaft wiederum 14 Tage Zeit, die Ware an das Unternehmen zurückzuschicken. Hierbei genügt zur Einhaltung der Frist, dass die Ware innerhalb des Zeitraums abgesendet wird bzw. der Nachweis über das Absenden vorliegt. Sendet die Kundschaft die Ware innerhalb von 14 Tagen nach dem Widerruf nicht zurück und kann auch keinen Nachweis dafür vorweisen, so kommt sie in Verzug und ist dem Unternehmen gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn dadurch ein Schaden entstanden ist. Können Händler:innen eine verspätet eingetroffene Ware nicht mehr oder wegen eines Wertverlustes nur zu einem reduzierten Preis verkaufen (z. B.Saisonware, Fußballtrikot einer bereits beendeten WM), ist die Kundschaft zum Schadensersatz verpflichtet.
Aber Achtung: geht die Rücksendung verspätet ein, heißt das nicht, dass damit der Widerruf verwirkt ist. Auch wenn die Ware erst nach Monaten wieder eintrifft, müssen Händler:innen diese dennoch annehmen und sind dann auch zur Erstattung des Kaufpreises verpflichtet. Es kommt auf den Zeitpunkt der Absendung an, denn für den Versandweg zurück sind wiederum wieder die Händler:innen verantowrtlich.
Es steht Händler:innen frei, ob sie die Rücksendekosten bei einem Widerruf selbst tragen möchten oder der widerrufenden Person auferlegen wollen. Hierfür genügt ein Zusatz in der Widerrufsbelehrung, in welchem auf die Kostenfolgen hingewiesen wird. Ebenfalls kann das Unternehmen entscheiden, ob sich die Kundschaft selbst um den Rücktransport kümmern muss oder der Shop die Ware wieder abholt oder abholen lässt.
Bei nicht paketversandfähigen Waren gibt es wegen der hohen Kosten außerdem folgende Besonderheit, wenn der Besteller oder die Käuferin die Kosten der Rücksendung übernehmen soll: Shops müssen über die konkrete (oder zumindest die geschätzte) Höhe der Rücksendekosten bzw. der Abholung durch eine Spedition in der Widerrufsbelehrung informieren.
Auch wenn die Antwort viele Shopbetreiber:innen schmerzen mag: Die Rücksendung von gebrauchter oder vielleicht sogar beschmutzter oder beschädigter Ware schließt das Widerrufsrecht nicht aus. Das ist ärgerlich, berechtigt aber nicht dazu den Widerruf nicht anzuerkennen. Allerdings ist das Unternehmen auch in diesem Fall nicht komplett rechtlos gestellt. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann er Wertersatz verlangen.
Die Frage nach einem Wertersatz ist eine der bedeutendsten Praxisfragen, denn sie ruft auf beiden Seiten den meisten Unmut hervor. Bei der Beurteilung nach dem „Ob“ des Wertersatzes und der Höhe des Wertersatzes ist stets im Einzelfall zu entscheiden – insbesondere wann eine über die Prüfung hinausgehende Verwendung der Ware vorliegt, die zum Wertersatz berechtigt. Eine ausführliche Erläuterung liefert der Händlerbund auf seiner Ratgerberseite zum Wertersatz.
Nicht für alle im Internet bestellten Waren wird ein gesetzliches Widerrufsrecht gewährt. Nach der aktuellen Rechtslage gibt es sog. Ausschluss- und Erlöschensgründe des Widerrufsrechts. Wir gehen sie nun einzeln durch.
Das betrifft Waren, die nach Kundenspezifikation hergestellt sind oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Wichtig ist jedoch, dass die Ware anderweitig nicht oder nur mit unzumutbaren Preisnachlässen abgesetzt werden können, z.B. sehr spezielle Maßkleidung, gravierte Schmuckstücke. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass für individualisierte Produkte, die leicht zurückgebaut werden, ein Widerrufsrecht nach wie vor besteht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Händler einen PC nach Kundenwünschen zusammen baut und die einzelnen Komponenten ohne Probleme wieder voneinander trennen kann. Urteile gibt es bereits zu Sofas oder Wintergärten.
Hier sind die Klassiker wie Schnittblumen oder Frischfleisch gemeint. Lebensmittel sind jedoch nicht generell vom Widerrufsrecht ausgeschlossen, wenn sie eine längere Haltbarkeit haben, z. B. Kaffee, Konserven, Wein.
Der Abschluss eines Abo-Vertrages kann beispielsweise widerrufen werden, die Lieferung einer Einzelbestellung hingegen nicht.
Das ansonsten bestehende Widerrufsrecht kann auch bei sog. Gesundheits- und Hygieneartikeln vorzeitig erlöschen, wenn die Versiegelung vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde. Hier ist zunächst zu prüefen, ob es sich im konkreten Fall um Gesundheits- oder Hygieneartikel handelt. Das Gesetz lässt hier offen, was genau damit gemeint sein soll. Zudem kommt es auf den Punkt „Versiegelung“ an. In den meisten Fällen werden Artikel, beispielsweise Erotikartikel oder Medikamente gar nicht verpackt, oder lediglich mit einer Cellophanhülle versehen. Eine solche Cellophanhülle stellt jedoch kein Siegel dar. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit der Versiegelung ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht wäre. Nicht ausgeschlossen sind ansonsten wieder zu reinigende Artikel (z.B. durch Abwaschen, Desinfizieren).
Wird die Software auf einem körperlichen Datenträger wie einer CD oder einem USB-Stick bereitgestellt, wird dies als regulärer Warenverkauf betrachtet und erfordert im Online-Shop daher auch eine entsprechende Widerrufsbelehrung für den Verkauf von Waren. Mit der Benutzung der Software ist ein Widerrufsrecht nicht automatisch ausgeschlossen. Das Widerrufsrecht kann zwar bei Software in einer versiegelten Packung erlöschen, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. In den meisten Fällen wird Software lediglich mit einer Cellophanhülle versehen sein. Eine solche Cellophanhülle stellt jedoch kein Siegel dar. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit der Versiegelung ein Hinweis auf den Ausschluss des Widerrufsrechts angebracht wäre.
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