In Deutschland gilt bereits ein nationales Lieferkettengesetz für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Im Dezember wurde dann berichtet, dass man sich in der EU auf das EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)) geeinigt habe, von dem mehr Unternehmen betroffen sein werden.
Laut einem Präsidiumsbeschluss lehnt die FDP die konkrete Ausgestaltung der EU-Vorschrift ab und plädiert stattdessen für eine schlanke und praxistaugliche EU-Lieferkettenrichtlinie.
Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit?
Aktuell befindet sich das EU-Lieferkettengesetz noch im Prozess. Im Dezember einigten sich der Rat der Europäischen Union, das Parlament und die Kommission auf einen Kompromiss. Dieser Entwurf muss nun noch vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet werden. Die Hoffnung der FDP ist, dass dieser Prozess abgebrochen wird, um einen „Bürokratie-Burnout“ zu stoppen.
Besondere Kritik erhält der Entwurf durch die Liberalen auf Grund der „unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden", die geschaffen werden würden. Weiter heißt es in dem Beitrag der FDP dazu: „Die Richtlinie würde in der aktuellen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft bedrohen“, so die Befürchtung der Freien Demokraten. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die EU-Vorschrift deutlich über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgeht.
Das stimmt auch: Während vom deutschen Gesetz Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten betroffen sind, will die EU Unternehmen ab 500 Beschäftigten verpflichten. Weiterhin fordert die FDP die CDU dazu auf, auf Parteifreundin Ursula von der Leyen einzuwirken: „Frau von der Leyen macht keine Politik für Europa. Sie macht auch keine Politik für Deutschland“, lautet der konkrete Vorwurf von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
Lieferkettengesetz als Hürde für Unternehmen
Bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz löst laut der taz gemischte Gefühle bei Unternehmen aus: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) verweise auf einige Fälle, bei denen große Unternehmen ihre Dokumentationspflichten auf mittelständische Unternehmen abwälzten, die eigentlich gar nicht von dem Gesetz betroffen seien. Besonders bei allein in Deutschland tätigen Handwerksbetrieben sei das Risiko von Menschenrechtsverstößen gering: „Viele Handwerksbetriebe empfinden solche undifferenzierten Codes of Conduct als sehr ärgerlich und völlig unnötige weitere bürokratische Belastung“, wird der ZDH zitiert.
Genau dieses Abwälzen von Sorgfaltspflichten wurde vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) untersagt.
Zustimmung erntet die FDP außerdem von Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI): „Hier liegen komplett wirklichkeitsfremde Vorstellungen zugrunde, die den Unternehmen uneinlösbare Pflichten aufbürden würden.“
Grüne kritisieren Beschluss
Kritik an dem Präsidiumsbeschluss kommt von den Grünen. Laut Zeit Online/ dpa sieht die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini die Glaubwürdigkeit Deutschlands in Gefahr. Sollte sich die FDP mit der ablehnenden Haltung durchsetzen, sei dies ein Desaster für das Ansehen Deutschlands als zuverlässiger Verhandlungspartner innerhalb der EU. Auch Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz, kritisiert das Vorgehen der FDP scharf: „Mit ihrer Kehrtwende kurz vor der Ziellinie setzt die FDP die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der EU in Sachen Nachhaltigkeit aufs Spiel.“ Der Knackpunkt ist nämlich der, dass die FDP das EU-Lieferkettengesetz bisher mitgetragen hatte.
Wie geht es weiter?
Eigentlich war nach dem gefundenen Kompromiss im Dezember die Hoffnung groß, dass die Formalitäten schnell zum Abschluss kommen. Nun ist die Befürchtung groß, dass das EU-Lieferkettengesetz einen ähnlichen Verlauf nimmt wie das Verbot für Verbrennermotoren: Hier kam es wegen des deutschen Widerstandes in letzter Minute zu wochenlangen Verzögerungen. Durchsetzen konnte die FDP am Ende nur kleine Änderungen. Wie es in der taz heißt, wird sich dieses Szenario aber wohl nicht wiederholen. Wahrscheinlicher sei eine Enthaltung Deutschlands, die das EU-Lieferkettengesetz aber nicht zum Sturz bringen sollte.
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