Nach langem Hin und Her, verbunden mit einem Fingerzeigen Richtung Deutschland, haben sich die Mitgliedstaaten der EU nun doch auf eine EU-Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Allerdings musste das Gesetz etwas abgeschwächt werden, um die Länder, die sich eigentlich enthalten wollten, noch zur Zustimmung zu bewegen. Deutschland indes hat sich heute, wie angekündigt, laut dem Spiegel enthalten.

Für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten

Ursprünglich sollte die EU-Lieferkettenrichtlinie für Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro gelten. Damit wären mehr Unternehmen betroffen als von dem deutschen Lieferkettengesetz. 

In der jetzt beschlossenen Variante wurden die Grenzen deutlich angehoben: Die Lieferkettenrichtlinie soll für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz ab 450 Millionen Euro gelten. Je nach Unternehmensgröße gelten außerdem unterschiedliche Übergangsfristen:

  • 5 Jahre für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 450 Millionen Euro
  • 4 Jahre für Unternehmen ab 4.000 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 900 Millionen Euro
  • 3 Jahre für Unternehmen ab 5.000 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 1,5 Milliarden Euro weltweit

Durch das Hochsetzen der Grenze sind laut Euractiv 70 Prozent weniger Unternehmen betroffen als von der ursprünglichen Variante.

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Streichung von Risikosektoren

Doch nicht nur das: Die Risikosektoren wurden ganz gestrichen. Unter Risikosektoren versteht man die Wirtschaftsbereiche, die ein besonders hohes Risiko von Menschenrechtsverletzungen haben. Beispielhaft kann hier die Textilbranche genannt werden. Diese hätten auch bei einer kleineren Anzahl von Beschäftigten von strengen Dokumentations- und Berichtspflichten betroffen sein können. 

Hintergrund: Gab es einen Kuhhandel zwischen der FDP und Italien?

Aber: Wie ist es überhaupt zu diesem Hin und Her gekommen? In aller Kürze: Im Dezember einigten sich die Unterhändler der EU auf die Lieferkettenrichtlinie. Die Abstimmung der Mitgliedstaaten galt als Formsache. Immerhin soll die Verhandlung der Unterhändler der Mitgliedstaaten genau solche unangenehmen Überraschungen verhindern. Auf den letzten Metern sagte die FDP: „Nö.“ Deutschland war damit zur Enthaltung gezwungen. Da weitere Mitgliedstaaten ankündigen, sich enthalten zu wollen, wurde die Abstimmung kurzerhand gestrichen. 

Wie nun das Handelsblatt berichtet, gab es aber offenbar eine Absprache zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und seinem italienischen Ressortkollegen Giancarlo Giorgetti. Der Deal lautete wohl, dass sich Deutschland bei der Abstimmung zur europäischen Verpackungsverordnung enthalten werde, wenn Italien sich dafür bei der Lieferkettenrichtlinie zurückhält. Die Existenz eines solchen Deals wurde aber zuletzt von der FDP bestritten. 

Gleichzeitig hat der belgische Ratspräsident aber beim Thema Verpackungsverordnung nachgebessert. Hinfällig wurde die Regelung, die Hersteller von Einwegverpackungen dazu verpflichtet hätte, sich an den Müllentsorgungskosten der Kommunen zu beteiligen. Diese Nachbesserung sei geschehen, um dem mutmaßlichen Deal zwischen FDP und Giorgetti das Wasser abzugraben. Jedoch sorgte das „Ja“ von Italien zum Lieferkettengesetz tatsächlich für die nötige Mehrheit.

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