Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gilt ab Ende Juni 2025, um einen rechtlichen Rahmen für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu schaffen. Ziel des BFSG ist es, die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und so gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Die Vorgaben betreffen jedoch nicht nur Online-Shops selbst, sondern auch eine Vielzahl von Produkten, die im täglichen Leben verwendet werden.

Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Produkte, die unter das BFSG fallen, und beleuchtet die Anforderungen an deren Barrierefreiheit sowie die besonderen Pflichten für den Online-Handel.

Welche Produkte fallen unter das BFSG?

Das BFSG gilt für eine breite Produktpalette, die von elektronischen Geräten bis hin zu interaktiven Maschinen (z. B. Terminals) reicht. Konkret betroffen sind technische Produkte, die für den täglichen Gebrauch bestimmt sind und für deren Zugang Barrierefreiheit entscheidend ist.

Folgende Produktgruppen sind vom BFSG erfasst:

  • Hardwaresysteme für Universalrechner einschließlich der für diese Hardwaresysteme bestimmten Betriebssysteme, z. B. Desktops, Notebooks, Smartphones und Tablets sowie Software. Nicht umfasst sind einzelne Komponenten mit spezifischen Funktionen wie etwa Hauptplatinen oder Speicherchips, die in einem solchen System verwendet werden.
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste verwendet werden, z. B. Mobiltelefone, Tablets, Router, Modems.
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für elektronische Kommunikationsdienste und audiovisuelle Mediendienste, z. B. Amazon Fire TV Stick oder Spielekonsolen, Smart-TVs.
  • E-Books und E-Book-Lesegeräte

Ausgenommen ist der komplette B2B-Handel, denn nur Verbraucherprodukte unterliegen dem BFSG. Professionelle technische Geräte, die erwartungsgemäß nicht an Verbraucherinnen und Verbraucher verkauft werden, müssen somit nicht barrierefrei sein (z. B. professionelle Bild- und Tontechnik). Allerdings ist es bei manchen Produkten schwierig, eine Abgrenzung zu treffen. Aufgrund der verbraucherspezifischen Ausrichtung sind beispielsweise Geschäftscomputer nicht erfasst. Da es sich hier jedoch um ein und denselben Herstellungsprozess handelt, dürfte sich dies in der Praxis bezüglich der Barrierefreiheit der Hardware nicht bemerkbar machen.

Hinweis: Das BFSG gilt zwar zudem für den Verkauf über Selbstbedienungsterminals wie Ticketautomaten (z. B. Fahrkarten). Da sie aber für den klassischen Online-Handel nicht relevant sind, wurden sie in diesem Beitrag nicht weiter thematisiert. Eine komplette Liste findet sich jedoch in unserem Auftaktartikel zum Anwendungsbereich.

Ab wann müssen die Produkte barrierefrei sein?

Das BFSG gilt für Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden. „Inverkehrbringen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Produkt zum ersten Mal auf dem Markt der Europäischen Union zum Verkauf oder zur Nutzung angeboten wird. Es handelt sich also um den Moment, in dem ein Produkt aus der Fabrik an die nächste Stufe in der Lieferkette gelangt.

Beispiel:
Ein Produkt wird im Januar 2025 produziert und noch im selben Monat an den Großhändler in Berlin übergeben. Somit befindet es sich bereits im Verkehr und muss zum Stichtag theoretisch noch nicht die neuen Anforderungen erfüllen, sondern darf noch nach den alten Standards abverkauft werden.

Welche Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten gibt es?

Nun widmen wir uns der Frage, welche Spezifikationen die Produkte aufweisen müssen, die unter das BFSG fallen.

Jeder, der einmal einen Internetrouter installiert hat, weiß, wie nervenaufreibend das ist. Man stelle sich vor, man muss das mit Einschränkungen tun. Solche Herausforderungen sind für viele Menschen alltäglich und machen deutlich, wie wichtig eine durchdachte und barrierefreie Gestaltung von Produkten ist. Das BFSG setzt genau hier an und soll sicherstellen, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen Einschränkungen – Zugang zu modernen Technologien und grundlegenden Dienstleistungen haben.

Produkte, die unter das BFSG fallen, sollen in einer Weise gestaltet sein, dass sie ohne besondere Erschwernis nutzbar sind. Dies erfordert eine durchdachte Konzeption, die verschiedenen Einschränkungen gerecht wird, einschließlich visueller, auditiver, motorischer und kognitiver Barrieren.

  • Nutzbarkeit für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen (z. B. kontrastreiche Darstellungen, alternative Steuerungsmethoden wie Spracheingabe oder haptisches Feedback, sowie gut lesbare und verständliche Benutzeroberflächen).
  • Bedienbarkeit durch Menschen mit motorischen Einschränkungen (z. B. Bedienung ohne präzise Fingerbewegungen oder mit alternativen Eingabemethoden wie Spracherkennung).
  • Kompatibilität mit assistiven Technologien (z. B. Screenreader, Braille-Displays oder spezielle Eingabegeräten).
  • Anpassbare Benutzeroberflächen (z. B. Schriftgröße oder Lautstärke).
  • Einfache Bedienbarkeit (z. B. klare und verständliche Benutzeroberflächen der Geräte).

Beispiel:
Eine verbesserte Barrierefreiheit für ein iPhone beispielsweise könnte durch flexible Anpassungsmöglichkeiten für Schriftgröße und Farben erreicht werden. Eine erweiterte Sprachsteuerung, zusätzliche haptische Signale und ein vereinfachter Modus für die kognitive Barrierefreiheit würden das iPhone für eine größere Nutzergruppe zugänglich machen.

Für die PlayStation hingegen würden klare Menüstrukturen und alternative Controller-Optionen, wie ein vereinfachter Modus und eine sprachgesteuerte Steuerung, die Barrierefreiheit deutlich verbessern. Zudem würden standardmäßige Untertitel und Audiofeedback, Kompatibilität mit Screenreadern sowie einstellbare Schwierigkeitsgrade und Spieltempo die Nutzung für Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen erheblich erleichtern. Hier ist vor allem auch die Spielentwicklung gefragt.

Die Einhaltung dieser Anforderungen wird durch entsprechende Prüfungen kontrolliert und muss bereits in der Produktentwicklung berücksichtigt werden. Händlerinnen und Händler selbst haben hierauf in der Praxis weder Einfluss noch das nötige Know-how, um die vielen technischen Standards zu überprüfen. Anhand der nachfolgenden Kriterien können sie jedoch in ihrem Machtbereich agieren.

Welche Pflichten und Anforderungen haben Händlerinnen und Händler?

Online-Shops, die Produkte lediglich vertreiben, die unter das BFSG fallen, müssen also bei der Herstellung selbst nichts beachten. Sie müssen jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten kontrollieren und sicherstellen, dass die Verantwortlichen in der Lieferkette (insbesondere die herstellenden Unternehmen) den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dabei bestehen Pflichten:

  • Überwachung: Händlerinnen und Händler müssen die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards überwachen und Produkte zurückrufen oder nachbessern, wenn festgestellt wird, dass sie nicht den Anforderungen des BFSG entsprechen. Durch die Anbringung der CE-Kennzeichnung wird erklärt, dass das Produkt mit allen relevanten europäischen Normen konform ist und somit auch die notwendigen Barrierefreiheitsstandards einhält. Ist es nicht am Produkt vorhanden, ist höchste Vorsicht geboten.
  • Zugang zu Produktinformationen: Händlerinnen und Händler sind zudem verpflichtet, klare Informationen zum Produkt bereitzustellen. Dazu gehören Gebrauchsanweisungen in zugänglicher Sprache und Hinweise auf die Kompatibilität mit unterstützenden Technologien. Shops müssen nicht zuletzt sicherstellen, dass sämtliche Standard-Informationen zum Produkt auf einfache Weise zugänglich sind. Das umfasst nicht nur die Artikelbeschreibung, sondern auch alle relevanten Informationen rund um den Kauf, wie Rechtstexte oder Bestellablauf. Die Anforderungen an den barrierefreien Shop selbst haben wir uns bereits in einem gesonderten Artikel im Detail angeschaut.

Gibt es Ausnahmen von der barrierefreien Gestaltung?

Viele, besonders kleine E-Commerce-Unternehmen haben sich bereits dankend auf die sogenannte Kleinunternehmerregelung berufen. Der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung kann man jedoch lediglich für Online-Shops selbst entgehen. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht in Bezug auf die maßgeblichen Produkte (s. o.). Diese unterliegen stets und unabhängig von der Größe des anbietenden Unternehmens dem BFSG. Hier gibt es keine Ausnahme für Kleinstunternehmen.

Beispiel:
Verkauft ein Ein-Mann-Unternehmen also beispielsweise online Spielekonsolen, muss es den Online-Shop unter Umständen nicht barrierefrei gestalten – das entsprechende Sortiment jedoch schon. In dem nicht-barrierefreien Online-Shop dürfen nur barrierefreie Spielekonsolen angeboten werden. Selbstredend sind damit wiederum nur die relevanten Produktgruppen gemeint (s. o.) und nicht per se alle. Verkauft das Unternehmen neben Spielkonsolen auch Gamingstühle, unterliegen letztere beispielsweise nicht dem BFSG.

Fazit und Praxishinweis zu barrierefreien Produkten

Das BFSG ist ein bedeutender Schritt hin zu mehr Inklusion und Teilhabe, indem es sicherstellt, dass zahlreiche Produkte und Dienstleistungen auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind. Davon können alle profitieren, die schon einmal im grellen Sonnenlicht per App ein Ticket für die U-Bahn kaufen wollten oder sich mit einem gebrochenen Arm die Zeit an der Playstation vertrödeln wollten.

Das BFSG legt zwar die Hauptverantwortung auf die herstellenden Unternehmen, die sicherstellen müssen, dass ihre Produkte den Vorgaben entsprechen und in einer Form angeboten werden, die Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gerecht wird. Dazu gehören konkrete Anforderungen an Design, Konzeption und technische Spezifikationen der Produkte. Händlerinnen und Händler hingegen haben vor allem eine begleitende Funktion.

Sie müssen (zumindest stichprobenartig) prüfen, ob die gesetzlichen Kennzeichnungen wie die CE-Kennzeichnung vorhanden sind, und darauf achten, dass ihre Produkte den Anforderungen entsprechend dargestellt werden. Direkte Eingriffsmöglichkeiten in die Gestaltung der Produkte haben sie jedoch kaum. Online-Shops tragen somit indirekt zur Barrierefreiheit bei, indem sie die gesetzlichen Standards einhalten und durch präzise Produktbeschreibungen sicherstellen, dass die Kundschaft gut informiert ist.

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