Studie zur Barrierefreiheit: Amazon und Ebay liegen hinter Temu und Shein

Veröffentlicht: 07.03.2025
imgAktualisierung: 07.03.2025
Geschrieben von: Hanna Hillnhütter
Lesezeit: ca. 3 Min.
07.03.2025
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Amazon Webseite
Erstellt mit Dall-E
Viele Webseiten sind noch nicht barrierefrei. Das schließt nicht nur Nutzer:innen aus, sondern verstößt bald auch gegen das Gesetz.


In weniger als vier Monaten tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft. Das heißt, dass Webseiten, Apps und andere digitale Verkaufsplattformen möglichst barrierearm gestaltet werden müssen, um sie für alle Leute zugänglich zu machen. Im Zuge dessen hat die Softwarefirma Eye-Able im Auftrag des Handelsblatts 60 große Webseiten auf ihre Barrierefreiheit hin untersucht. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus. Keine der untersuchten Webseiten kann sich als barrierefrei bezeichnen. 

Im Schnitt erreichten die Webseiten 46 von 100 möglichen Punkten. Besonders schlecht schnitt ausgerechnet der Marktplatzriese Amazon ab. Hier wurden nur 23 Punkte erreicht. Sogar der chinesische Billigmarktplatz Temu schnitt mit 44 Punkten besser ab.

Das wurde untersucht

In der Untersuchung wurden die Seiten mit einem automatischen Scan auf 125 Kriterien hin geprüft. Dabei wurden die Startseite und die ersten 100 erreichbaren Unterseiten berücksichtigt. Zu den Kriterien gehörte beispielsweise, ob die Seite mit einem Screenreader gut ausgelesen werden und somit auch von Blinden oder Sehbehinderten genutzt werden kann. Relevant ist auch, dass Bilder und andere Darstellungen einen Alt-Text enthalten, der beschreibt, was zu sehen ist. Ein weiterer Punkt ist, ob der Kontrast hoch genug ist, sodass Personen mit einer Sehschwäche die Möglichkeit haben, die Schrift zu erkennen. Je schwerwiegender Fehler waren und je häufiger sie auftraten, umso schlechter die Punktzahl. 

Keine untersuchte Website gilt als gut nutzbar

Erreicht werden konnten bis zu 100 Punkte. Ab 75 Punkten gilt eine Webseite als gut nutzbar für Menschen mit Behinderung. Das schaffte keine der Seiten. Auf dem ersten Platz landete Mercedes-Benz mit 72 Punkten, dicht gefolgt von Flixbus (69 Punkte) und Doctolib (67 Punkte).  Den vierten Platz erreichte als erster Marktplatz Kleinanzeigen mit immerhin noch 64 Punkten. Hier gibt es gerade bei nutzergenerierten Inhalten noch Schwierigkeiten, so gibt es zum Beispiel wenig Beschreibungstexte zu den Bildern, die von Nutzer:innen hochgeladen werden. Auch Zalando fand sich als zweitbeste E-Commerce-Seite im oberen Drittel wieder. Mit 60 Punkten besteht allerdings auch hier noch Verbesserungsbedarf. 

Amazon mit 23 Punkten auf dem letzten Platz

Auf dem letzten Platz landete mit 23 Punkten der Marktplatzriese Amazon. Vor allem der Musikdienst Amazon Music sorgte für die schlechte Bewertung. Auch hier lag es an fehlenden Beschreibungstexten für Bilder. Doch auch der Online-Shop ist bisher wenig barrierefrei: Bilder und Links sind in vielen Fällen nicht richtig beschriftet. Gerade weil in der USA die Barrierefreiheit von Webseiten schon seit einiger Zeit gesetzlich geregelt ist, überrascht das schlechte Abschneiden des US-Konzerns. 

Auch der Elektronikhändler Saturn schnitt mit 32 Punkten schlecht ab. Auf Anfrage des Handelsblatts räumte das Unternehmen ein, dass der Standard AA noch nicht eingehalten werde, aber dies bis Ende Juni geplant sei. Auch auf dem Marktplatz Ebay ist bis zum Sommer noch einiges zu tun, die Webseite konnte gerade mal 34 Punkte vorweisen. Das ist noch weniger als Shein (40 Punkte) und Temu (44 Punkte). 

Deswegen ist Barrierefreiheit wichtig

Auch wenn ein Umstellen auf eine möglichst barrierearme Webseite zunächst mit Aufwand und Kosten verbunden ist, lohnt sich die Umsetzung der Vorgaben. Allein in Deutschland leben mehr als 12 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Zahlreiche potenzielle Kund:innen werden also schlichtweg ausgeschlossen. Eine Umfrage der Software-Bewertungsplattform Capterra ergab, dass 38 Prozent der Unternehmen, die barrierefreie Funktionen einführten, höhere Gewinne erzielten. Außerdem schneidet eine barrierefreie Webseite bei der Sichtbarkeit in Suchmaschinen deutlich besser ab. 

Ab Juli müssen Händler:innen zudem mit Abmahnungen und Bußgeldern rechnen

Das müssen Online-Händler jetzt machen

Da die Umsetzung mit erheblichem Aufwand und auch mit Kosten verbunden ist, sollten Händler:innen sich bereits jetzt um die Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes kümmern. Dabei müssen vor allem vier Grundprinzipien eingehalten werden: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Detailfragen haben wir bereits in diesem Artikel behandelt: Wie muss der barrierefreie Online-Shop aussehen? 
Zudem haben wir eine Checkliste als Vorbereitung auf den 28. Juni erstellt. 

Zahlreiche weitere Fragen zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes haben wir außerdem auf unserer Themenseite Barrierefreiheit behandelt. 

Veröffentlicht: 07.03.2025
img Letzte Aktualisierung: 07.03.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Hanna Hillnhütter

Hanna Hillnhütter

Expertin für Verbraucherschutz- und Strafrecht

KOMMENTARE
2 Kommentare
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Max Sonntag
10.03.2025

Antworten

Man kann es auch übertreiben. Wir verkaufen online Ersatzteile, die sowohl mitteln kleiner, eingeprägter Bauteilnummern, als auch durch optischen Vergleich und Nachmessen vom Kunden identifiziert werden müssen. Wer für den Bestellvorgang einen Screenreader benötigt, wird also gar nicht in der Lage sein, die Bauteilnummer vorher am Bauteil abzulesen, geschweige denn, das Teil dann selbst einbauen zu können. Auch ein Alt-Text bei Produktabbildungen ist hier in keiner Weise zieführend. Das mag bei Bekleidung, Küchengeräten oder einem Fernseher sicher anders sein, aber wenn derlei Vorschriften sinnloserweise mit der Gießkanne über alle Händler ausgeschüttet werden, sorgt das nicht nur für Frust, sondern auch für unnötige Kosten, die - gerade im Falle von kleinpreisigen Ersatzteilen - letztlich an den Endverbrauer weitergegeben werden müssen. Das zeigt dann wieder sehr schön die Praxisferne von Entscheidungsträgern in ihrer Brüsseler Blase. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht.
Robert
08.03.2025

Antworten

Ich sehe in dem Barrierefreiheitsgesetz für Webseiten nur begrenzte Vorteile und befürchte, dass es in vielen Fällen sogar Nachteile mit sich bringen könnte. Die Menschen mit Handicap, die ich kenne, hatten bislang keinerlei Schwierigkeiten, insbesondere beim Online-Shopping. Gerade auf Plattformen wie Amazon wurde mir sogar bestätigt, dass die Nutzung dort besonders einfach und benutzerfreundlich ist. Für unseren kleinen Onlineshop haben wir bereits ein Barrierefreiheits-Tool integriert. Damit können unter anderem Schriftgrößen angepasst, Standard-Fonts aktiviert, Texte vorgelesen, Bilder und Videos ausgeblendet sowie Farben gesättigt werden – und noch einiges mehr. Zwar sind diese Funktionen durchaus nützlich, doch die Umsetzung war mit nicht unerheblichen Kosten verbunden, insbesondere für die Einrichtung. Auch künftig fallen Ausgaben für Updates an. Da die Menschen mit Handicap, die ich kenne, bisher keinerlei Probleme hatten, im Internet einzukaufen oder andere Dinge zu erledigen, erschließt sich mir der tatsächliche Nutzen dieser gesetzlichen Pflicht nicht.