Es ist ein politischer Paukenschlag: Die schwerwiegenden Uneinigkeiten der Ampel haben sich entscheidend zugespitzt und schließlich zur Zerrüttung geführt: Wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend mitteilte, hat er den Bundespräsidenten um die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gebeten. „Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden“, erklärte er in einer knapp 15-minütigen Live-Übertragung aus dem Kanzleramt.
Vorwurf der Kompromisslosigkeit gegen Lindner
„Es ist meine Pflicht als Bundeskanzler, auf pragmatische Lösungen zum Wohle des ganzen Landes zu drängen. Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch öffentlich inszenierten Streit und laute ideologische Forderungen“, so Scholz weiter.
Insbesondere warf er Lindner ein kompromiss- und verantwortungsloses Vorgehen vor: „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Statt Kompromisse zum Wohle des Landes zu finden, habe er Politik für seine eigene Klientel betrieben und das kurzfristige Überleben der eigenen Partei fokussiert.
Rufe nach Hilfe vonseiten der Unternehmen
Gerade in Anbetracht der ernsten geopolitischen und wirtschaftlichen Lage sei die fehlende Kompromissbereitschaft Lindners nicht tragbar: Scholz verwies etwa auf den Krieg in Europa und die angespannte Lage im Nahen Osten, auf die fehlende Entwicklung der hiesigen Wirtschaft und den schwachen Welthandel, der die Unternehmen ebenso belastet wie die hohen Energiekosten und notwendigen Investitionen für die Modernisierung der Wirtschaft.
Aus den Reihen der Unternehmen seien Rufe nach Unterstützung zu hören. „Wer sich in einer solchen Lage einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos“, so das Fazit von Scholz.
Scholz will Vertrauensfrage Mitte Januar stellen
Auch über das weitere Vorgehen informierte Scholz die Bürgerinnen und Bürger. Bis Weihnachten sollen die Sitzungen des Bundestages genutzt werden, um „alle Gesetzesentwürfe zur Abstimmung zu stellen, die keinerlei Aufschub dulden“. Damit gemeint seien etwa der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der Rente, die Umsetzung des europäischen Asylsystems, aber auch Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Für die erste Sitzungswoche des Bundestages im neuen Jahr kündigte Scholz zudem an, die Vertrauensfrage zu stellen. Am 15. Januar 2025 könne der Bundestag dann darüber abstimmen – und damit zugleich den Weg für vorgezogene Neuwahlen machen. Regulär steht die nächste Bundestagswahl im Herbst 2025 an.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) schloss sich dem Urteil von Scholz an. Er bedaure den Bruch der Koalition, der sich „falsch und nicht richtig“ anfühle. „Wir werden jetzt zügig den Weg für Neuwahlen freimachen“, kommentierte er im Rahmen eines Statements laut Tagesschau.
Lindner sieht Schuld bei Scholz
Auch Christian Lindner äußerte sich noch am Abend zur Entlassung. „Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen“, wird er von der Tagesschau zitiert. Er habe, so der Vorwurf, einen „kalkulierten Bruch dieser Koalition“ verursacht und führe Deutschland damit „in eine Phase der Unsicherheit“. Der Forderung von Scholz, die Schuldenbremse auszusetzen, habe er nicht zustimmen können, „weil ich sonst meinen Amtseid verletzen würde“.
Aufgrund fehlender Gemeinsamkeiten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik hatte Lindner zuvor selbst den Vorschlag von Neuwahlen an Scholz herangetragen.
Mehrheit der Deutschen spricht sich für Neuwahlen aus
Einer vorgezogenen Bundestagswahl steht laut einer Extraausgabe des ARD-DeutschlandTrends die Mehrheit der Deutschen positiv gegenüber: 53 Prozent seien dafür, 40 Prozent dagegen. „Am stärksten befürworten Wähler der AfD Neuwahlen mit 88 Prozent, gefolgt von Wählern des BSW (82 Prozent) und der CDU (68 Prozent). Bei den SPD-Wählern sind immerhin noch 25 Prozent für Neuwahlen, bei Grünenwählern 18 Prozent“, heißt es bei der Tagesschau.
Mit 60 Prozent sei die Zustimmung für vorgezogene Wahlen im Osten Deutschlands höher als im Westen Deutschlands (52 Prozent). Die entsprechende Umfrage habe am Mittwoch noch vor der Bekanntgabe von Lindners Entlassung stattgefunden.
Ifo-Chef befürwortet Ende der Ampel
Das Ende der Ampel wurde vonseiten des Ifo Wirtschaftsforschungsinstituts begrüßt. „Das ist nicht schön, aber es ist der richtige Weg“, zitiert ZDFheute Ifo-Chef Clemens Fuest. Deutschland benötige eine handlungsfähige Regierung, so der Wirtschaftsexperte. „Eine Regierung, die sich nicht zusammenrauft, die sich nicht einigen kann, geht lieber auseinander.“
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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