Die Cannabis-Legalisierung liegt etwa ein Jahr zurück und noch immer herrscht in einem Punkt Verunsicherung. Es geht um die Frage, ob man Vermehrungsmaterial – ganz konkret Samen – verkaufen darf. Diese haben immerhin keinen THC-Gehalt. Allerdings hieß es doch auf vielen Plattformen, wie etwa auch bei uns, dass sogar die kostenlose Zugabe von Cannabissamen zu Bestellungen verboten ist. Für zusätzliche Verwirrung sorgte jedenfalls das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Kurzfassung: Verkauf von Cannabissamen – legal oder nicht?
- Ein Jahr nach Legalisierung herrscht weiterhin Unsicherheit über die Frage, ob Cannabissamen verkauft werden dürfen.
- Der Gesetzestext erlaubt den „Umgang“ mit Samen, bleibt aber vage, was darunter konkret fällt.
- Ein klares Verbot zu Verkauf von Cannabissamen gibt es nicht.
- Das federführende Bundesministerium schweigt sich dazu aus
- Die Praxis zeigt: Tausende Verkaufsstellen – darunter auch größere Gartencenter – bieten Samen an; es gibt aber kaum Eingriffe durch Behörden, keine bekannten Strafprozesse.
- Fazit: Nach aktueller Faktenlage darf davon ausgegangen werden, dass der Verkauf von Cannabissamen legal ist – solang Gerichte nicht zu einer anderen Auslegung kommen.
Was steht denn im Gesetz?
In § 4 Absatz 1 des Cannabisgesetzes (CanG) ist geregelt, dass „der Umgang mit Cannabissamen erlaubt [ist], sofern die Cannabissamen nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind.“
„Umgang“ ist dabei ein eher schwammiger Begriff und auf den ersten Blick wird nicht klar, ob damit etwa ein kommerzieller Umgang – sprich der Verkauf oder die kostenlose Beilage in Sendungen – erlaubt ist. Die Gesetzesbegründung bringt da auch nicht mehr Licht ins Dunkel. Dort heißt es: „Die Regelung stellt klar, dass der Umgang mit Cannabissamen beispielsweise in der Lebensmittel- und Futtermittelbranche – vorbehaltlich dort geltender spezieller Regelung – wie bisher weiterhin zulässig ist.“ Was mit Umgang gemeint ist, wird nicht erklärt. Zum Thema Verkauf oder Abgabe von Samen wird nichts gesagt.
Das sagt das BMEL, dass das Bundesgesundheitsministerium
Das BMEL ist da etwas offener für Auslegungen. Es kursiert ein Schreiben des Ministeriums, indem es auf Anfrage heißt, dass der Verkauf von Samen durch das CanG gedeckt sei, da der Umgang erlaubt sei. Der Begriff „Umgang“ wird also weit ausgelegt.
Das Bundesgesundheitsministerium, welches federführend beim CanG war, schreibt allerdings im hauseigenen FAQ:
„19. Wie erhalte ich Cannabissamen zum privaten Eigenanbau? Cannabissamen dürfen aus EU-Mitgliedsstaaten zum Zwecke des privaten Eigenanbaus eingeführt werden. Ein Erwerb über das Internet oder per Fernabsatz und der Versand nach Deutschland ist zulässig. Zudem dürfen bis zu sieben Cannabissamen oder fünf Stecklinge pro Monat von Anbauvereinigungen an volljährige Nicht-Mitglieder zum Zweck des privaten Eigenanbaus weitergeben werden, sofern die Cannabissamen und Stecklinge beim gemeinschaftlichen Eigenanbau entstanden sind. [...]“
Eine Möglichkeit zum Kauf innerhalb Deutschlands ist nicht genannt – und damit also auch nicht vom CanG gedeckt? Oder will sich das Ministerium hier zu keiner Auslegung hinreisen lassen? Man dreht sich gewissermaßen einen Joint aus Schweigen.
Das sagen die Staatsanwaltschaften
Ein weiterer Fakt, der hinzukommt, sind die Informationen der Hemp Group Int. GmbH, die OHN vorliegen. Das Unternehmen vertreibt CBD-Produkte und ist im Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BvCW). „Wir haben letztes Jahr an über 3.000 Verkaufsstellen in Deutschland Cannabissamen verkauft und lediglich zwei kurze Berührungen mit der Exekutive gehabt. Beide Verfahren wurden umgehend von der jeweiligen Staatsanwaltschaft eingestellt, da keine rechtliche Begründung für die Beschlagnahmung gefunden wurde“, heißt es konkret. Klar: Es gibt schließlich auch keine klare Aussage, dass der Verkauf illegal sei. Die entsprechenden Schreiben der Staatsanwaltschaft liegen uns vor. Hinzu kommt, dass das Saatgut mittlerweile auch bei bekannten Gartencenterketten erhältlich ist. Zu einer Welle an Verfahren kam es jedenfalls bisher nicht.
Zusammenfassung: Wer sagt jetzt was?
Schauen wir uns diese unterschiedlichen Aspekte noch mal in aller Kürze an:
- Das Gesetz sagt, dass der Umgang mit Cannabissamen erlaubt ist, definiert aber nicht, was Umgang genau bedeutet.
- Die Gesetzesbegründung nennt beispielhaft den Umgang in der Lebensmittel- und Futtermittelbranche, aber geht nicht auf einen kommerziellen Verkauf ein.
- Aus dem Gesetzgebungsverfahren wissen wir, dass sich die Regierung erst einmal strikt gegen eine Kommerzialisierung von Cannabis aussprach.
- Das Bundesgesundheitsministerium stellt in seiner FAQ klar, dass Cannabissamen zum Zweck des Eigenanbaus online aus anderen Mitgliedstaaten der EU erworben werden dürfen. Auf den Erwerb innerhalb Deutschlands geht es nicht ein.
- Das BMEL vertritt die Ansicht, dass der Verkauf von Cannabissamen vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sei, weil der Umgang klar erlaubt ist.
- Einige Staatsanwaltschaften sehen im Verkauf von Cannabissamen kein strafbares Verhalten.
Was bedeuten die unterschiedlichen Auslegungen?
Welche Auslegung nun gilt, lässt sich nicht eindeutig beantworten – und genau das ist das Problem. Der Gesetzestext erlaubt den „Umgang“ mit Samen, ohne zu definieren, wie weit dieser reicht. Die Gesetzesbegründung bleibt vage, das Gesundheitsministerium drückt sich in seinem FAQ um ein klares „Ja“ zum Verkauf – und genau dieses Ministerium war federführend an der Gesetzgebung beteiligt. Ironisch: Wer das Gesetz gemacht hat, fühlt sich für dessen Auslegung offenbar nicht zuständig.
So bleibt am Ende nur das BMEL, das sich überhaupt eindeutig positioniert – alle anderen ducken sich scheinbar weg. Ist der kommerzielle Verkauf nun schlicht verboten? Oder hat man ihn einfach vergessen? Eine Antwort darauf bleibt die Politik schuldig.
Und doch: Trotz tausender Verkaufsstellen gab es bisher keinen einzigen öffentlich bekannten Strafprozess. Auch das spricht eine deutliche Sprache – wenn auch keine juristisch belastbare.
Fazit: Rechtssicherheit? Fehlanzeige.
Das Gesetz erlaubt den „Umgang“ mit Cannabissamen, ohne den Begriff zu konkretisieren. Ein ausdrückliches Verkaufsverbot fehlt – und genau darin liegt das juristische Dilemma: Im Straf- und Ordnungsrecht gilt, dass nur klar geregelte Verbote sanktionierbar sind.
Was fehlt, ist ein Gesetz, das Klartext spricht. Bis dahin bleibt der Spielraum – und die Verantwortung – bei denen, die handeln.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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