Das Thema Barrierefreiheit rückt zunehmend in den Fokus der digitalen Welt – und das nicht ohne Grund. Ab Ende Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das digitale Angebote für viele Unternehmen zur Pflicht macht. Wir haben uns dem Thema bereits in einer ausführlichen Themenreihe angenähert.
Digitale Barrierefreiheit bedeutet weit mehr als nur die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben: Sie eröffnet neue Chancen, stärkt die Kundenzufriedenheit und fördert Inklusion im Netz. Im Interview mit dem Mitbegründer Thomas Blumloop von DIGIaccess, einem Unternehmen, das sich der digitalen Teilhabe verschrieben hat, wird deutlich, dass digitale Barrierefreiheit kein einmaliges Projekt ist, sondern ein fortlaufender Prozess. Von der Rolle der Assistenzsoftware bis hin zu den Chancen durch künstliche Intelligenz – das Gespräch gibt praxisnahe Einblicke und wertvolle Tipps, wie Unternehmen den Anforderungen gerecht werden und dabei auch noch einen Wettbewerbsvorteil erzielen können.
Barrierefreiheit ist gelebte Praxis
OnlinehändlerNews: Thomas, stellen Sie sich gerne zu Beginn persönlich kurz vor. Wie und warum sind Sie mit dem Thema Barrierefreiheit in Berührung gekommen?
Thomas Blumloop: Wir haben in der Webentwicklung gearbeitet und sind sehr früh mit dem Thema barrierefreie Webseiten in Kontakt gekommen. Besonders Kunden wie die Lebenshilfe und andere soziale Träger haben uns dafür sensibilisiert. Eines unserer ersten Projekte war ein kleines Programm, das es Nutzern ermöglichte, Schriftgrößen und Kontraste auf Webseiten individuell anzupassen. Doch wir mussten schnell feststellen, dass dies bei weitem nicht ausreicht.
Aus diesem Lernprozess und dem kontinuierlichen Austausch mit Betroffenen ist schließlich unser Unternehmen DIGIaccess entstanden. Unser Ziel ist es, digitale Barrieren abzubauen und für mehr Teilhabe im Netz zu sorgen.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hindernisse, die Menschen mit Behinderungen bei der Nutzung digitaler Dienste heute noch begegnen?
Die größten Hindernisse sind für Menschen mit Behinderungen sehr individuell. Für manche liegt die Herausforderung in der fehlenden Möglichkeit, eine Webseite nur per Tastatur zu bedienen, für andere in unzureichenden Kontrasten oder schwer verständlichen Inhalten. Barrierefreiheit ist ein komplexes und hochgradig individuelles Thema.
Ein häufiges Missverständnis, das uns immer wieder begegnet, betrifft den Begriff „barrierefrei“. Genau genommen ist „barrierearm“ der korrektere Begriff. Selbst wenn alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, wird es leider immer Menschen geben, die bestimmte Inhalte nicht vollständig nutzen können. Dies zeigt, wie wichtig es ist, Barrierefreiheit als kontinuierlichen Prozess und nicht als abschließbare Aufgabe zu verstehen.
Technik ist nur ein Teil der Lösung – der Mensch bleibt im Mittelpunkt
Können Sie uns einen Überblick darüber geben, was Assistenzsoftware ist und welche grundlegende Rolle sie in der digitalen Barrierefreiheit spielt?
Assistenzsoftware ermöglicht es Menschen, Webseiten an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Dazu gehören Funktionen wie die Vergrößerung der Schrift, das Abschalten von Animationen oder das Anpassen von Kontrasten. Unserer Meinung nach sollten solche Einstellungen ein fester Bestandteil jeder Webseite sein.
Besonders wichtig ist für uns ein System, mit welchem man sicherstellen kann, dass Webseiten per Tastatur bedienbar sind und technische Fehler korrigiert werden, damit Assistenzhilfsmittel wie Screenreader auf den Webseiten unserer Kunden funktionieren können. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Welche Ressourcen oder Tools würden Sie Online-Händlern empfehlen, um ihre Webseiten und digitalen Dienste barrierefrei zu gestalten?
Es gibt zahlreiche Tools, die Unternehmen helfen können, Barrierefreiheit zu prüfen. Ein von uns häufig empfohlenes Tool ist WAVE, mit dem Webseiten schnell auf Barrierefreiheitsprobleme überprüft werden können. Zusätzlich empfehlen wir, manuelle Tests durchzuführen – insbesondere, um zu prüfen, ob die Navigation per Tastatur funktioniert, da dies automatisiert nicht möglich ist. Als ersten Schritt raten wir Unternehmen, sich von Experten eine qualifizierte Einschätzung einzuholen.
KI wird zum Gamechanger bei der Barrierefreiheit
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Barrierefreiheitstechnologie in den nächsten Jahren? Welche Rolle spielt dabei künstliche Intelligenz?
Die Entwicklung im Bereich Barrierefreiheitstechnologie schreitet rasant voran. Wir sind überzeugt, dass Algorithmen und KI eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, das Ziel eines barrierefreien Internets zu erreichen. KI kann beispielsweise Inhalte automatisch anpassen, Barrieren erkennen und Hilfsmittel effizienter machen. Ohne diese Technologien wäre ein vollständig barrierearmes Internet kaum vorstellbar.
Zum Abschluss: Was ist Ihr wichtigster Ratschlag an Online-Händler? Was denken Sie, ist der größte Gewinn für Unternehmen, wenn sie barrierefreie Maßnahmen richtig umsetzen?
Unser wichtigster Ratschlag ist: Verankern Sie Barrierefreiheit langfristig in Ihrer digitalen Strategie. Dies ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern eine Möglichkeit, Verantwortung zu zeigen und eine breitere Zielgruppe zu erreichen.
Neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben liegt der größte Gewinn in der Erschließung neuer Kundengruppen, der Steigerung der Kundenzufriedenheit und der Stärkung der Markenstrategie. Barrierefreiheit bietet Unternehmen die Chance, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben und ein inklusives digitales Angebot zu schaffen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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