Mit der GPSR kam die Pflicht zur Risikobewertung für Hersteller:innen. Diese Pflicht sorgt für einigen Wirbel, den ich – man möge mir verzeihen – teilweise reichlich übertrieben finde.

Vorab: Mir ist bewusst, dass diese Bewertung für einige Hersteller:innen mit viel Aufwand verbunden ist, gerade, wenn diese hochkomplexe technische Geräte herstellen. Was aber gerade in Sachen Handmade-Branche abgeht, ist schlicht einfach wild – und zeigt aber gleichzeitig, dass diese Gesetze einfach nicht für Menschen gemacht sind. Meine versöhnliche Schlussfolgerung will ich hier aber nicht vorwegnehmen.

Nein, Verbraucher:innen sind nicht „dumm“ – das Beispiel Epoxidharz

Beginnen wir beim Kern des Problems: Bei der Risikobewertung geht es darum, mögliche Gefahren bei normaler Nutzung eines Produkts zu ermitteln und gegebenenfalls mit Warn- und Sicherheitshinweisen zu reagieren, um diese Risiken zu minimieren. Was dann auf Social Media daraus wird, ist oft übertrieben: „Jetzt muss ich also davor warnen, dass eine Tasse zerbrechen kann oder man mit dem Schal hängen bleiben kann!“ – Nein, das ist nicht nötig.

Nehmen wir als Beispiel einen Kamm aus Epoxidharz: Ist es möglich, dass man sich versehentlich eine Borste ins Auge sticht? Sicher, aber muss davor explizit gewarnt werden? Nein, denn das fällt unter normale Lebensrisiken, die man hinnimmt, sobald man fahrlässiger Weise oder notgedrungen das Bett verlässt. Sollte man jedoch darauf hinweisen, dass Epoxidharz als Sondermüll nicht im regulären Hausmüll entsorgt werden darf und somit eine spezielle Entsorgung erfordert? Absolut.

Es geht also darum, sich ernsthafte Gedanken über die Sicherheit des eigenen Produkts zu machen und diese Überlegungen zu dokumentieren. Es geht nicht darum, vor allem und jedem zu warnen. Doch ein mögliches Ergebnis der Risikobewertung kann eben ein notwendiger Warn- oder Sicherheitshinweis sein.

Logik vermeidet Aufwand

Außerdem liest man oft, dass man für jedes Produkt eine Bewertung durchführen muss. Das stimmt nur bedingt: Wenn man unterschiedlichste Produkte herstellt, mag das stimmen. Im Handmade-Bereich ist es aber eher üblich, Produkte einer Kategorie herzustellen. Stellt man unterschiedliche Keramiktassen her, muss man also nicht für jede einzelne Tasse eine Bewertung durchführen. Abgesehen davon, dass dies eher ein Copy-and-Paste-Prozess wäre, darf man seine Produkte in logische Gruppen einteilen. Man führt dann eben nicht für Tasse A eine Bewertung durch und Tasse B bekommt eine eigene. Nein, man bewertet das Produkt „Keramiktasse“. Wenn man jetzt eine neue Keramiktasse herstellt, die beispielsweise mit einer Thermofarbe behandelt ist und wodurch ein neues Risiko entsteht, welches bei den bisherigen Tassen nicht bestand, dann muss eine eigene Bewertung für „Keramiktasse mit Thermolack“ vorgenommen werden.

Verständliche Verwirrung

Ganz aus der Luft gegriffen sind die Verwirrungen rund um die Risikobewertung und Warnungen nicht: Die GPSR schreibt nun mal vor, dass jede:r Hersteller:in eine Risikobewertung durchführen muss. Gleichzeitig müssen etwaige Warn- und Sicherheitshinweise im Online-Angebot aufgeführt werden. Was hängen bleibt, ist die Notwendigkeit vom beiden. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass jetzt Personen, die sich bisher nie mit dem Thema Risikobewertung auseinandersetzen mussten, zu der Annahme kommen, dass nun zwangsläufig überall Warn- und Sicherheitshinweise draufgeklebt werden müssen.

Gesetze sind nicht für Menschen gemacht

Bei all den Missverständnissen wird eines deutlich: Die GPSR oder Gesetze im Allgemeinen scheinen nicht wirklich für die Menschen gemacht zu sein. Besonders die kleineren Unternehmen finden sich wie verloren im Dickicht der Regulierungen wieder. Wer kann da schon durchblicken? Selbst für uns Jurist:innen sind die Bedeutungen und Anwendungen einzelner Bestimmungen der GPSR zum jetzigen Zeitpunkt nicht immer klar. Wie sollte es dann für andere aussehen? Die EU hat sich erst kurz vor dem 13. Dezember 2024 zu einigen Aspekten der GPSR geäußert, und selbst diese Stellungnahmen sind nicht bindend. Gerichte können immer noch entscheiden: „Nein, das sehen wir anders. / Das steht so nicht im Gesetz. / Wir interpretieren das anders.“ Rechtssicherheit sieht definitiv anders aus. Es ist offensichtlich, dass Unternehmen an den Feinheiten der Risikobewertung verzweifeln. Wäre es da nicht an der Zeit, neben dem viel beschworenen Bürokratieabbau auch Gesetze zu schaffen, die für die Praxis gemacht sind? Nur so ein Gedanke.