Menschenrechte sichern, Zwangsarbeit verhindern, Umweltstandards einhalten – die Idee hinter dem Lieferkettengesetz ist ehrenwert. Doch was als moralischer Fortschritt gedacht war, entwickelt sich für viele Unternehmen, vor allem Online-Händler, zur lähmenden Belastung. Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD, umgangssprachlich auch als EU-Lieferkettengesetz bezeichnet) sollten große Unternehmen stärker für die Missstände in ihren internationalen Lieferketten haftbar gemacht werden. Klingt fair – doch in der Praxis schlagen Händler Alarm: zu viel Bürokratie, zu wenig Klarheit und ein politisches Hin und Her.
Merz kommt mit Abrissbirne – und wird ausgebremst
Jüngst hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel den Paukenschlag gewagt: Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes! – Das sei seine klare Erwartung an die EU. Schließlich werde man auch in Deutschland das nationale Gesetz streichen. Doch die Antwort aus Brüssel kam prompt und frostig: „Es geht nicht darum, sie abzuschaffen“, kontert die EU-Kommission. Stattdessen soll die Richtlinie „vereinfacht“ werden.
Auch aus der Koalition hagelt es Kritik. SPD-Europaabgeordneter René Repasi stellt klar: „Eine Abschaffung liegt nicht auf dem Tisch.“ Im Gegenteil: Die EU-Richtlinie ist fest im Koalitionsvertrag verankert – mit dem Ziel, sie „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ in deutsches Recht umzusetzen. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) bekräftigt: Das Lieferkettengesetz sei wichtig – auch wenn die Bürokratie abgebaut werden müsse.
Bürokratie statt Business – Händler verlieren die Geduld
Doch was bedeutet das für Online-Händler? Vor allem eins: Unsicherheit. Schon jetzt wird wertvolle Zeit mit Dokumentationspflichten, Risikoanalysen und Sorgfaltspflichten verplempert – oft, ohne dass klar ist, wie tief geprüft werden muss und wer überhaupt haftet. Gleichzeitig wird die Gesetzeslage ständig verschoben oder neu verhandelt: Erst sollten Teile 2025 greifen, jetzt ist von 2028 die Rede.
Das ewige Hin und Her zwischen Berlin und Brüssel kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld. Die Planungsunsicherheit wird zur Belastung, gerade für kleine Händler. Das Lieferkettengesetz ist aktuell zumindest kein Fortschritt für die Menschenrechte und erst recht keine Hilfe für die Wirtschaft.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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