Steuerentlastung und weniger Bürokratie: Das plant Schwarz-Rot für Handel und Wirtschaft

Veröffentlicht: 11.04.2025
imgAktualisierung: 11.04.2025
Geschrieben von: Hanna Behn
Lesezeit: ca. 5 Min.
11.04.2025
img 11.04.2025
ca. 5 Min.
Deutschlandflagge vor Reichstag
jovannig / Depositphotos.com
Die Wirtschaftspolitik war eines der Fokusthemen im vergangenen Wahlkampf. Was hält der Koalitionsvertrag für die Branche bereit?


CDU, CSU und SPD haben sich nunmehr auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Unternehmen und Wirtschaft vertraten zentrale Forderungen vor der Wahl mit Nachdruck. Allen voran müsse die neue Regierung die angespannte wirtschaftliche Lage verbessern, Bürokratie und Steuern reduzieren und den Standort Deutschland (wieder) stärken. Was nun im Einzelnen geplant ist und inwieweit Interessen der Online-Händler:innen und kleinen Unternehmen dabei berücksichtigt oder auch herausgefordert werden – wir geben einen Überblick. 

Steuerentlastungen: Investitions-Booster für Unternehmen

Unter anderem will Schwarz-Rot Steuerentlastungen in neue Gesetze gießen. Geplant ist, dass Unternehmen in den ersten Jahren nach der Anschaffung von Ausrüstung größere Beträge von der Steuer absetzen können. Durch diesen sogenannten „Investitions-Booster“ soll die Steuerlast in den ersten Jahren geringer ausfallen, sodass Unternehmen mehr Ressourcen für Investitionen erhalten. Konkret dürfen sie 30 Prozent des jeweils noch nicht abgeschriebenen Restwerts pro Jahr abschreiben. Eingeführt werden diese degressiven Abschreibungen für die Jahre 2025, 2026 und 2027, heißt es in dem Papier.

In fünf Schritten soll die Körperschaftsteuer um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Derzeit beträgt sie 15 Prozent, ab dem 1. Januar 2028 soll sie dann zunächst auf 14 Prozent fallen. Auch Personengesellschaften sollen davon profitieren können. Bei Firmenneugründungen werde geprüft, ob gewerbliche Einkünfte unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen könnten.

Darüber hinaus soll die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen sinken, was gegebenenfalls Einzelunternehmer:innen persönlich bzw. deren Angestellten zugutekommen könnte, da von ihrem Nettogehalt mehr übrig bleibt.

Der teils umstrittene Solidaritätszuschlag soll unverändert bestehen bleiben.

Umfassender Bürokratieabbau

Insgesamt sollen die Bürokratiekosten um 25 Prozent (rund 16 Milliarden Euro) reduziert werden. Einzelne Maßnahmen will man mindestens einmal pro Jahr in einem Bürokratieabbaugesetz bündeln. Auch soll es ein digitales Bürokratieportal geben, über das der Regierung Hemmnisse und Verbesserungsvorschläge mitgeteilt werden können.

Statistikpflichten sollen ausgesetzt werden. So wird das Außenhandelsstatistikgesetz und das Handels- und Dienstleistungsstatistikgesetz überprüft. „Bei den fünf für die Wirtschaft aufwändigsten Statistiken werden wir nationale Übererfüllung von EU-Vorgaben vollständig beseitigen“, ist in dem Schreiben zu lesen.

„Start-ups sind die Hidden Champions und DAX-Konzerne von morgen“, schreiben die Parteien euphorisch im Koalitionsvertrag. Um Gründer:innen bei bürokratischen Prozessen zu entlasten, soll eine „Gründerschutzzone“ geprüft werden. Notarielle Vorgänge sollen vereinfacht und digitale Beurkundungsprozesse sowie der automatische Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt ermöglicht werden: „Wir schaffen einen vollständigen One-Stop-Shop, der alle Anträge und Behördengänge auf einer Plattform digital bündelt und eine Unternehmensgründung innerhalb von 24 Stunden ermöglicht“, so das Versprechen. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung will man stärken.

Aus für das nationale Lieferkettengesetz  

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) soll komplett abgeschafft werden. Stattdessen wolle man es durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzen, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ umsetze. Die Berichtspflicht nach dem LkSG soll unmittelbar abgeschafft werden und komplett entfallen. Die geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten will man bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktionieren.

Innovation und Investition

Auch mit Blick auf KI und Innovation finden sich in dem Papier Vorhaben: „Wir etablieren Deutschland als KI-Nation“, heißt es. Dafür soll massiv in Cloud- und KI-Infrastruktur sowie in KI und Robotik investiert werden. Für Investitionen, die die Wirtschaft stärken, ist unter anderem ein sogenannter Deutschlandfonds vorgesehen. Mithilfe von privatem Kapital und Garantien sollen sich die Mittel des Fonds auf mindestens 100 Milliarden Euro belaufen.

Weniger Energiekosten

Eine hohe Belastung für Firmen stellten in den letzten Jahren die gestiegenen Strom- und Energiepreise dar. CDU, CSU und SPD wollen sowohl Unternehmen als auch Verbraucher nun dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh entlasten. Eine erste Sofortmaßnahme ist die Senkung der Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß, heißt es. Auch Umlagen und Netzentgelte sollen sinken.  

Handelskrieg: Deutschland setzt auch auf neue Handelsbeziehungen

Aufgrund des derzeitigen Handelskriegs mit den USA und den unsicheren Zollbestimmungen geraten auch hiesige Handelsunternehmen zunehmend unter Druck. Kurzfristig will die neue Regierung einen Handelskonflikt mit den USA meiden, mittelfristig sei ein Freihandelsabkommen das Ziel. Auf europäischer Ebene setzte man sich für „eine pragmatische und regelbasierte Handelspolitik“ ein. Handelsabkommen sollen eine rein europäische Angelegenheit sein. Die Regierung will sich aber für neue Handels- und Investitionsabkommen starkmachen.

Bonpflicht fällt

Im stationären Handel soll künftig auch die Bonpflicht abgeschafft werden. Stattdessen wird für Geschäfte, die Umsätze von mehr als 100.000 Euro im Jahr erzielen, ab dem 1. Juli 2027 der Einsatz einer Registrierkasse zur Pflicht.

Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen

Auch im Koalitionsvertrag verankert ist ein Anstieg des Mindestlohns. Bis zum Jahr 2026 könnte dieser auf 15 Euro steigen. Eine verbindliche Vorgabe findet sich im Koalitionsvertrag aber nicht. Die Mindestlohnkommission soll sich für eine Abwägung an der Tarifentwicklung sowie an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. 

Dass ein Anstieg in dieser Zeit realistisch ist, bezweifelt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn. Es sei fraglich, „dass wir so viel Wachstum und Lohnentwicklung haben, dass es nächstes Jahr schon gelingt“, zitiert t-online den CDU-Politiker. Aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks sei die Erhöhung problematisch. „Ein zu hoher Mindestlohn setzt die Wettbewerbsfähigkeit weiter herunter, und wir nehmen billigend in Kauf, dass Geschäftsmodelle verloren gehen“, sagte Verbandspräsident Jörg Dittrich laut Zeit Online gegenüber Bild am Sonntag. Die Lohnerhöhungen könnten zu steigenden Preisen führen.

Sind die Maßnahmen der Regierung eine echte Entlastung?

Noch stehen die neu verhandelten Maßnahmen nur auf dem Papier – ihre Umsetzung in konkrete Gesetzesvorhaben und deren Praxistauglichkeit bleibt abzuwarten. Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts für deutsche Wirtschaft (IW) könnten sich die Entlastungen für die deutsche Wirtschaft auf etwa 50 Milliarden Euro summieren.

Die degressiven Abschreibungen würden Unternehmen beispielsweise mit 7 Milliarden Euro pro Jahr Entlastung entlasten. „Allerdings zahlen sie die Beträge in den Folgejahren durch höhere Steuern zurück – eine strukturelle Entlastung ist das nicht“, so das IW. Die Senkung der Stromsteuer und Deckelung von Netzentgelten könne indes Einsparungen von 11 Milliarden Euro bedeuten. Bei der Einkommensteuer summieren sich die Entlastungen auf 7 Milliarden Euro. Dennoch seien die Vorhaben in diesem Bereich „wenig ambitioniert“, heißt es. Und: All das stehe unter einem Finanzierungsvorbehalt.

Nach Ansicht des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (BEVH) seien die Beschlüsse im Koalitionsvertrag ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Die neue Regierung will den Rückbau bürokratischer Markthürden im EU-Binnenmarkt voranbringen, wovon der Online-Handel besonders profitiert. Digitalisierung wird nicht als Bedrohung, sondern als Chance für unsere Innenstädte und ihre Händler verstanden. Auch begrüßen wir, dass die Kompetenzen und die Selbstbestimmung der Verbraucher gestärkt werden sollen, damit sie verantwortungsvolle Kaufentscheidungen ohne gesetzliche Bevormundung treffen können“, führt Daniela Bleimaier, Leiterin Public Affairs für Deutschland und Regionales, aus. Vermisst wird allerdings ein Bekenntnis, den wachsenden Re-Commerce zu fördern. „Zukünftige Gesetze müssen sowohl für Neuware als auch für gebrauchte Ware funktionieren und nachhaltige Geschäftsmodelle dürfen nicht durch übermäßige Bürokratie ausgebremst werden“, mahnt sie. 

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 11.04.2025
img Letzte Aktualisierung: 11.04.2025
Lesezeit: ca. 5 Min.
Artikel weiterempfehlen
Hanna Behn

Hanna Behn

Expertin für Handel & Unternehmertum

KOMMENTARE
0 Kommentare
Kommentar schreiben