Seit Monaten wird gebetsmühlenartig Kritik an Online-Plattformen mit chinesischen Wurzeln geübt: Der deutsche Markt werde mit minderwertigen, auch gefährlichen Produkten überschwemmt; die Anbieter greifen teils auf wettbewerbswidrige Strategien zurück, spionieren Daten aus und seien für horrende Steuer- und Zollschäden verantwortlich, so die Vorwürfe, die sich gezielt gegen Unternehmen wie Temu oder Shein richten.
Mit Blick auf die bestehende Zoll- und Steuerproblematik hatte sich mittlerweile auch die Politik eingeschaltet: Der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) forderte kürzlich, über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg ausnahmslos alle Pakete aus Fernost zu öffnen und zu kontrollieren. Eine solche Aktion wäre seiner Ansicht nach ein „Signal“ an China.
Nun hat sich der BDZ, die deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft, zu solchen Forderungen geäußert und diese als verfehlt, gar „unseriös“ eingestuft. Auch sprach er eine ausdrückliche Warnung aus, in puncto Zollkontrollen die falschen Prioritäten zu setzen.
„Unrealistische“ Erwartung aus der Politik
„Es wird gezielt nach den Risiken kontrolliert – im Übrigen nicht nur auf Steuerhinterziehung, sondern auf verbotene und gesundheitsschädliche Produkte oder Fälschungen von Markenartikeln. Aber die politische Erwartung, jede Kleinsendung anzuschauen, ist unrealistisch und würde einen viel massiveren Personaleinsatz bedeuten“, erklärte Thomas Liebel, Bundesvorsitzender des BDZ, in einer öffentlichen Mitteilung.
Scharfzüngig reagiert die Gewerkschaft außerdem mit Blick auf potenzielle Folgen einer solchen Strategie: Die Umsetzung solcher politischen Ansprüche „würde dann dazu führen, dass wir den großen Schmugglern, beispielsweise von Rauschgift in den Seehäfen, noch mehr Spielräume lassen müssten.“ Wenn die Politik Billigproduzenten aus China ein größeres Interesse entgegenbringe als großen Risiken wie Drogenbaronen aus Südamerika, „sollte sie sich zunächst vielleicht eine handelspolitische Gesamtstrategie überlegen“, so Liebel.
Die Regierung ist gefragt
Darüber hinaus stelle auch der Kreis der Zollbeamtinnen und -beamten selbst Forderungen ob der Gegebenheiten: Als ausführendes Organ sei der Zoll auf ein geschlossenes Streben und überlegte Maßnahmen der Regierung angewiesen, um die heimische Wirtschaft schützen zu können.
Vonnöten seien demnach außerdem bessere personelle Ressourcen sowie Unterstützung im Bereich IT. So könne etwa „ein modernes, schnelles und intelligentes System der digitalen Zollabfertigung“ dafür sorgen, dass Algorithmen und künstliche Intelligenz (KI) kritische Sendungen aufspüren und damit die manuelle Arbeit innerhalb der Zoll-Teams unterstützen. Eine Alternative zum aktuellen, „veralteten“ Zoll-System ATLAS werde insbesondere mit Blick auf eine potenziell baldige Abschaffung der 150-Euro-Zollfrei-Grenze durch die EU vonnöten.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
Kommentar schreiben
Antworten
Ihre Antwort schreiben
Antworten
Ihre Antwort schreiben