Transparenz in der Lieferkette: Diese Pflichten müssen Händler:innen jetzt umsetzen

Veröffentlicht: 04.10.2024
imgAktualisierung: 07.10.2024
Geschrieben von: Julia Petronis
Lesezeit: ca. 6 Min.
04.10.2024
img 07.10.2024
ca. 6 Min.
Gerodete Waldfläche
Yarygin / Depositphotos.com
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte birgt so einige Herausforderungen für Unternehmen. Das gilt es jetzt zu beachten.


Zum Ende des Jahres 2024 wird es noch einmal herausfordernd für Online-Händler und Online-Händlerinnen. Neben den neuen Pflichten, die die Produktsicherheitsverordnung (wir haben ausführlich darüber berichtet) ab Mitte Dezember mit sich bringen wird, müssen sich Händler:innen bis zum Jahreswechsel mit einer weiteren Herausforderung auseinandersetzen: die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte.

Wir haben uns die Verordnung mal genauer angeschaut und klären die wichtigsten Fragen rund um die Neuerungen, die schon bald auf Online-Händler:innen zukommen. 

Was besagt die EU-Verordnung?

Über die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) hatte sich die EU bereits 2022 verständigt. In Kraft getreten ist sie am 29. Juni 2023.

Das große Ziel der EUDR ist eine nachhaltige Lieferkette, die den Schutz von Wäldern und der Biodiversität sicherstellen soll. Die Erzeugungsflächen der relevanten Produkte dürfen nicht von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt worden sein. Damit soll der Import und Verkauf von Produkten, die mit der globalen Entwaldung und Waldschädigung verbunden sind, reguliert werden. Entsprechende Produkte dürfen dann nicht mehr in die EU ein- oder ausgeführt werden. Betroffen sind vor allem Agrarrohstoffe und deren Erzeugnisse, beispielsweise Holz und daraus gefertigte Möbel.

Für Unternehmen geht es dabei vor allem um die Themen Transparenz und Sorgfalt. Sie müssen gewisse Nachweise und Sorgfaltserklärungen erbringen, damit entlang der gesamten Lieferkette lückenlos dokumentiert die Entwaldungsfreiheit gewährleistet werden kann. Das reicht von der Charge der Verpackungsmaterialien bis hin zum Flurstück des Ursprungsortes der Rohstoffe.  

Warum wird das jetzt wichtig?

Von der Verordnung betroffen sind alle Unternehmen, die in der EU Produkte in Verkehr bringen, also Hersteller und Importeure, diese bereitstellen (Händler) oder aus der EU exportieren.

Für Online-Händler:innen wird die EU-Verordnung nun relevant, weil zum 30. Dezember 2024 eine 18-monatige Übergangsfrist endet. Zunächst müssen alle Nicht-KMU die Pflichten aus der Verordnung umsetzen. An sie werden höhere Anforderungen gerichtet als an KMU.

Aber auch KMU sind von den Vorschriften betroffen. Zwar gilt für diese eine längere Übergangsfrist, nämlich bis zum 30. Juni 2025. Aber auch diese Unternehmen sollten das Ende der jetzigen Übergangsfrist zum Anlass nehmen und Vorkehrungen treffen, um bestmöglich vorbereitet zu sein. Für KMU können die Pflichten große Schwierigkeiten mit sich bringen, denn häufig besitzen sie die Ressourcen zur Erfüllung der Vorschriften gar nicht. Außerdem bringen die Regelungen zusätzliche Kosten für Zertifizierungen und Berichterstattungen mit sich und können somit eine große finanzielle Belastung darstellen. 

Welche Produkte sind davon betroffen?

Von den neuen Regelungen betroffen sind zahlreiche verschiedene Produkte. Dazu zählen etwa Agrarrohstoffe wie Rinder, Kaffee, Kakao, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und auch Holz. Welche konkreten Erzeugnisse dieser Rohstoffe erfasst werden, kann im Anhang 1 der Verordnung nachgelesen werden.

Von Kaffeebohnen, über Schokolade bis hin zum Verkauf von Büchern und Zeitschriften ist also eine große Palette diverser Produkte betroffen. Online-Händler:innen sollten sich daher genauestens informieren und klären, ob ihre Produkte ebenfalls unter die im Anhang der Verordnung aufgeführten Erzeugnisse fallen. 

Welche Pflichten müssen betroffene Unternehmen einhalten?

Die Vorgaben der EU-Entwaldungsverordnung treffen vorwiegend die großen Marktteilnehmer. Sie müssen Maßnahmen zur Vermeidung von Entwaldung und Waldschädigung entlang der Lieferketten sicherstellen, Sorgfaltserklärungen erstellen und mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten.

KMU müssen bestimmte Informationen sammeln und speichern, wie etwa die Kontaktdaten der Lieferanten oder Kunden, die diese Erzeugnisse beziehen, und die Referenznummern der Sorgfaltserklärungen (nicht aber die Sorgfaltserklärung selbst), die den Erzeugnissen zugeordnet sind. Für mindestens fünf Jahre müssen diese Informationen aufbewahrt und den zuständigen Behörden auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden. 

Gibt es Ausnahmen für KMU?

Wie bereits betont, sind die Vorschriften der EU-Entwaldungsverordnung auch für KMU relevant. Jedoch müssen sie nicht alle Vorgaben, die Nicht-KMU treffen, umsetzen. Größere Marktteilnehmer unterliegen strengeren Verpflichtungen und Bestimmungen in Bezug auf die betroffenen Rohstoffe und Erzeugnisse.

All die zuvor genannten Anforderungen treffen KMU nicht im gleichen Maße. Von einigen Verpflichtungen der Verordnung sind KMU ausdrücklich ausgenommen. Die Verordnung trennt ganz ausdrücklich die Pflichten der Nicht-KMU von denen der KMU, um diese nicht im gleichen Maße zu belasten. Wer von den strengeren Regelungen befreit ist, ergibt sich aus der Definition der EU für KMU.

Aber Vorsicht: KMU können ebenso von den Pflichten der größeren Marktteilnehmer betroffen sein, wenn das gehandelte Erzeugnis von einem außerhalb der EU niedergelassenen Unternehmen in Verkehr gebracht wird und das KMU dieses als Erstes auf dem europäischen Markt bereitstellt. 

Was ist nun zu tun?

Unternehmen müssen sicherstellen, dass bei den in Verkehr gebrachten Produkten eine entwaldungsfreie Lieferkette eingehalten wird. Die entsprechenden Rohstoffe und deren Erzeugnisse dürfen nur dann innerhalb der EU in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie

  • entwaldungsfrei sind,
  • nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und
  • eine Sorgfaltserklärung vorliegt.

Bei den zu erfüllenden Sorgfaltspflichten müssen folgende drei Punkte eingehalten und umgesetzt werden:

  • Informationsanforderung: Unternehmen müssen detaillierte Informationen über die Lieferketten sammeln,
  • Risikobewertung: die Informationen müssen einer Risikobewertung unterzogen werden,
  • Risikominderung: bei Erkennen eines relevanten Risikos müssen Maßnahmen zur Abwehr getroffen werden.

Unternehmen müssen also dafür sorgen, dass sie ab dem Stichtag diese Pflichten erfüllen und entsprechende Informationen vorweisen können. Bei Bedenken oder Informationen darüber, dass ein bereits auf den Markt gestelltes Erzeugnis gegen die Verordnung verstoßen könnte, müssen die Behörden informiert werden. Das gilt auch für die Händler:innen, an die das Erzeugnis geliefert worden ist. Kontrollen durch die zuständigen Behörden dürfen nicht behindert werden, beispielsweise muss der Zutritt zum Betriebsgelände gewährleistet werden.

Welche Nachweise müssen Unternehmen vorlegen können?

Darüber, dass die vorgeschriebenen Pflichten von den Unternehmen eingehalten werden, müssen diese Nachweise erbringen. Dabei handelt es sich um die Sorgfaltserklärungen, die eine entwaldungsfreie Lieferkette nachweisen. Unter anderem hat Amazon bereits angekündigt, diese Nachweise auch einzufordern, um die Umsetzung der Verordnung zu gewährleisten. 

Was gilt für Versandverpackungen?

Für Online-Händler:innen ist die Frage relevant, wie Versandverpackungen nach der Verordnung zu behandeln sind. Aus dem Text ergibt sich jedoch, dass nur Verpackungen, die als eigenständiges Erzeugnis in Verkehr gebracht werden, unter die Sorgfaltspflichten fallen. Verpackungen, die nur dem Schutz eines anderen Produktes dienen, werden nicht erfasst. So heißt es in der Verordnung: Kein relevantes Erzeugnis ist „Verpackungsmaterial, das ausschließlich als Verpackungsmaterial zur Unterstützung, zum Schutz oder zum Tragen eines anderen in Verkehr gebrachten Erzeugnisses verwendet wird“. Das Gleiche gilt für beigelegte Bedienungsanleitungen. 

Fazit: Auch kleinere Unternehmen sollten jetzt tätig werden

Mit der EU-Entwaldungsverordnung wurde ein Regelwerk geschaffen, welches den Schutz von Wäldern und der Biodiversität sicherstellen soll. Dafür werden Unternehmen in die Pflicht genommen, eine nachhaltige und entwaldungsfreie Lieferkette zu gewährleisten, um im Kampf gegen Rodung und Waldschädigung voranzukommen. Diese Verpflichtungen können allerdings auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung mit sich bringen und besonders kleinere Unternehmen vor allem finanziell belasten. Dennoch müssen die Vorschriften eingehalten werden, weshalb sich auch KMU jetzt schon mit deren Umsetzung auseinandersetzen sollten.

Update: EU plant Aufschub

Die Entwaldungsverordnung sollte eigentlich zum Ende dieses Jahres in Kraft treten. Die EU-Kommission hat jedoch aufgrund der vielen kritischen Stimmen vergangene Woche einen Aufschub vorgeschlagen. Unternehmen sollen demnach noch zwölf Monate Schonfrist erhalten, die Verordnung soll also theoretisch erst am 30. Dezember 2025 Geltung erhalten. Das Europäische Parlament und der Rat müssen den Plänen noch zustimmen.  

Veröffentlicht: 04.10.2024
img Letzte Aktualisierung: 07.10.2024
Lesezeit: ca. 6 Min.
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Julia Petronis

Julia Petronis

Expertin für IT- und Medien-Recht

KOMMENTARE
4 Kommentare
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Helma Spona
10.10.2024

Antworten

Was sind den KMU und NIcht-KMU?
Redaktion
10.10.2024
Hallo Helma,
wie genau die EU hier KMU definiert wird hier auf dieser Seite genauer definiert: EU: Kleine und mittlere Unternehmen (Link)
Gruß, die Redaktion
Susi
08.10.2024

Antworten

Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Verpackungen um z.B. Kekse nicht enthalten, sehr wohl aber der Versandkarton mit dem ich den Keks verschicke?
hans
07.10.2024

Antworten

Toll. Wo bliebt denn der Bürokratieabbau . Die EU sorgt schön dafür, dass es statt weniger mehr wird