Seit dem 5. April gelten für Einfuhren aus der Europäischen Union in die USA zusätzliche Zollgebühren in Höhe von 20 Prozent. Um auf diese Strafzölle zu reagieren, hatte die EU bereits mehrfach Gegenmaßnahmen angekündigt. Neben Gegenzöllen auf bestimmte US-Produkte, die nach Europa importiert werden, ist auch die Besteuerung digitaler Dienstleistungen, beispielsweise für Cloud-Anbieter wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft oder Google, im Gespräch. Eine solche Digitalsteuer wäre jedoch keine gute Idee, mahnen Digitalexpert:innen. Für Unternehmen in Deutschland und der EU könnte es nämlich erst einmal teurer werden.
Mehrkosten für hiesige Unternehmen
Cloud-Lösungen werden hierzulande von zahlreichen Unternehmen in der IT-Infrastruktur eingesetzt. „Insbesondere bei einer Digitalsteuer würden die Zeche eines solchen in den digitalen Raum verlagerten Handelskrieges dann die hiesigen Unternehmen, Verwaltungen und Bürgerinnen und Bürger zahlen, die in vielen Bereichen wie Standard-Software und Cloud-Lösungen aktuell noch auf US-Anbieter angewiesen sind“, kritisiert Dr. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbands Bitkom. Eine Digitalsteuer könnte die Digitalisierung in der Wirtschaft und Verwaltung insgesamt ausbremsen. Im E-Commerce könnten solche Mehrkosten beispielsweise auch die Shopsysteme betreffen – und damit schließlich auch Online-Händler:innen.
Auch Rainer Vehns, Gründer des Softwareunternehmens Codecentric AG, warnt vor den zusätzlichen Kosten: „Kurzfristig wäre die deutsche Wirtschaft den Mehrkosten von möglichen, erhobenen Steuern gnadenlos ausgeliefert, und ein wirtschaftlicher Schaden wäre enorm. Gerade die krisengebeutelten Unternehmen in Deutschland müssten weitere Kostensteigerungen in der IT abfangen – weitere Sparprogramme wären nahezu unvermeidlich. Ein Erheben von Steuern auf diese Services wäre ein weiterer, harter Schlag gegen die eigene Wirtschaft.“ Ein Wechsel auf andere Anbieter wäre nicht ohne weiteres möglich und könnte teilweise sogar Jahre dauern. Europäische Cloud-Anbieter wie OVH, StackIT, IONOS etc. würden noch nicht über den Funktionsumfang bzw. das Investitionsvolumen der Tech-Giganten verfügen. Sie könnten jedoch in vielen Anwendungsfällen passende Infrastruktur bereitstellen. „IT-Entscheidungen müssten resilienter gegenüber politischen Entwicklungen werden“, meint Vehns.
US-Zölle treffen PC-Markt
Die US-Technologieriesen kämpfen währenddessen jedoch noch mit den Auswirkungen von Trumps Zollpolitik auf ihre Lieferketten, denn viele von ihnen sind auf Komponenten und Produktionsprozesse in Asien angewiesen.
Deshalb könnten auch nicht nur bei digitalen Dienstleistungen zusätzliche Kosten auf Unternehmen und Verbraucher:innen zukommen. Neben den Zöllen in Höhe von 20 Prozent auf alle EU-Waren, die in die USA eingeführt werden, gelten auch die sogenannten Autozölle in Höhe von 25 Prozent. Diese könnten letztlich auch Hardware wie PCs, Laptops und Festplatten verteuern. Die Gebühr gilt nämlich auch für Waren mit dem internationalen Code 8471, der eben diese Warengruppe beschreibt. Dieser könne, je nach Auslegung, auch Spielekonsolen einschließen, meldet Heise.
Je nach Unternehmenspolitik könnten sich deshalb auch global die Preise für derlei Geräte erhöhen. Darüber hinaus hält sich die USA noch offen, ob sie für Halbleiter, die in Computerchips eingesetzt werden, Zusatzzölle erhebt. Dieser Schritt würde ebenfalls zu weiteren Mehrkosten führen.
EU berät über wirtschaftliche Folgen der US-Zölle
Am 11. April beraten die Finanzminister:innen der Europäischen Union über die Auswirkungen der Zölle auf das Wirtschaftswachstum in der EU und mögliche Lösungen. „Unterbrochene Lieferketten und steigende Kosten für Unternehmen werden sich auf die europäischen Wachstumsraten und Währungen auswirken“, erklärte der polnische Finanzminister und Vorsitzender des Treffens, Andrzej Domanski, laut Reuters. Eine mögliche Reaktion wäre ein stärkerer Zusammenschluss auf dem EU-Binnenmarkt.
US-Präsident Donald Trump hatte die sogenannten „Vergeltungszölle“ anhand des Handelsdefizits der jeweiligen Länder mit den USA berechnet, berichtet CNBC. Diese Differenz wurde dann als „Zoll“ für die USA gewertet. Die EU-Länder gelten als größter Handelspartner der USA in den Bereichen Waren, Dienstleistungen und Investitionen. Der Handel zwischen den beiden Ländern ist in etwa ausgeglichen, wenn man sowohl Waren als auch Dienstleistungen berücksichtigt.
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