Ist die deutsche Vorratsdatenspeicherung rechtmäßig? Mit dieser Frage musste sich jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigen (Beschluss v. 25.09.2019, AZ. 6 C 12.18 und Beschluss v. 25.09.2019, AZ. 6 C 13.18). Eine Entscheidung gab es: Der EuGH wird angerufen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit sind nämlich nicht nur nationale Vorschriften, sondern auch europäische – und diese soll der Europäische Gerichtshof auslegen.

Welche Daten sollen gesammelt werden?

Die Klägerinnen sind die Telekom und der Internetprovider Spacenet. Beide müssten eigentlich die „Telekommunikationsverkehrsdaten“ ihrer Kunden auf Vorrat für eine Dauer von zehn Wochen speichern. Dazu gehören etwa die Rufnummern, Beginn und Ende der einzelnen Telefon- oder Internetverbindungen, Versand- und Empfangszeitpunkte von Kurznachrichten, IP-Adressen und etwaige Kennungen von Benutzern, Anschlüssen und Endgeräten. Vier Wochen lang müssten Standortdaten gespeichert werden – Kommunikationsinhalte, Daten über besuchte Internetseiten und bestimmte weitere inhaltliche Informationen hingegen dürfen nicht festgehalten werden. 

Dennoch handelt es sich um eine große Bandbreite an Informationen, auf die von Behörden im Falle schwerer Straftaten oder konkreter Gefahr für das Leben von Menschen oder die Sicherheit Deutschlands zurückgegriffen werden darf. 

Anlasslose Speicherung und Nutzung problematisch

Obwohl die gesetzliche Grundlage der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland besteht, müssen die Klägerinnen diese derzeit noch nicht umsetzen: Das Verwaltungsgericht der vorherigen Instanz hatte festgestellt, dass die Pflicht hier gegen Recht der EU verstoße. Dabei beruft es sich auf ein EuGH-Urteil aus 2016 (AZ. C-203/15 und C-698/15). Der Gerichtshof hatte sich nämlich bereits mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung auseinandergesetzt, damals aber ging es um die Versionen aus Großbritannien und Schweden. 

Grundsätzlich wurde entschieden, dass sowohl die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation als auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung für die Zwecke der Bekämpfung von Straftaten entgegenstehen. Geklärt werden soll jetzt, ob die deutsche Variante, die gegenüber denen aus Großbritannien und Schweden nicht ganz so weitreichende Einschnitte vorsieht, dennoch mit dem EU-Recht vereinbar sein könnte, so die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts. Man ist sich auch in anderen Ländern nicht sicher, ob das letzte Urteil praktisch als generelles Verbot zu verstehen ist. 

Sicherheit vs. Grundrechte?

Argumentiert wird, dass ein ausnahmsloses Verbot der Vorratsdatenspeicherung den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei Strafverfolgung und öffentlicher Sicherheit erheblich einschränken würde. Gegner hingegen wenden unter anderem ein, dass es sich um eine unverhältnismäßige Maßnahme handele, die weitreichende Eingriffe in Grundrechte bedeute – gerade da die Erhebung und Speicherung vollkommen ohne Anlass erfolge und jeden Einzelnen betreffe, der über das Internet oder Telefon kommuniziert. Auch in die Rechte der klagenden Unternehmen könnte die Speicherpflicht einen Eingriff darstellen, nämlich in Bezug auf die unternehmerische Freiheit. 

Wann mit einer Entscheidung des EuGH gerechnet werden kann, ist derzeit unbekannt. Bis zum Urteil ist das Revisionsverfahren in Deutschland ausgesetzt, hier geht es also solange erst einmal nicht weiter. Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wurde in Deutschland 2010 bereits einmal vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt, 2015 jedoch wurde ein neues Gesetz beschlossen.