In der Werbung lassen sich kreative Köpfe so manches einfallen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Häufig werden dabei aktuelle Themen aufgegriffen. Dies trifft auch auf den Coronavirus zu. So dürfen sich die Kunden dieses Rewe-Marktes entscheiden, ob sie für 5,99 Euro lieber eine Flasche Sagrotan oder ein Sechserpack Bier der Marke Corona wollen:
Á pro pos Bier: Die neuseeländische Bar House on Hood warb auf ihrer Facebook-Seite ebenfalls mit dem Bier samt Virus. Auf dem Bild waren zwei Männer in Schutzausrüstung zu sehen, die der Kamera mit Corona-Bieren zuprosteten. Laut Horizont handelte sich die Bar damit einen ordentlichen Shitstorm ein. Mittlerweile ist nur noch dieses Bild auf der Facebook-Seite zu finden:
Guter Humor oder Geschmacklosigkeit?
Dass solche Aktionen für gespaltene Reaktionen sorgen, ist bekannt. Prominentes Beispiel dürfte da die Marke True Fruits sein. Die einen finden die Aktionen lustig, die anderen werfen dem Unternehmen Sexismus und Rassismus vor. Dass man sich vortrefflich streiten kann, bewiesen meine Kolleginnen Hanna Behn und Tina Plewinski im letzten Jahr in ihrer gemeinsamen Kolumne.
Ähnlich unterschiedlich waren die Reaktionen auf diesen Newsletter von Flixbus, der einen Tag nach dem Anschlag von Hanau rausging:
Wobei die Marketing-Abteilung von Flixbus hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Bezug zu Hanau herstellen wollte. Der Betreff kann eher als etwas unglücklich gewählt gewertet werden. Eine bewusste Provokation, wie sie bei True Fruits die Regel ist, kann hier in keinster Weise angenommen werden.
Was Recht ist
An den Beispielen sieht man, dass Werbung mit Galgenhumor komplett unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann. Doch: Was sagt eigentlich das Recht? Wie weit darf Werbung gehen?
Im Falle von umstrittener Werbung denke ich als Juristin sofort an Schockwerbung: Im Studium behandelten wir in diesem Zusammenhang die Urteile, die das Bundesverfassungsgericht zu den verschiedenen Kampagnen von Benetton gefällt hat. Die Modemarke ist unter anderem wegen ihrer auffälligen Werbung bekannt: Nackte Säuglinge, kopulierende Pferde, Priester küssende Nonnen und Portraits von zu Tode verurteilten Häftlingen – Mit dem Thema Mode hat das rein gar nichts zu tun. Gleich mehrere dieser Aktionen landeten vor dem höchsten deutschen Gericht und dieses stellte zwei Sachen fest: Zum einen können sich Unternehmen bei dieser Art der Werbung auf die Pressefreiheit berufen. Und zum anderen kommt es dadurch im nächsten Schritt zur Abwägung mit der Menschenwürde. Im Falle der hier gezeigten Werbung von True Fruits würde das Gericht hier sehr wahrscheinlich zu der Feststellung gelangen, dass das Darauf-Aufmerksam-machen über Missstände an vielen Grenzen unter Pressefreiheit läuft.
Werbung mit Corona gleich Schockwerbung?
Wie sind Marketing-Maßnahmen mit dem Coronavirus im Lichte dieser Entscheidungen zu beurteilen? Nun: Weder die Rewe-Aktion, noch die Werbung der neuseeländischen Bar wären wohl zu beanstanden. Rewe nimmt hier vor allem die Hamsterkäufer aufs Korn. Die Aussage der Bar, wonach man sich in Hamilton schlimmere Dinge als Corona einfangen kann, ist schon etwas grenzwertiger, trifft allerdings meinen persönlichen eher düsteren Humor.
Man sieht also: Bei der Frage, was Werbung mit Corona darf, gibt es keine eindeutige Antwort. Je nachdem, wie weit es die Werbetreibenden mit dem Galgenhumor treiben, kann es auf eine Abwägung zwischen Pressefreiheit und Menschenwürde hinaus laufen. Es bleibt also, wie so oft, alles eine Einzelfallbetrachtung.
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