Online-Händler finden sich häufiger vor Gericht wieder, als ihnen lieb ist. Meist geht es dabei nicht etwa um Streitigkeiten mit Kunden, sondern um irgendwelche Abmahnungen, die nicht selten im Namen der Verbraucherrechte ausgesprochen werden.

Die Urteile stoßen, wie vor nicht allzu langer Zeit das Urteil zum Check-Out von Amazon gezeigt hat, selten auf viel Gegenliebe. Online-Händler fühlen sich veräppelt; so mancher Verbraucher fühlt sich als doofer hingestellt, als er ist. Doch: Warum ist das so?

Der Verbraucherbegriff

Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, ist die Sichtweise des normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchers. Der durchschnittliche Deutsche ist aktuell Anfang/Mitte 40, sollte mit den modernen Medien und dem Online-Shopping also weitgehend vertraut sein. Woher kommen sie also, die Urteile, die so lebensfern scheinen?

Ein überalterte Justiz

Zu meiner Zeit im Referendariat, die noch keine drei Jahre her ist, kam ein Richter auf mich zu und fragte mich, wie dieses Ebay funktioniert. Ein Blick in die Akte verriet: Es ging eigentlich um Ebay Kleinanzeigen. Diese kleine Szene steht sinnbildlich für den Zustand der Justiz: In Deutschland sind die Personen, die an Richterbänken sitzen, alt. Das ist ein Zustand, vor dem seit Jahren schon gewarnt wird. Es kommen keine jungen Richter nach und „die Alten“ urteilen über Sachverhalte, für die ihnen das technische Verständnis teilweise fehlt. 

Der durchschnittliche deutsche Richter ist eben nicht mit dem durchschnittlichen Verbraucher gleichzusetzen. Während der mittlerweile durchschnittliche Verbraucher die Entwicklung des E-Commerce von Anfang an miterlebt und ein Stück weit auch mitgestaltet hat, dürften viele Richter die Entwicklung zwar mitbekommen, aber eben nicht miterlebt haben. Anders gesagt: Oft sollen Richter über die Streitigkeiten entscheiden, ohne – überspitzt gesagt – jemals selbst eine Bestellung bei Amazon getätigt zu haben.

Die meisten Richter müssen zwangsläufig von sich auf andere schließen, da möglicherweise schon die eigene Erfahrung im souveränen Umgang mit den neuen Medien fehlt. Ein Hineinversetzen in den aktuellen durchschnittlichen Verbraucher ist daher schwerlich möglich. 

Eine gute Balance zwischen Alt und Jung

Sicherlich ist es gut, wenn auch Personen an Entscheidungen beteiligt sind, für die der Umgang mit Online-Shops neu ist. Ich sehe es selbst in meiner Familie, dass die ältere Generation zwar ganz gern online bestellt, aber in Sachen Bedienung eben nicht so intuitiv unterwegs ist, wie Personen meines Alters. Es ist gut, wenn Internetangebote so gestaltet werden müssen, dass diese Personen eben nicht – ob nun mit Absicht oder Ausversehen – getäuscht werden. Allerdings ist es auch falsch so zu tun, als wäre Online-Shopping für die Verbraucher noch Neuland.

Das ist nämlich der Knackpunkt: Oft entsteht der Eindruck, als würde man für die Urteile Maßstäbe zugrunde legen, die aus der Zeit der ersten Online-Shops stammen. Das ist aber falsch. Nicht nur das Angebot hat sich weiterentwickelt, sondern auch die Verbraucher. Daher muss in jedem zu beurteilenden Einzelfall eine gesunde Balance zwischen den unterschiedlichen Verbrauchergruppen gefunden werden.