Bevor man Stoffe verarbeitet, sollten sie vorgewaschen werden. Beim ersten Waschen laufen Stoffe je nach Material mal mehr, mal weniger stark ein oder verlieren Farbe. Für viele Hobby-Näher ist daher klar, dass das neu erworbene Stöffchen zunächst in der Maschine landet. Bei den gewerblichen Nähern scheiden sich allerdings die Geister. Oft liest man, dass im gewerblichen Bereich Stoffe gar nicht vorgewaschen werden dürfen. Wir haben mal einen Blick ins Gesetz geworfen.

Durchs Vorwaschen keine Neuware mehr?

Dass Stoffe nicht vorgewaschen werden dürfen, wird oft damit begründet, dass das Produkt dann nicht mehr als neu verkauft werden dürfe. Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Produkt als „neu“ angeboten wird?

Ob eine Ware neu oder eben gebraucht ist, ist erst einmal einfach nur eine Beschreibung der Beschaffenheit und damit eine wesentliche Eigenschaft, über die der Gewerbetreibende in der Produktbeschreibung informieren muss. Als neu gilt dabei ein Produkt, welches noch nicht benutzt wurde (OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.04.2014, Az.: 1 U 11/13). Kleidung gilt beispielsweise als benutzt, wenn sie bereits über das Anprobieren hinaus getragen wurde. 

Das Vorbereiten des Arbeitsmaterials hingegen macht aus dem fertigen Produkt noch kein gebrauchtes Produkt. Anders gesagt: Ein Tischler würde auch nicht auf die Idee kommen, einen Stuhl als gebraucht zu kennzeichnen, nur weil er das Holz vorher behandelt hat. Auch Kleidung im „used look“ wird als neu verkauft, obwohl hier gerade durch eine gezielte mechanische und chemische Behandlung des Stoffes ein gegenteiliges Aussehen bezweckt wird. Mit Produkten in diesem Look wird weit mehr gemacht, als sie einfach nur vor der Verarbeitung des Grundmaterials in die Waschmaschine zu stecken. 

Vorwaschen kann Reklamation vermeiden

Das Vorwaschen von Stoffen ist gerade bei Materialien, die gern einlaufen, sogar empfehlenswert, denn Stoffe laufen selten gleichmäßig ein. Man kann den Kunden zwar darauf hinweisen, dass das Produkt nach dem ersten Waschen etwas einlaufen kann; allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass das Kleidungsstück gleichmäßig einläuft. So kann das gute Stück nach dem ersten Waschgang krumm und verzogen aussehen – Reklamationen sind dann vorprogrammiert. Auch der Hinweis, dass der Kunde das Produkt lieber eine Nummer größer kaufen sollte, vermeidet Reklamationen nicht: Wie stark etwas einläuft, hängt mit der Art des Waschens zusammen. 

Worauf allerdings geachtet werden sollte, ist die Auswahl des Waschmittels: Es gibt Menschen, die Allergien haben. Daher sollte zu einem entsprechenden Mittel gegriffen werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, verwendet einfach gar kein Waschmittel. Schließlich sorgt die Wassertemperatur für das Einlaufen. 

Fazit: Vorwaschen erlaubt

Woher der Mythos mit dem Vorwasch-Verbot kommt, lässt sich nicht so genau feststellen: Rein juristisch gesehen gibt es allerdings keinen Grund, der das Vorwaschen von Stoffen verbietet. Produkte, die aus vorgewaschenem Stoff gefertigt werden, dürfen als Neuware verkauft werden. Das gilt übrigens auch für Handmade-Stücke, die nach der Fertigstellung noch einmal gewaschen werden, um Kreidemarkierungen und Ähnliches zu beseitigen.