Sind Sie schon einmal abgemahnt worden? Die Chance steht nicht schlecht. 22 Prozent der Teilnehmer der aktuellen Händlerbund-Abmahnstudie haben im Jahr 2018 eine Abmahnung empfangen. Auch in den Medien zeigt sich, dass es hier um ein Thema geht, das für den Online-Handel von großer Relevanz ist. Abmahnungen sind im E-Commerce scheinbar omnipräsent. Warum aber gibt es das Verfahren des Abmahnens im Wettbewerb? Bekommt man Wind davon, dass der Nachbar Steuern hinterzieht, schreibt man diesem schließlich nicht einen Brief und bittet ihn, dieses Verhalten unter Androhung einer Vertragsstrafe zu unterlassen. Wie geht man mit Abmahnungen um? Gibt es Alternativen – und werden diese in Zukunft vielleicht einmal zur Debatte stehen? Wir begeben uns auf die Suche nach dem Wesen der Abmahnung im Wettbewerbsrecht. Am Ende zeigen wir zudem, welchen Inhalt eine Abmahnung künftig vorweisen muss, wenn die Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft getreten sind.
In Teil 1 haben wir gezeigt, wo die Abmahnung überhaupt herkommt und stellen ausgewählte internationale Alternativen vor, die für Online-Händler in anderen Regionen gelten.
In Teil 2 nehmen wir uns jetzt die Frage vor, wie man mit Abmahnungen umgehen oder sie gar vermarktend nutzen kann. Außerdem haben wir eine Infografik vorbereitet, die zeigt, welche Informationen sich nach dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs künftig in Abmahnungen finden müssen.
Abgemahnt! Bezahlen und alles ist gut?
Nun hat ein Online-Händler, ob wissentlich oder nicht wissentlich, eine Informationspflicht verletzt und ist abgemahnt worden. Wie sollte er damit umgehen? Für viele Händler ist der Erhalt einer Abmahnung nicht nur ein ärgerliches, sondern auch ein sensibles Thema. Schließlich ist in der Regel viel Kraft und Arbeit in einen Shop und das Drumherum investiert worden – nun soll man doch etwas falsch gemacht haben und damit schließlich auch noch den freien Wettbewerb beeinträchtigen. Der Frust ist oft groß, die „Schuld“ wird beim Abmahner, dessen Anwalt, dem Gesetzgeber, den Gerichten oder bei sich selbst gesucht – und der Stresspegel steigt ins Unermessliche.
In der konkreten Situation ist das mehr als verständlich: Es geht um einen Vorwurf, einen Fehler, um rechtliche Konsequenzen und meist einen Kostenbetrag, der nicht unerheblich ist. Abhilfe schafft das in dieser Situation aber nicht. Empfehlenswert ist es vielmehr, den Blick auf das Wesentliche zu richten und möglichst besonnen und professionell an die Sache heranzugehen.
Bevor sich der Empfänger einer Abmahnung weitgehende Fragen dazu stellt, sollte er zunächst die Lage sondieren. Eine Abmahnung liefert nämlich erst einmal eine Menge relevanter Informationen und Angaben mit. Sie formuliert, von wem die Abmahnung kommt und warum der Abmahner legitimiert sein soll, abmahnen zu dürfen. Sie zeigt das Verhalten auf, in dem der Fehler liegen soll und nennt die rechtlichen Grundlagen für die inhaltliche Berechtigung des Vorwurfs. Sie konfrontiert den Empfänger mit etwaigen Konsequenzen und gibt eine Reaktionsmöglichkeit vor. Und schließlich legt sie auch einen zeitlichen Rahmen – also eine Frist – fest, an welcher man sich dringlichst orientieren sollte. Angedroht werden dabei auch rechtliche beziehungsweise gerichtliche Schritte, die bei erfolglosem Verstreichen der Frist gegebenenfalls in Angriff genommen werden. Zu guter Letzt ist meist eine Unterlassungserklärung beigelegt, die unterschrieben werden soll.
Apropos Schreiben
Wenngleich Abmahnungen in der Praxis fast immer als Brief zugestellt werden, gibt es dafür aus rechtlicher Sicht keine Pflicht – Abmahnungen sind formfrei. Es spricht daher nicht gegen ihre Wirksamkeit, wenn eine Abmahnung am Telefon, per SMS oder gar durch mündlichen Zuruf erhalten wird. Das wird aber selten vorkommen.
Unterlassungsverpflichtung – Es geht auch besser!
Diese Informationen sollte man zunächst erfassen und dabei ganz besonders die Frist im Auge behalten. Wie lang diese sein muss, dazu trifft das Gesetz keine konkrete Aussage, vielmehr soll sie „angemessen“ sein. Das ist sie, wenn es sich in einem Regelfall um eine Frist von sieben bis zehn Tagen handelt (so etwa OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2014 – 4 U 121/13 Rz. 126). Sie darf allerdings auch kürzer ausfallen, wenn es sich um eine dringliche Sache handelt. Hier könnte es theoretisch sogar um Minuten gehen. Eine Fristverlängerung kann, sofern nötig, angefragt werden. Solange hier aber eine verbindliche Anpassung nicht mitgeteilt wurde, sollte weiter auf die genannte Frist gesetzt werden. Dann stellt sich eine wichtige Frage: Kümmert man sich selbst um alles Weitere oder gibt man es in die Hände von Fachleuten?
Oft ergeben sich Optimierungsmöglichkeiten. So erfüllt die beigelegte Unterlassungserklärung zwar ihren Zweck, geht aber oftmals auch über das nötige Maß hinaus. Profis können hier etwaige Anpassungen treffen. Grundsätzlich gilt nämlich: Hier wird ein Vertrag eingegangen, der nicht ohne Weiteres nachträglich geändert werden kann. Selbst, wenn sich der Unterzeichner zu etwas verpflichtet, zu dem er rechtlich notwendigerweise nicht verpflichtet wäre, kann es mit einem gehörigen Aufwand verbunden sein, später dagegen vorzugehen – gegebenenfalls ohne Erfolg. Das kann etwa eine Vertragsstrafe betreffen oder das zu unterlassende Verhalten an sich.
Weiterhin kann die Abmahnung natürlich auch unberechtigt sein. Juristen beziehungsweise Rechtsanwälte können dies prüfen und das weitere Vorgehen vorbereiten. Sie überprüfen nicht nur die Höhe der genannten Vertragsstrafe, sondern auch den Gegenstandswert, welcher die Kosten der Abmahnung und eines möglichen Gerichtsprozesses maßgeblich bestimmt. Und sie decken potenzielle, mit der Abmahnung zusammenhängende Defizite auf. Im Ergebnis kann diese Vorgehensweise den Stress einer Abmahnung deutlich minimieren und praktische Risiken nehmen oder auf das Nötigste begrenzen.
Wie reagieren? Am Ball bleiben ist notwendig
Dann kommt es aber auch vor, dass eine Abmahnung nicht berechtigt ist. Das kann etwa daran liegen, dass der Vorwurf, gegen anwendbares Recht zu verstoßen, schlichtweg nicht stimmt. Soll eine Abmahnung den Empfänger hingegen primär schädigen oder steht es in ihrem Vordergrund, Gebühren und damit einen Verdienst zu generieren, kann es sich dabei auch um eine missbräuchliche Abmahnung handeln. Gerade häufig abmahnende Rechtsanwälte und Verbände sehen sich diesem Vorwurf ausgesetzt. Handelt es sich tatsächlich um eine Abmahnung dieser Art, müssen weder Abmahngebühren gezahlt werden noch besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Steht der Verdacht im Raum, sollte man idealerweise rechtlichen Rat einholen.
Entscheidet sich ein Händler dazu, der Abmahnung, egal ob berechtigt oder unberechtigt, im Alleingang zu begegnen, stellt das durchaus auch eine mögliche Vorgehensweise dar. Allerdings darf man hier keine Scheu vor einer komplexen Aufgabe haben und muss ein entsprechendes Fehlerrisiko in Kauf nehmen, das je nach Fall einen sehr großen Umfang annehmen kann.
Letztlich sollte auch dringend darauf verzichtet werden, gar nicht auf die Abmahnung zu reagieren. Das kann sich nicht nur ungünstig auf etwaige Kosten auswirken, der Abmahner kann auch in den einstweiligen Rechtsschutz gehen. Damit wird die Sache für den Abgemahnten nicht einfacher. Gleichzeitig will die Reaktion auf eine Abmahnung gut überlegt sein. So kann die Abmahnung zwar begründet sein und ein Wettbewerbsverstoß vorliegen. Allerdings muss auch bedacht werden, dass es mit der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung nicht getan ist: Das Verhalten muss auch tatsächlich unterlassen werden. Hat sich ein Händler dann durch eine entsprechende Erklärung zur Unterlassung verpflichtet, kann das Verhalten aber nicht unterlassen – beispielsweise weil es um ein Angebot auf einem Marktplatz geht und der Händler gar nicht die Möglichkeit hat, hier die jeweilige Sache anzupassen – sieht die Lage für ihn unglücklich aus.
Marketing: Abmahnungen für sich „nutzen“?
Ist nun eine Abmahnung in der Welt, erreicht die Stimmung vieler Händler wohl einen Tiefpunkt. Um die Frustration nicht Überhand gewinnen zu lassen, kann es sich lohnen, die (kleinen) Vorteile einer Abmahnung zu begreifen. Einerseits erhält man die Gelegenheit, einen Fehler künftig nicht mehr zu begehen. Ärgert man sich über die Abmahnung und findet den gleichen Fehler bei einem Konkurrenten, kann man aus den eigenen Erfahrungen lernen und den Wettbewerber zunächst freundlich darauf hinweisen, bevor man zur Abmahnung greift. Entsprechende Initiativen wie etwa FairCommerce unterstützten dies und fördern damit das rücksichtsvolle Verhalten der Händler untereinander. Wie man sich hier verhält, hängt aber auch damit zusammen, welchen Begriff man von einem Wettbewerb hat. Es kann durchaus dazu gehören, einer anderen Krähe ein Auge auszukratzen.
Andererseits kann man die Abmahnung zum Beispiel auch als Zeichen für eine offene Fehlerkultur nutzen und einen kreativen, nicht juristischen Umgang damit finden. Dies kann sogar Vorteile für das Marketing mit sich bringen.
Aus Standby wird Abgemahnt
Die Nils Holger Moormann GmbH designt und stellt hochwertige Möbel her. Unter ihren Produkten findet sich auch ein kleiner Beistelltisch. Wie bei Möbeln manchmal nicht unüblich, trägt er einen Namen – „Abgemahnt“. Wie es dazu kam, dafür liefert der Name an sich schon einen triftigen Hinweis. Der ursprünglich gewählte Name des Tisches, „Standby“, ist markenrechtlich geschützt – nur leider nicht von Moormann. „Fakten auf den Beistelltisch, eine alte Geschichte, aber immer noch namensgebend. Dass dieses Tischchen einst Standby hieß, verrät noch das Zeichen an seinem Fuß. Der Name wurde jedoch Abgemahnt. Der Designer selbst sieht sein Objekt ja weniger als Beistelltisch, sondern vielmehr als Vögelchen auf Füßen. Klingt beflügelnd …“, heißt es im Shop. Der Name wurde also abgemahnt und er wurde „Abgemahnt“. Vor allem aber wurde damit eine Geschichte zum Produkt entworfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Anekdote und damit das Möbelstück bei potenziellen Käufern im Gedächtnis bleibt, ist nicht unwahrscheinlich. Moormann ist dabei nicht der Einzige, der das Thema Abmahnung in sein Produkt einfließen lässt: So greift beispielsweise der Limonadenhersteller Bionade die Abmahnung in einem Werbespot auf.
In der Politik bewegt sich etwas
An den Regeln zu Abmahnungen ändert sich derzeit etwas. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs war mehrere Jahre ein Vorhaben der Politik und ist jetzt, im Oktober 2020, fast am Ende des Gesetzgebungsprozesses angekommen. Das Versprechen lautet: Der Abmahnmissbrauch wird hiermit eingedämmt. Dazu wurde beispielsweise an der Kostentragung geschraubt, besonders für jene Fälle, in denen die Abmahnung von einem anderen Online-Händler, einem Mitbewerber, stammt.
An anderer Stelle wird dafür gesorgt, dass sich Händler nicht mehr mit dem fliegenden Gerichtsstand konfrontiert sehen – zumindest, falls der bemängelte Rechtsverstoß in einem Telemedium wie dem Online-Shop gegangen wird. Zu welchen praktischen Verbesserungen die Änderungen, wie sie nun schlussendlich gefasst sind, aber tatsächlich führen, das ist gar nicht so sicher. Online-Händlerinnen und -Händlern, die sich ein besseres Bild über die Lage und die neuen Regeln verschaffen möchten, stellen wir hier einige hilfreiche Links des Händlerbundes zur Verfügung:
- Verhindert das Gesetz für fairen Wettbewerb bald Abmahnmissbrauch?
- Häufige Fragen zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs
- Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Unterlassungserklärung
- Häufige Fragen zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen
- Die wichtigsten Fragen und Antworten zur urheberrechtlichen Abmahnung
- Woran erkennen Online-Händler einen Abmahnmissbrauch?
Nach den neuen Regeln: Wie sieht eine Abmahnung nun aus?
Abmahnungen können theoretisch in vielerlei Erscheinungsformen daherkommen. Wie wir gesehen haben, braucht es keinen Brief oder Papier, eine Abmahnung kann auch zugerufen werden. Durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs halten allerdings Regeln Einzug in das UWG, die Vorgaben zum Inhalt der Abmahnung machen. Diese muss der Abmahner erfüllen.
In der Abmahnung müssen demnach folgende Angaben gemacht werden:
- Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters
- die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung
- ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet
- die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände
- wenn ein Fall vorliegt, in dem allgemein kein Aufwendungsersatz vom Abmahner geltend gemacht werden darf, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist (z. B. Mitbewerber mahnt Ein-Mann-Online-Shop wegen DSGVO-Verstoß ab)
Werden diese Vorgaben nicht in rechtlich ausreichender Weise erfüllt, kann der Abmahner nicht den Ersatz seiner notwendigen Abmahnkosten geltend machen. Unwirksam ist die Abmahnung deswegen allein allerdings nicht.
Dieser Artikel erschien zuerst im Oktober 2019 und wurde um aktuelle Entwicklungen ergänzt.
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