Jede Ankündigung eines neuen Lockdowns löst bei einem Online-Händler Freude und Panik zugleich aus, denn die vielen eingehenden Bestellungen, die zwar den Umsatz ankurbeln, müssen auch bewältigt werden und wie versprochen beim Kunden eintreffen. Kommt noch der übliche alljährliche Weihnachsansturm hinzu, ist das Chaos nicht weit. Jüngst haben wir berichtet, dass mehr als ein Drittel aller Online-Bestellungen während der Vorweihnachtszeit im letzten Jahr verspätet geliefert wurden – und da war von Corona und Lockdown noch keine Rede.

Online-Handel muss feste Lieferzeit nennen

Für den Kunden ist es entscheidend zu wissen, ob seine Bestellungen noch rechtzeitig vor den Festtagen eintreffen. Der Gesetzgeber hat für den Online-Handel daher eine Pflicht eingeführt: Händler müssen dem Kunden einen Liefertermin nennen. Das ist standardmäßig auch in vielen Shops so umgesetzt.

Nicht selten liest man in Shops jedoch Hinweise (z. B. in einem Banner), dass Bestellungen derzeit aufgrund der hohen Nachfrage nur verzögert bearbeitet werden können oder ähnliche vertröstende Formulierungen. Das mag dem durchschnittlich verständlichen Kunden vielleicht noch einleuchten und er wird sich darauf einstellen. Tatsächlich liegen die Nerven jedoch gerade jetzt bei vielen blank. Auch wenn die Lieferung des Headsets fürs Homeoffice oder der Lego-Kasten für die Beschäftigung der Kleinen erst in drei bis fünf Werktagen angekündigt wurde, wird es bereits ab dem Klick auf den Bestell-Button sehnlichst herbeigesehnt. 

Wann liegt ein Vertrag mit dem Kunden vor?

Ist das Paket noch nicht gepackt, muss mit der Frage begonnen werden, ob überhaupt ein rechtsgültiger Kaufvertrag geschlossen wurde oder nicht, denn nur daraus kann der Kunde seine (rechtzeitige) Lieferung verlangen. Zunächst vorweg: Verbucht der Händler eine Bestellung, ist dies nicht automatisch gleichzusetzen mit einem Vertragsschluss. Diesem Irrtum unterliegen aber viele Kunden und es kommt zum Streit.

Die Frage, ob überhaupt schon ein Vertrag mit dem Kunden geschlossen wurde, beantworten die AGB oder Kundeninformationen. Anbieter bei Ebay stellen direkt verbindliche Angebote ein, die der Kunde mit der Bestellung, also z.B. mit Abgabe des Höchstgebotes oder mit Betätigen der Schaltfläche „Sofort-Kaufen“, annimmt. Hier kommt der bindende Vertrag bereits mit Abgabe der Bestellung des Kunden zustande. Bei Amazon oder im Online-Shop sieht das anders aus. Aufschluss bringt ein Blick in die AGB des betreffenden Shops.

Ist der Vertrag noch nicht geschlossen, sollte man so fair sein und den Kunden über die Lieferverzögerung informieren. Dann kann er sich selbst entscheiden, ob er noch an einer späteren Lieferung festhalten möchte oder bei einem anderen Händler kauft.

Steht fest, dass ein Vertrag geschlossen wurde, geht es zur nächsten Frage: Ist die Lieferzeit korrekt berechnet? Viele Kunden gehen irrtümlich davon aus, die Lieferzeit beginne sofort mit der Bestellung. Dem ist jedoch logischweise nicht so, denn die Bedingungen der meisten Shops beziehen auch die Zahlungsanweisung oder Banklaufzeiten mit ein. Auch hier sind die Rechtstexte entscheidend. Das können je nach Shop die Zahlungs- und Versandhinweise sein, die am Preis üblicherweise verlinkt sind, oder die AGB und Kundeninformationen.

Lieferzeitangabe = Vertragspflicht?

Was würde die gesetzliche Verpflichtung zur Lieferzeitangabe nützen, wenn sie nicht ebenso Vertragsbestandteil und damit eine Nebenpflicht aus dem Vertrag würde, auf die der Kunde bei der Bestellung möglicherweise sogar besonderen Wert gelegt hat. Mit der Lieferzeitangabe geht der Händler also ebenso eine vertragliche Verpflichtung ein. Hat der Kunde eine Bestellung aufgegeben und wurde auch ein verbindlicher Kaufvertrag eingegangen (s.o.), muss der Händler seiner Pflicht zur Lieferung innerhalb des angegebenen Zeitfensters nachkommen. 

Gemäß den gesetzlichen Vorschriften gilt Folgendes: „Erbringt [...] der Schuldner eine fällige Leistung [...] nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung [...] bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.” Das gilt selbst dann, wenn der Paketdienst und nicht der Händler für die Verspätung verantwortlich ist. Ersatzprodukte oder gleichwertige Waren muss der Käufer nicht akzeptieren.

Wann können Online-Kunden von einer Bestellung zurücktreten?

Kunden können also von ihrer Bestellung zurücktreten und den bereits gezahlten Kaufpreis zurückfordern, wenn sie dem Händler wegen der nicht eingehaltenen Lieferzeit erfolglos eine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt haben. Ist die Bestellung bis dahin immer noch nicht geliefert worden, kann der Kunde vom Kauf zurücktreten und nach erklärtem Rücktritt auch die Annahme einer Lieferung verweigern. Schadensersatzansprüche werden kaum durchsetzbar sein, wenn der Händler nicht schuldhaft gehandelt hat.

Denkbar wäre auch ein sogenanntes Fixgeschäft, bei dem Händler und Kunde einen festen Lieferzeitpunkt vereinbart haben. Konsequenz bei Überschreitung eines solchen Termins ist ein sofortiger Rücktritt ohne Fristsetzung. Davon kann man bei Lieferungen von Kochboxen in einem bestimmten Zustellfenster oder Expressbestellungen zum festen Wunschzeitpunkt ausgehen, bei regulären Online-Bestellungen aber wohl nicht.

Better safe than sorry

Wer es kann und will, kann auch auf andere Varianten zurückgreifen. Da die wenigsten Shops auf eine Bestellmöglichkeit verzichten wollen oder können, muss an den Lieferzeiten geschraubt werden: Im Online-Shop sollten daher alle Lieferzeitangaben entsprechend verlängert werden, also auch die am Artikel, auf Unterseiten und im Bestellablauf. Das mag den einen oder anderen Kunden von seiner Kritik nicht abhalten. Rechtlich ist es jedoch die sauberere Variante.

Nicht rechtlich okay ist es, wenn sich der Händler mit „Weichmachern“ wie "voraussichtlich" eine spätere Lieferung vorbehält. Auch der Zusatz „in der Regel“ am Liefertermin bzw. -zeitraum ist zu unkonkret und erfüllt damit nicht die gesetzlichen Anforderungen.