Europaweit gelten unterschiedliche Recycling-Gesetze, wie Andreas Landes, der Gründer & Geschäftsführer von ecosistant bereits kürzlich in einem Interview erläuterte. Frankreich ist für in diesem Bereich eine Vorreiternation für andere EU-Staaten. Denn gerade für Online-Händler gelten dort besonders viele Vorschriften zum Recycling von Verpackungen, Elektrogeräten, aber auch Textilien und Schuhe. An diese Regelungen müssen sich auch deutsche Online-Händler halten, die an Endverbraucher nach Frankreich versenden.
Das französische Gesetz zur Abfallbekämpfung und zur Kreislaufwirtschaft ist besonders innovativ, denn es besagt unter anderem das Vernichtungsverbot unverkaufter Konsumgüter. Ab 2022 dürfen nicht verkaufte Textilien nicht mehr vernichtet werden, sondern müssen gespendet oder recycelt werden. Die Umweltrichtlinie wird auch EPR-Richtlinie genannt.
Erweiterte Produzentenverantwortung für Fashion Online-Händler
EPR steht für „Extended Producer Responsibility“, also erweiterte Produzentenverantwortung. Genauer gesagt, zieht die Umweltrichtlinie Hersteller während des gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte in die Verantwortung, d. h. auch für die (fachgerechte) Entsorgung am Ende des Lebenszyklus. Der Begriff „Hersteller“ schließt übrigens auch Importeure und Einzelhändler ein.
Mit der EPR-Gesetzgebung will die französische Regierung den Verpackungsmüll an Textilien reduzieren und die Recyclingraten in der Europäischen Union verbessern. Jeder, der für das Inverkehrbringen von verpackten Produkten verantwortlich ist, muss eine Gebühr für das Recycling seiner Verpackungsabfälle entrichten.
Mehr Nachhaltigkeit in der Fashion-Industrie
Ähnlich wie für Verpackungen müssen Hersteller in Frankreich auch für in Umlauf gebrachte Textilien Verantwortung übernehmen. Aktuell landen viele Textilien auf Müllhalden – zum Großteil handelt es sich hierbei um neue unverkaufte Produkte. Doch gebrauchte Textilien sind Waren und Rohstoffe zugleich. Durch das Gesetz soll gegen Überproduktion in der Textilindustrie angekämpft und gleichzeitig für Hilfsorganisationen gespendet werden.
Was besagt das Gesetz zum Textil-Recycling?
Das Gesetz zielt darauf ab, Produkte durch Wiederverwendung und Recycling einem zweiten Lebenszyklus zuzuführen. Die Zerstörung unverkaufter Produkte ist ab dem 1. Januar 2022 verboten. Eine Ausnahme gilt für Produkte aus gesundheitsschädlichen Materialien oder für Produkte, welche nicht mehr nachhaltig wiederverwendet oder recycelt werden können.
Als Textilien gelten sogenannte CLF-Produkte: Bekleidungstextilien, Haushaltswäsche und Schuhe (engl. „clothing, linen and footwear“). In Frankreich müssen Hersteller oder Importeure von CFL-Produkten entweder ihr eigenes behördlich-akkreditiertes Sammel- und Recyclingprogramm aufstellen oder sie sind verpflichtet, sich bei einem zugelassenen Rücknahmesystem zu registrieren. Letzteres ist in der Praxis für Online-Händler der plausibelste Weg, die EPR zu erfüllen.
Was müssen Fashion Online-Händler in Frankreich tun?
Die französischen Nichtregierungsorganisation (NGO) „Refashion“ ist das einzig derzeit zugelassene Rücknahmesystem. Die Aufgaben bestehen neben der Koordination der Sammlung auch in einer Sortierung der Textilien anhand einer fünfstufigen Abfallhierarchie. Die Bemühungen der NGO liegen darin, ihre Prozesse und Kosten transparent zu machen. Die Einnahmen über das Rücknahmesystem fließen außerdem in Kommunikation, Forschung und Entwicklung.
Auf der „Eco design Platform“ von Refashion können Händler überprüfen, wie nachhaltig ihre Textilien sind. Neben generellen Informationen gibt es dort eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Wechsel zu nachhaltigen Materialien.
Der Kern von Refashion besteht jedoch darin, dass sich Inverkehrbringer, d. h. auch Online-Händler dort registrieren müssen, wenn sie Textilien in Frankreich verkaufen. Werden weniger als 5.000 Produkte nach Frankreich verkauft oder weniger als 750.000 Euro Umsatz in Frankreich gemacht, haben Händler eine Pauschalgebühr zu zahlen. Diese beträgt 75 Euro pro Jahr (exklusive Steuern). Werden diese Mengen überschritten, werden höhere Gebühren erhoben. Diese ergeben sich aus der Menge der verkauften Produkte innerhalb eines Jahres. Die genaue Berechnung der Gebühren hängt neben der Produktart und -menge auch von der Produktgröße ab. Außerdem werden die Gebühren gesenkt, wenn es sich nachweislich um nachhaltige Produktmaterialien handelt. Diese sogenannten „Eco fees“ werden für eine nachhaltige Textilindustrie eingesetzt.
Textil-EPR auf Amazon
Fashion Online-Händler, die als Amazon-Seller Textilien nach Frankreich verkaufen, müssen ab 2022 ihre sogenannte EPR-Registrierungsnummer vorweisen. Woher bekommen Online-Händler die EPR-Nummer? Nach der Registrierung bei Refashion erhalten Online-Händler diesen Nachweis. Übrigens: Bei Nicht-Registrierung wird der Verkauf auf der Plattform untersagt. Selbiges betrifft künftig auch Händler, die über andere Marktplätze als Amazon verkaufen, denn in Frankreich müssen Marktplatzanbieter ab 2022 generell sicherstellen, dass die Verkäufer auf der Plattform EPR-konform registriert sind.
Ebenso prüfen Marktplätze wie Amazon die EPR-Nummer für Verpackungen, Elektrogeräte, Batterien, und andere verpflichtete Produkte.
Textil-EPR in Schweden
Schweden ist das zweite Land in der Europäischen Union, das Gesetze zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien und Bekleidung verabschiedet hat. Die neuen Richtlinien werden am 1. Januar 2022 in Kraft treten, wobei die Lizenzierung von Sammlungen am 1. Januar 2024 beginnen soll. Der schwedische Gesetzgeber hat errechnet, dass die Einführung der EPR dazu führen wird, dass ein T-Shirt um 0,23 SEK (etwa 2 Eurocent) teurer wird. Deshalb, so heißt es, müssen die neuen Gesetze "durch Maßnahmen ergänzt werden, deren Zweck nicht nur die Zuweisung der Verantwortung für die Abfallbewirtschaftung ist".
Mehr Verantwortung für Fashion Online-Händler
Insbesondere in Zeiten von Fast Fashion sind EPR-Gesetzte elementar. Die Gesetze zur Abfallvermeidung in der Textilindustrie in Frankreich und Schweden sind nur der Anfang. Auch in den Niederlanden soll die erweiterte Herstellerverantwortung ab 2023 umgesetzt werden. Bulgarien, Katalonien und Großbritannien arbeiten ebenfalls an Gesetzesentwürfen. Abhilfe beim Durchblicken der komplizierten Vorgaben bietet der digitale Beratungsservice von ecosistant. Hier bekommen Sie als Fashion Online-Händler Schritt-für-Schritt Anleitungen an die Hand, um Ihre gesetzliche Verantwortung europaweit zu erfüllen.
Über die Autorin
Lena Bettin ist seit 2021 beim digitalen Beratungsunternehmen für Recycling-Compliance ecosistant. Als Umweltwissenschaftlerin schreibt und forscht sie über Themen rund um Nachhaltigkeits-Compliance und nachhaltigen E-Commerce.
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