Nachdem das Bundeskartellamt im Juli 2022 bereits festgestellt hat, dass Amazon ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist, dehnt die Behörde nun zwei laufende Missbrauchsverfahren gegen das Unternehmen aus. Das teilte das Amt gestern in einer Pressemitteilung mit. Geprüft wird jetzt auch im Hinblick auf § 19a GWB – ein kartellrechtliches Instrument, das die effektivere Aufsicht über große Digitalkonzerne ermöglichen soll. Beide Verfahren betreffen die Frage, ob und wie Amazon möglicherweise die Geschäftschancen von Händlern beeinträchtigt, die im Wettbewerb zu Amazons eigener Tätigkeit als Online-Händler stehen.
Bundeskartellamt prüft Preiskontrollmechanismen und Brandgating
Beide Verfahren betreffen bestimmte Verhaltensweisen von Amazon. In der ersten der beiden Untersuchungen beschäftigt sich das Bundeskartellamt mit Preiskontrollmechanismen des Digitalriesen. Gegenstand des Verfahrens ist eine algorithmische Überprüfung der Preissetzung von Marktplatz-Händlern. Die Anwendung könne dazu führen, dass Händlerangebote für Endkunden weniger gut auffindbar seien oder gar gesperrt würden, heißt es in der Pressemitteilung des Bundeskartellamts.
Laut einem Amazon-Sprecher würden Dritthändler für etwa 60 Prozent der bei Amazon verkauften Artikel stehen, ihre Verkäufe würden schneller wachsen als die eigenen von Amazon. „Amazon Verkaufspartner legen ihre eigenen Produktpreise in unserem Store fest. Wir möchten, dass die Kund:innen, wann immer sie bei Amazon einkaufen, Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen vorfinden“, heißt es auf unsere Anfrage hin weiter. Das Unternehmen habe in Deutschland seit 2013 auf die Preisparität verzichtet. Man ermutige die Verkaufspartner, sich jederzeit an den Verkaufspartner-Support zu wenden.
Das zweite Verfahren betrifft das sogenannte Brandgating. Markenhersteller haben bei Amazon die Möglichkeit, den Verkauf entsprechender Produkte durch Dritthändler auf dem deutschen Marktplatz auszuschließen, wenn Amazon als Händler beliefert wird. Hier prüft das Bundeskartellamt, inwiefern es durch verschiedene Instrumente des Marktplatz-Betreibers zu möglichen Benachteiligungen von Dritthändlern kommen könnte. „Wir sind stets bestrebt, unseren Kund:innen die breiteste Produktauswahl anzubieten, während wir gleichzeitig enorme Ressourcen investieren, um ein vertrauensvolles Einkaufserlebnis zu bewahren, indem wir unseren Store vor unrechtmäßigen Waren schützen“, lässt der Amazon-Sprecher hierzu wissen. Verkaufsberechtigungen würden niemals ohne guten Grund verändert werden.
Marktübergreifende Bedeutung des Marktplatzes: Amazon hat Beschwerde eingelegt
„Amazons Betrieb des wichtigsten Handelsmarktplatzes im Bereich des E-Commerce räumt dem Unternehmen eine Schlüsselposition ein, die eine weitreichende Regelsetzungsmacht für den Wettbewerb auf der Plattform umfasst. Mit den neuen Befugnissen, die gerade auch eine solche Regelsetzungsmacht eingrenzen sollen, können wir wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen von Amazon effizienter aufgreifen als bisher“, kommentiert Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes die laufenden Verfahren. Im Juli 2022 hatte das Bundeskartellamt die überragende marktübergreifende Bedeutung Amazons für den Wettbewerb festgestellt, was Voraussetzung für die Anwendung des neuen § 19a GWB ist. Diese erlaubt der Behörde ein früheres und effektiveres Eingreifen, besonders im Hinblick auf Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Auch bei Alphabet/Google und Meta/Facebook hat das Amt diese Einordnung vorgenommen.
Gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes bezüglich Amazon hat das Unternehmen allerdings bereits Beschwerde eingelegt. Man stimme der Auslegung dieser komplexen neuen Gesetzgebung durch das Bundeskartellamt nicht zu, teilt der Amazon-Sprecher der Redaktion mit. „Der Einzelhandelsmarkt, in dem Amazon tätig ist, ist sehr groß und ausgesprochen wettbewerbsintensiv, online wie offline“, heißt es weiter. Man kooperiere in diesem Verfahren weiterhin mit der Behörde. Entscheiden wird über die Beschwerde der Bundesgerichtshof. Bis dahin bleibt die Feststellung vorläufig vollstreckbar und die Prüfung, auf Basis der neuen Vorschrift im GWB, also vorerst möglich.
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Normalerweise langt das Bundeskartellam t bei den Strafen kräftig zu. Amazon würde es sicher wehtun, wenn man mal 400 Millionen Euro Bußgeld aufdrücken würde. Mir ist das ein Rätsel, warum das Verfahren seit über 6 Monate dauert.
Amazon selbst hat viele Gebühren aufgrund der Inflation erhöht, verwendet aber als Referenzpreise teils Stände aus 2019 - 2020, wo eben viele Artikel deutlich günstiger waren als heute (sei es im Einkauf oder Verkauf).
Amazon verdient bei den meisten Artikeln 15 % mit, das ist gewaltig hoch, zumal es auch noch vom Bruttopreis abgezogen wird, die MWSt dafür zahlt im Prinzip der Händler mit seiner Marge.
Den Erfolg hat amazon insbesondere den Händlern zu verdanken. Dank den hohen Gebühren, die auch kaum versteuert werden müssen, hat das Unternehmen hohe liquide Mittel und kann investieren. Als Dankeschön gibt es dann willkürliche Angebots- oder Kontensperrunge n.
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Allein die Nötigung, dass man den Kunden Artikel kostenlos überlassen soll. Dass man defekte Ware auch zurücknehmen hat, da man es sonst durch einen A-Z Garantieanfall veranlassen würde, was sonst auch zu einer Sperre führen kann.
Bei nicht trackbaren Sendungen gibt Amazon den Status pauschal raus, dass die Ware sich verspätet oder gar verloren gegangen ist, obwohl die Sendung tatsächlich angekommen ist!!! Natürlich denken sich viele Kunden dann, dass die dies ausnutzen können.
Letztens hatten wir eine Kundin, die nachweislich betrogen hat. Wir haben die Kundin nur auf die Rechtsfolgen hingewiesen und wurden prompt mit einem Ausschluss verwarnt.
Wenn man bei Amazon verkauft, lebt man täglich mit der Angst...
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