„Kinderfotos gehören nicht ins Netz“ – diese einfache Botschaft verbreitet aktuell auch das Bundeskriminalamt. Nachdem ich mich selbst in einer vergangenen Kolumne mit dem Thema auseinandergesetzt habe, möchte ich nun auf ein anderes, gleich geartetes Problem eingehen: den offenbar unwiderstehlichen Drang, die eigenen Kinder im Netz bloßzustellen.
„Haha, und unser Kind leckt gern an der Klobürste 🤣“
„Was? Seine Kinder bloßstellen? In den unbegrenzten Weiten des Internets? Nee, das geht ja gar nicht! Aber – so ein öffentlicher Erfahrungsaustausch ist schon wichtig. Immerhin soll doch mal dargestellt werden, wie das Leben mit Kindern wirklich ist!“ – So oder so ähnlich könnte die Rechtfertigung eines Elternteils, einer Hebamme oder eines Elternblogs sein, wenn es darum geht, pikante Details seiner Kinder öffentlich zu machen.
Man braucht nur mal auf die entsprechenden Social-Media-Seiten zu schauen. Egal, ob auf Twitter, Instagram oder Facebook: Macht ein Elternteil den Anfang, dauert es nicht lange, bis auch andere ihre echten Alltagserfahrungen mit dem Nachwuchs teilen. Ausgelaufene Windeln, das Grundschuldkind, welchem nachts noch manchmal ein Unfall passiert, Durchfall bis unter die Achseln, eine halb zerkaute Nacktschnecke, das Ablecken der Klobürste – hin und wieder wird das ganze dann auch noch mit Bildern belegt. So zeigt man wenigstens, dass die Eltern nicht allein mit ihren Erlebnissen sind. Und hey – so ein bisschen unterhaltsam ist es doch auch, übers eigene Kind herzuziehen, oder … ODER?!
Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre
Als mich neulich die Erzieherin meines Sohnes in Anwesenheit anderer Kinder und einer anderen Mutter auf ein Detail ansprach, welches unsere Privatsphäre betraf, fand ich das jedenfalls alles andere als unterhaltsam. Mein Sohn hat ein Recht auf Privatsphäre. Er hat ein Recht auf einen Schutzraum. Und es ist meine Aufgabe, ihm diesen Schutzraum zu geben. Es ist meine Aufgabe, über seine Rechte zu wachen – und das bedeutet eben, dass ich nicht über, sondern für ihn – also in seinem Sinne – entscheide.
Es dürfte womöglich nicht im Sinne von Kindern sein, pikante Details aus dem Privatleben öffentlich zu teilen. Am Ende des Tages weiß nämlich niemand, was mit diesen Informationen passiert.
Das BKA vermittelt in seinem aktuellen Appell einen Einblick und warnt beispielsweise davor, dass zweckentfremdete Kinderbilder zu Mobbing in der Schule führen können. Das trifft natürlich auch auf solche Geschichten zu. Und nein, es kann nicht sichergestellt werden, dass diese privaten Details nicht am Ende doch im Klassenzimmer landen.
Letztlich sollte jeder das Gedankenexperiment wagen: Stellt euch vor, ihr seid alt oder krank, und eure Kinder schreien solche pikanten Details von euch in die Welt hinaus. Irgendwie unangenehm, oder?
Allgemeines Persönlichkeitsrecht von Kindern
Natürlich ist es wichtig, darüber zu informieren, wie das Leben mit Kindern aussehen kann. Allerdings sollten diese Informationen irgendwo auch sachlich transportiert werden und nicht in einer Lästerattacke ausarten.
Neben der moralischen Komponente gibt es natürlich noch die rechtliche Seite: Wir sind von Geburt an mit Grundrechten ausgestattet. Dazu gehört auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. In dieses Recht wird eingegriffen, sobald Bilder und Geschichten veröffentlicht werden. Zwar sind Kinder in der Regel bis etwa zum Teenageralter nicht grundrechtsmündig, allerdings bedeutet das nicht, dass munter in ihre Rechte eingegriffen werden kann. Sorgeberechtigte müssen hier abwägen: Zwischen ihrem Interesse, Likes zu generieren und dem eigenen Geltungsdrang nachzugeben (was ebenfalls Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Eltern ist) – oder eben dem Recht des Kindes.
Ich finde ja, dass das Ergebnis der Abwägung hier doch sehr klar ist.
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