Dass Tiere laut Gesetz eine Sache sind, ja, das ist nun wirklich kein Fakt mehr, mit dem Tierliebhaber heutzutage noch geschockt werden können. Wobei diese Aussage eigentlich nicht korrekt ist: Tiere sind keine Sachen. Sie werden lediglich in aller Regel in den Augen des Gesetzes wie Sachen behandelt. Das macht sie aber noch nicht zu Sachen.
Bei aller Spitzfindigkeit wirft dieser Fakt dennoch die Frage auf, wie es um die Sachmängelhaftung beim lieben Vieh bestellt ist.
Wer sich über so was Gedanken macht, sind vor allem Jurastudierende. Schon als das Thema in der Redaktion vorgeschlagen wurde, hatte das eine oder andere Mitglied der juristischen Redaktion ein nervöses Zucken unter den Augen. Mangelhafte Tiere sind im Studium nämlich ein beliebtes Thema. Auffallend oft geht es dabei um Pferde, sehr teure Pferde, was daran liegen mag, dass die Eigentümer solcher Tiere möglicherweise auch die finanziellen Mittel haben, sich notfalls bis vor den Bundesgerichtshof zu klagen.
Als ich mein Jurastudium begann, klärte mich jedenfalls niemand darüber auf, dass ich nebenbei eine unfreiwillige Ausbildung zur Amateur-Pferdekundigen absolviere. Entsprechend zu der schon beinahe penetranten Häufigkeit, mit der das Thema in der Ausbildung vorkam, sollte man sich beim Lesen dieses Artikels hin und wieder ein Augenzwinkern dazu denken.
Unsere kleine B-Ware
Zunächst eine kleine Anekdote aus meiner persönlichen Haustiererfahrung. Wir selbst haben vor einigen Jahren eine Hündin aus dem Tierschutz adoptiert. Es handelt sich dabei um eine Straßenhündin, die einen bunten Mix verschiedenster Rassen darstellen dürfte.
Das findet sicherlich nicht jeder ästhetisch; ich selbst mag es aber, dass ihre Ohren offenbar noch nicht wussten, dass der Rest vom Körper bereits fertig ist mit wachsen und entsprechend unproportional groß sind. Der Rassemix stellt natürlich noch keinen Mangel dar. Immerhin haben wir sie genauso ausgesucht.
Allerdings kann man eine Sache schon als Mangel verbuchen: Als wir sie im Tierheim abholten, versicherte man uns, dass es sich bei ihr um eine ganz besonders intelligente Hündin handeln würde. Wir sollten sogar die Wohnungstür nachts abschließen. Immerhin könne sie Klinken öffnen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ihre Intelligenz verheimlicht sie seit vielen Jahren sehr erfolgreich vor uns. Wenn wir aber mal ehrlich sind: Selbst, wenn sich aus dem Versprechen des Tierheimes irgendwelche Gewährleistungsansprüche herleiten lassen würden – Lahja ist schon richtig, wie sie ist. Sie ist eben unsere kleine B-Ware.
Was soll eigentlich die Überschrift?
„Hilfe, mein Hund ist eine Katze“ klingt erst mal nach Clickbait, hat aber doch tatsächlich einen fachlichen Hintergrund. Wenn ein Produkt erworben wird, dann wird in der Regel eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart. Handelt es sich um Neuware, so darf die Kundschaft davon ausgehen, dass die Ware noch nicht benutzt wurde. Wird jetzt beispielsweise ein als Neuware verkauftes Tablet geliefert und weist deutliche Gebrauchsspuren auf, so handelt es sich um ein mangelhaftes Tablet.
Wir bringen also zum Ausdruck, dass die Sache, über die wir eine Vereinbarung getroffen haben, einen Mangel hat. Etwas verrückter wird es bei der Falschlieferung: Wird ein anderes Produkt geliefert, als bestellt, handelt es sich ebenfalls um einen Fall für das Gewährleistungsrecht. Bekomme ich einen Eierkocher, statt des Tablets, handelt es sich zugespitzt bei dem Eierkocher um ein mangelhaftes Tablet, weil ich nun einmal verdeutlichen möchte, dass ursprünglich ein Tablet vereinbart war. Bekomme ich nun statt des bestellten Hundes, eine Katze, ist die Katze daher ein mangelhafter Hund, was wiederum bedeutet, dass mein Hund halt eine Katze ist. Alles klar soweit?
Tiere haben keinen Idealzustand
Da Tiere wie Sachen behandelt werden und damit beim Kauf dem Gewährleistungsrecht unterliegen, stellt sich natürlich die Frage, ab wann ein Tier denn überhaupt einen Mangel hat. Ein Mangel liegt dann vor, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vorliegt. Wurde keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart, dann kommt es darauf an, für welchen Zweck das Tier erworben wurde oder ob es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet.
Was ist aber, wenn bei einer tierärztlichen Untersuchung festgestellt wird, dass das Tier von der „physiologischen Norm“ abweicht? Hier hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass Tiere ein Naturprodukt sind und daher eine Abweichung von einem bilderbuchhaften Idealzustand nicht gleich ein Sachmangel ist.
In dem Fall ging es um ein Pferd, bei dem ein Röntgenbefund am rechten Facettengelenk festgestellt wurde. Dieser Befund wirkte sich allerdings nicht auf die Rittigkeit des Pferdes aus. Auch eine künftige Einschränkung war eher unwahrscheinlich. Daher wurde der Befund nicht als Sachmangel eingestuft (BGH, Urteil vom 18.10.2017, Az: VIII ZR 32/16).
Ob ein tierärztlicher Befund den Weg ins Gewährleistungsrecht öffnet, hängt also von den Folgen ab.
Ein Pferd ist kein Auto
Was ist aber, wenn ein Pferd schon einmal eine Verletzung hatte? Bei einem Auto muss schließlich auch angegeben werden, ob dieses schon einmal einen Unfallschaden hatte. Handelt es sich um ein Unfallfahrzeug und wird dieser Umstand vom Verkäufer verschwiegen, hat die Kundschaft das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.
Bei Pferden, oder eben ganz allgemein, bei Tieren, sieht das aber anders aus. Zwar produziert auch das liebe Vieh oftmals strenge Gerüche, allerdings steht es in aller Regel nun mal nicht auf vier Rädern. Hatte ein Tier schon einmal eine Verletzung, beispielsweise einen Rippenbruch, und ist dieser vollständig verheilt, so muss dieser Umstand beim Verkauf nicht offengelegt werden (BGH, Urteil vom 30.10.2019, Az: VIII ZR 69/18).
Für diese Umstände müssen Verkäufer und Verkäuferinnen haften
Neben den zwei genannten Urteilen gibt es noch eine ganze Reihe an Rechtsprechungen zum Thema. Entsprechend ist mittlerweile recht klar, ab wann bei Tieren ein Sachmangel vorliegt und wie es mit der Haftung von Händlern aussieht.
Gehen wir zunächst davon aus, dass ein „neues“, gesundes Tier verkauft wird. In so einem Fall muss die Verkäuferschaft dafür einstehen, dass das Tier auch tatsächlich gesund ist. Erkrankt es kurz nach der Übergabe, so liegt der Verdacht nahe, dass die Ursache der Krankheit bereits zum Zeitpunkt des Verkaufs bestand und damit ebenfalls ein Sachmangel vorliegt. Ein Sachmangel liegt außerdem vor, wenn sich das Tier nicht für die bestimmte Verwendung eignet.
Wird beispielsweise eine Hündin zu reinen Zuchtzwecken veräußert und fehlt dieser die Gebärmutter, stellt dies einen Mangel dar. Wird die gleiche Hündin allerdings als „normaler“ Familienhund ohne besondere Verwendung verkauft, so stellt das Fehlen der Gebärmutter nicht unbedingt einen Mangel dar. Bei einem Pferd wird es regelmäßig darauf ankommen, ob die körperliche Beschaffenheit für den Zweck geschaffen ist. Hat ein Reitpferd Rückenprobleme, und kann deswegen nicht oder nur eingeschränkt beritten werden, so ist das für gewöhnlich auch ein Mangel.
Schwierig wird es dann, wenn es um das Wesen oder die Intelligenz des Tieres geht. So müssen Assistenzhunde ein bestimmtes Gemüt und eine hohe Lernbereitschaft haben. Selbst, wenn die Elternhunde beide die Idealvoraussetzungen erfüllen, heißt das noch lange nicht, dass die Welpen ebenfalls alle Kriterien erfüllen. Hier muss schlicht im Einzelfall geschaut werden, was konkret zwischen Züchtern und Käufern vereinbart wurde.
Wann sind Tiere eigentlich gebraucht?
Eine Frage, die sich im Gewährleistungsrecht aufdrängt, ist die Frage nach dem Zustand. Ist eine Sache bereits gebraucht, so darf die Haftungsfrist für Sachmängel nämlich von zwei Jahren auf eines verkürzt werden.
Bei Sachen wird einfach davon ausgegangen, dass diese gebraucht sind, wenn sie bereits einmal verwendet wurden. Tiere werden – je nachdem, welche Sichtweise man einnimmt – ständig oder nie benutzt. Ist ein Pferd, welches einmal beritten wurde, bereits gebraucht? Und wie schaut es mit dem Hund aus, der jeden Tag durch den Garten tobt? Und der Papagei, der das erste Wort nachplappert? Irgendwie ist alles nicht so einfach, und genau das ist übersetzt auch die Quintessenz des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 09.10.2019, Az. VIII ZR 240/18) zu dem Thema.
Laut BGH gebraucht sich ein Tier ständig selbst, da es lebt und sich bewegt. Dadurch steigt auch das Sachmängelrisiko ständig. Allerdings ist ein Tier nicht schon bei seinem ersten Schritt gebraucht. Wir erinnern uns: Ein Tier ist kein Auto, welches beim Verlassen des Hofes quasi schon nichts mehr wert ist.
Es lässt sich auch keine Altersgrenze festmachen, ab der ein Tier nicht mehr neu ist. Vielmehr kommt es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an. So ist es relevant, wie das Tier in seiner bisherigen Lebenszeit gehalten wurde. Eine nicht artgerechte Haltung, falsche Fütterung und fehlerhafte tierärztliche Behandlung können das Sachmangelrisiko erhöhen, was dazu führt, dass so ein Tier als „gebraucht“ eingestuft werden kann, was wiederum zu einer kürzeren Gewährleistung führt.
Nacherfüllung, Neulieferung oder gleich Rücktritt?
Wie läuft das eigentlich mit den Gewährleistungsrechten bei Tieren? Laut Gesetz gilt schließlich das Recht der zweiten Andienung, soll heißen: Bevor die Kundschaft wegen eines Mangels vom Vertrag zurücktreten darf, muss die Verkäuferschaft die Gelegenheit zur zweiten Chance eingeräumt werden. Hier haben Käufer die Wahl, ob sie vom Verkäufer die Nacherfüllung oder Neulieferung fordern.
Eine Nacherfüllung ist nun aber nur in ganz bestimmten Fällen möglich. Wird beispielsweise angegeben, dass die erworbene Katze bereits kastriert ist und stellt sich dann heraus, dass das nicht der Fall ist, kann der Eingriff nachgeholt werden. Anders sieht es natürlich aus, wenn ein Pferd aufgrund einer Verletzung einfach nicht als Reittier taugt. Eine „Reparatur“ scheidet hier aus. Aber wie sieht es mit einer Neulieferung aus? Nun, ein Haustier ist in der Regel keine Massenware, sondern wird individuell ausgesucht. Dabei spielen viele Faktoren, wie etwa Fellfarbe, Wesen oder auch der „Schau mal wie lieb es schaut!“-Faktor eine große Rolle. Tiere sind in aller Regel individuelle Produkte. Folglich kommt auch eher selten eine Neulieferung infrage. In aller Regel darf also direkt vom Kaufvertrag zurückgetreten werden.
Etwas anders sieht die Lage aus, wenn es beim Kaufvertrag gar nicht um das individuelle Tier geht. Jemanden, der zwanzig Hennen für die Eierproduktion erwirbt, geht es hauptsächlich um die Fähigkeit, dass die Tiere Eier legen können. Stellt sich heraus, dass einzelne Tiere dazu nicht in der Lage sind, so können diese Mängel in der Tat durch eine Ersatzlieferung beseitigt werden.
Ersatz von Behandlungskosten
Oftmals geht es bei mangelhaften Tieren aber gar nicht um Nacherfüllung oder gar eine Neulieferung. Gerade Haustiere kuscheln, schnurren oder spielen sich schnell in die Herzen der Herrchen und Frauchen, sodass an eine Abgabe nicht zu denken ist.
Wird ein Tier aufgrund eines Mangels nach der Übergabe krank, so gilt aber dennoch, dass zunächst die Verkäuferschaft das Recht zur Nacherfüllung hat. Es muss also zunächst die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Verkäufer mit dem Tier zum Tierarzt kann. Oftmals ist das aber nicht zumutbar. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine sofortige tierärztliche Behandlung notwendig wird. In so einem Fall darf die Käuferschaft direkt mit dem Tier zum Arzt und kann die entstandenen Kosten im Wege des Schadensersatzes beim Verkäufer geltend machen.
Fazit: Tiere sind Sachen, aber anders
Beim Gewährleistungsrecht haben Tiere schon eine gewisse Sonderstellung: Sie haben als Naturprodukt keinen Idealzustand, wodurch nicht jeder „Kratzer im Lack“ gleich einen Mangel darstellt. Auch die Frage, ab wann ein Tier nicht mehr neu ist, ist aufgrund der Lebendigkeit nicht einfach zu beantworten.
Letzten Endes kommt es also gerade bei Tieren immer auf den Einzelfall – und auch auf die Käuferschaft – an. Uns ist es unterm Strich jedenfalls herzlich egal, dass unsere Hündin nicht die versprochene, überragende Intelligenz besitzt, mit der sie im Tierheim angepriesen wurde.
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