In unserer neuen Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbraucher:innen, Kund:innen und Arbeitnehmer:innen unter die Lupe.

 

In dieser Woche geht es um folgenden Fall: Vor dem verlängerten Wochenende um den 1. Mai herum kaufte eine Kundin ein E-Book. Es war jedoch so, dass die Kundin das Buch nicht nur versehentlich gekauft hatte oder sie sich etwas anderes unter dem Inhalt vorgestellt hatte, sondern sie war so dreist, das Buch zu lesen und nun nach dem Wochenende ihre Bestellung widerrufen hat. Sie wurde bei der Bestellung in einem Hinweisfenster des Shops auf den Ausschluss des Widerrufs hingewiesen, der wie folgt lautete: „Ich stimme der Ausführung des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich zu. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass das Widerrufsrecht mit Beginn der Ausführung des Vertrages erlischt.“ Ihr Ehemann, angeblich ein Rechtsanwalt, habe ihr zu einem Widerruf geraten. Ist das dreist, oder kennt der Ehemann eine Gesetzeslücke?

Widerrufsrecht?! Es kommt darauf an!

Überlegt es sich die Kundschaft direkt nach dem Online-Kauf von Download-Software, E-Books oder Musikdateien anders, hat sie ein gesetzliches Widerrufsrecht. Daten, die ausschließlich in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden (z. B. Software, Apps, Spiele, Musik, Videos, virtuelles Spielgeld oder E-Books) sind als digitale Inhalte ebenfalls vom gesetzlichen Widerrufsrecht umfasst. Das ist zunächst einmal der Ausgangspunkt, von dem das Gesetz ausgeht.

Führt man demzufolge den Download eines E-Books vollständig durch, kann danach noch immer der Widerruf erklärt werden. Noch nicht einmal eine Pflicht, einen Wertersatz zu leisten, besteht. Damit hatte der Ehemann schon mal halb recht, denn grundsätzlich gibt es ja auch ein Widerrufsrecht für den digitalen Bestseller. 

Option: Widerrufsrecht zu Fall bringen

Aber für den Online-Handel hat das Gesetz einen klugen Winkelzug vorgesehen, und es gibt die Möglichkeit, dem Widerrufsrecht zu entgehen. Der Online-Handel darf das Widerrufsrecht gegenüber der Kundschaft vorzeitig zum Erlöschen bringen. Dazu sind jedoch folgende Voraussetzungen zu befolgen: Im Shop, idealerweise im Checkout, muss die ausdrückliche Zustimmung eingeholt werden, dass mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen werden darf. 

Hierzu muss man sich insbesondere bestätigen lassen, dass die Kundschaft dadurch bewusst auf das Widerrufsrecht verzichtet. Bestätigen heißt in dem Zusammenhang jedoch eine aktive Handlung, etwa durch eine Opt-In-Box, mit der das Vorgenannte aktiv ausgewählt wird. Und genau hier lag der Knackpunkt. Das war im Shop so nicht umgesetzt, denn es fand sich lediglich ein Hinweistext im Bestellablauf (s.o.)

Folgen bei Nichteinhaltung

Ist eine aktive Bestätigung nicht erfolgt, wird der Shop die vorherige Zustimmung nur schwer beweisen können. In einem solchen Fall verbleibt es bei der regulären Widerrufsfrist. Verbraucher:innen könnten die digitalen Inhalte wie E-Books auf einem nicht körperlichen Datenträger erwerben und nach vollständigem Download trotzdem ein Widerrufsrecht ausüben.

Fazit

Die Dame hat sich hier zwar gesetzeskonform verhalten, war jedoch moralisch gesehen recht dreist unterwegs.