Die Zahl der Abmahnungen wegen der unberechtigten Verwendung von Google Fonts liegt offenbar im sechsstelligen Bereich, es müssen also mindestens 100.000 (!) Schreiben gewesen sein, heißt es jüngst in einem Urteil. Die Richter betonten aber mehrfach, dass sie die Zahl für zu tief gegriffen halten, zumal noch zwei weitere Abmahner das Geschäftsmodell Google Fonts-Abmahnungen für sich entdeckt haben.
Selbst wenn nur ein kleiner Prozentsatz dieser Angeschriebenen den geforderten Betrag, zwischen 100 und 240 Euro bezahlt hat, ist die eingenommene Gesamtsumme im Vergleich zum Aufwand nicht unerheblich und der Streuschaden beachtlich. Spätestens das große Medienecho löste eine Frage auf: Geht es hier wirklich um einen Datenschutzverstoß oder durch nur ums schnelle Geld?
Erstes Urteil: Es war Rechtsmissbrauch
Der Verdacht eines Rechtsmissbrauchs steht bei Abmahnungen immer dann im Raum, wenn massenhaft dieser Schreiben verschickt werden. Und von den Google Fonts-Schreiben gab es nun mehr als offensichtlich etliche. Wenn im Vordergrund nicht wie im Falle von Google Fonts der Datenschutz, sondern die Zahlungen stehen, könnte tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegen, wobei die massenhafte Versendung für sich genommen noch keinen Rechtsmissbrauch begründet.
Rechtsanwältin Katharina Däberitz bestätigte uns Ende letzten Jahres auch den Verdacht: „Wenn solche Briefe nur verschickt werden, um am Ende Geld zu kassieren, könnte tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegen“. Ein Gericht bestätigte dies nun aber in amtlicher Weise: Die Abmahnung war (zumindest für den konkret entschiedenen Fall) zwar begründet, aber rechtsmissbräuchlich. Es bestand schon gar kein Anspruch des Abmahners, urteilte ein anderes Gericht, denn der Abmahner hatte den Datenschutzverstoß provoziert, indem er beispielsweise Webcrawler einsetzte. Zur Frage des Rechtsmissbrauchs musste man daher gar nicht mehr entscheiden. Hinzu kommt ungeachtet der zivilrechtlichen Seite eine strafrechtliche Komponente, denn gegen einen der Abmahner und seinen Rechtsbeistand laufen strafrechtliche Ermittlungen.
Achtung vor Einzelfallentscheidungen
Generell ist eine Pauschalisierung aber auch bei den Google Fonts-Abmahnungen nicht möglich, denn es handelte sich zum einen um verschiedene Abmahnungen und zum anderen war auch mit den beiden Urteilen nicht per se jedes Schreiben im Einzelfall rechtsmissbräuchlich oder unbegründet.
Auch wenn es nicht so scheinen mag, muss jedes Schreiben für sich und auf den konkreten Fall hin geprüft werden. Entscheiden müsste das für jeden einzelnen Fall theoretisch und im Streitfall dann erneut ein Gericht. Insbesondere ist zu beachten, dass es im Zuge der Google Fonts-Abmahnungen auch im Wesentlichen zwei Abmahner gab, deren Vorgehen ein Gericht auch unterschiedlich beurteilen muss. So gibt es unseres Wissens zu den Abmahnungen der Kanzlei RAAG Dikigoros Nikolaos Kairis für seine Mandanten (unter anderem für Wang Yu) bisher keine, beziehungsweise keine veröffentlichten Gerichtsentscheidungen. Man kann im Falle der Google Fonts-Abmahnungen also doch nicht alles über einen Kamm scheren.
Kein Anspruch, kein Geld
Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen (hier: Unterlassung des Datenschutzverstoßes) und dazugehörigen Rechtsanwaltskosten ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist oder überhaupt kein Unterlassungsanspruch besteht (weil bereits der Verstoß gar nicht vorhanden ist).
Im Gegenteil: Im Fall der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen, wie es bei den Google Fonts-Schreiben nahe liegt, kann der Abgemahnte vom Abmahner sogar Ersatz der für seine eigene Verteidigung erforderlichen Aufwendungen (sprich: seine eigenen Rechtsanwaltskosten) fordern.
Recht haben und recht bekommen…
Allerdings haben die ergangenen Urteile zulasten der Abmahner natürlich zwar eine Indizwirkung und rechtliche Schritte für alle, die bereits gezahlt haben, sind durchaus denkbar und sollten mit dem jeweiligen Rechtsbeistand geprüft werden. Eine Garantie, dass ein möglicher Anspruch auf Rückzahlung aus rechtlicher Sicht durchgehen würde, gibt es nicht. Das Risiko der Durchsetzung, wenn man einmal etwas gezahlt hat und es zurückfordern möchte, liegt beim Abgemahnten, denn die Gegner werden das Geld nicht ohne Zwang zahlen.
Recht haben und recht bekommen stehen besonders hier nicht auf einem Blatt, denn gegen einen der Abmahner und seinen Rechtsbeistand gibt es strafrechtliche Ermittlungen. Ob von dem Geld überhaupt noch etwas übrig ist, dürften dann alsbald Polizei und Staatsanwaltschaft herausfinden.
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