In unserem vergangenen Abmahnmonitor hat eine Abmahnung besondere Fragen aufgeworfen: Es geht um eine Abmahnung, die Rechtsanwalt Sandhage im Namen eines Mandanten ausgesprochen hat. Moniert wurde, dass ein Angebot über ein Lego-Set auf Ebay mit dem typischen „Nicht für Kinder unter 3 Jahren“-Warnhinweis versehen war, der Hinweis sei unnötig. Die Abmahnung begründete Sandhage mit dem Produktsicherheitsgesetz. Dort heißt es, dass der Hinweis nicht verwendet werden darf, wenn er dem beabsichtigten Gebrauch des Spielzeugs aufgrund seiner Funktionen, Abmessungen und Eigenschaften widerspricht.
Aber: Haut das so hin? Immerhin können Lego-Sets für ältere Kinder grundsätzlich auch für Kleinkinder interessant sein. Schauen wir uns die Sache mal genauer an.
In aller Kürze:
- Warnhinweise dürfen dann nicht verwendet werden, wenn diese dem beabsichtigten Gebrauch des Spielzeugs widersprechen
- Der Hinweis „Nicht für Kinder unter drei Jahre“ darf nicht bei Spielzeug verwendet werden, wenn dieses für diese Altersgruppe gedacht ist
- Die genannte Warnung darf auch dann nicht verwendet werden, wenn das Spielzeug ganz offensichtlich nicht für Kinder unter drei Jahre bestimmt ist
Das steht im Gesetz
Erst mal: Ja, in § 11 Absatz 1 der zweiten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz steht tatsächlich, dass Warnhinweise generell nicht an Produkten verwendet werden dürfen, die dem beabsichtigten Gebrauch des Spielzeugs widersprechen. Ganz schön kryptisch, oder? Also stellt sich doch die Frage: Ab wann steht der Warnhinweis denn im Widerspruch zum Gebrauch des Spielzeugs? Das ist auslegungsbedürftig – und auch ziemlich abstrakt.
Deswegen haben wir uns für diesen Artikel mal ein Urteil des OLG Dresden (22.06.2021, Az: 14 U 2212/20) angeschaut. Dieses hatte sich nämlich mit der Frage beschäftigt, ob der Hinweis notwendig ist, wenn es sich bei dem Produkt um ein 3D-Puzzle handelt, aus dem, wenn man die 108 Teile korrekt zusammengesetzt hat, ein Porsche wird, der sogar fahren kann.
Hier war es zwar so, dass das Fehlen des Warnhinweises abgemahnt wurde, dennoch finden sich in dem Urteil viele wertvolle Erkenntnisse zum Thema Produktsicherheit, die auch auf die Sandhage-Abmahnung angewendet werden können.
Was ist denn der Sinn der Regelung?
Zunächst hatte sich das Gericht die Frage gestellt, welchen Sinn zum einen die Warnhinweise haben und zum zweiten, welcher Zweck mit der Einschränkung der Verwendung verfolgt wird. Zum ersten: Der Sinn von Warnhinweisen besteht darin, dass Aufsichtspersonen wissen, dass von einem bestimmten Spielzeug eine Gefahr für ein Kind unter drei Jahren ausgehen kann. Zum Zweiten: Hersteller:innen sollen durch die Verwendung der Warnung keine Pflichten umgehen können. So müssen Produkte, die für Kinder unter drei Jahren geeignet sind, bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese Anforderungen sollen nicht umgangen werden können, indem einfach der Warnhinweis draufgekleistert wird. Deswegen soll ein Spielzeug, was grundsätzlich für Kinder unter drei Jahre geeignet ist, den Warnhinweis nicht tragen.
Die Absicht des Gesetzes besteht laut OLG Dresden gerade nicht darin, eine inflationäre Verwendung von Warnhinweisen zu verhindern. Vielmehr geht es bei den ganzen Vorschriften um Warnhinweise gerade darum, dass Spielzeuge, die – unabhängig davon, ob sie für diese vorgesehen sind oder nicht – den Hinweis tragen sollen, wenn sie eine Gefährdung für Kinder unter drei Jahren darstellen. Dass manche Spielzeuge den Hinweis nicht tragen dürfen, ist eine Ausnahme – und soll entsprechend ganz streng angewendet werden.
Und wann gilt nun die Ausnahme?
Zunächst hat das OLG Dresden festgestellt, in welchen Fällen kein Warnhinweis erfolgen darf. Dabei wurde eine zweistufige Prüfung vorgenommen.
Stufe 1: Spielzeug ist für Kinder unter drei Jahren gedacht
Klar: Wenn mit dem Hinweis keine Pflichten umgangen werden sollen, ist es nur logisch, dass ein Spielzeug, welches sich an Kinder unter drei Jahren richtet, keinen Warnhinweis tragen darf.
Ob das 3D-Puzzle für solche Kinder geeignet ist, hat das OLG dabei an den typischen Fähigkeiten für Kleinkinder festgemacht. Da die motorischen und auch die kognitiven Fähigkeiten zum Zusammensetzen eines Puzzles mit über einhundert Teilen bei so kleinen Kindern in der Regel fehlen dürften, ist das Produkt nicht für Kleinkinder gedacht.
Stufe 2: Offensichtlich nicht für diese Kinder gedacht
Es reicht für die Warnhinweispflicht aber nicht aus, dass das Spielzeug nicht für so junge Kinder geeignet ist. So dürfte auf den Warnhinweis verzichtet werden, wenn das Spielzeug ganz offensichtlich nicht für Kinder unter drei Jahren bestimmt sein kann. Diese Ausnahme spielt auf den zweiten Sinn und Zweck der Regelung an: Es geht darum, die Aufsichtspersonen vor möglichen Gefahren zu warnen. Ist für diese erkennbar, dass das Spielzeug offensichtlich nicht für Kinder unter drei Jahren bestimmt ist, kann auf den Hinweis verzichtet werden.
Zwar ist es kaum möglich, dass ein so kleines Kind das Puzzle selbst zusammensetzt; allerdings kann der 3D-Porsche nach dem Zusammensetzen bespielt werden. Das Puzzle verfügt nun einmal über Räder und kann wie ein Spielzeugauto bewegt werden. Das wiederum ist durchaus spannend für Kinder unter drei Jahren. Damit ist es, nach Ansicht des OLG Dresden, eben nicht von vornherein offensichtlich, dass das Puzzle sich nicht für die Kleinen eignet. Somit scheidet diese Ausnahme aus und der Warnhinweis ist erforderlich.
Im Übrigen ist es dem OLG zufolge auch irrelevant, ob es sich laut Herstellerangaben um ein „Erwachsenenpuzzle“ handelt oder irgendeine andere Altersangabe gemacht wurde. Ausschlaggebend ist lediglich die Perspektive von Menschen, die typischerweise Kinder beaufsichtigen.
Ähnlichkeiten zu Lego-Sets
Wir erinnern uns: Sandhage mahnt nicht etwa das Fehlen des Warnhinweises ab, sondern dessen Verwendung. Es ging auch nicht um ein Puzzle, sondern ein Lego-Set, welches laut Herstellerangaben für Kinder ab 8 Jahren gedacht ist, so unterschiedlich sind die Fälle aber dennoch nicht. Auch ein Lego-Set ab beispielsweise acht Jahren kann vermutlich nicht erfolgreich durch ein unter dreijähriges Kind zusammengesetzt werden. Ist es einmal zusammengesetzt, kann ein kleines Kind aber gut damit spielen. Immerhin ist das Spiel mit Menschen- und Tierfiguren für dieses Alter bereits eine übliche Beschäftigung. Beim Spielen können natürlich einzelne oder zusammenhängende Bausteine abfallen, die dann ein Risiko (beispielsweise Erstickungsgefahr) darstellen. Auf dieses Risiko sollten Aufsichtspersonen idealerweise durch den „Nicht für Kinder unter drei Jahre“-Warnhinweis aufmerksam gemacht werden.
Meinungsbetontes Fazit
Für Aufsichtspersonen ist also nicht unbedingt ersichtlich, dass diese Lego-Sets fertig zusammengebaut offensichtlich nicht für so junge Kinder geeignet sind. Der Warnhinweis ist – wenn man sich an der durchaus überzeugenden Argumentation des OLG Dresdens orientiert – also durchaus notwendig.
Natürlich handelt es sich bei dem hier aufgenommenen Urteil lediglich um eines. Wie die einzelnen Fälle bezüglich der Abmahnungen von Sandhage zu dem Thema ausgehen, wird sich noch zeigen. Dass sich hier aber ohne großen Begründungsaufwand einfach nur auf den Wortlaut des Gesetzes und Altersangaben des Herstellers gestützt wird, ist erst einmal wenig überzeugend.
Kommentar schreiben
Antworten
Wie verhält es sich denn mit dem Aufdruck auf Tüten, dementsorechend ja abmahngefährdet , denn eine Tüte ist kein Spielzeug und per se nicht dafür gedacht, sie sich aufs Gesicht zu drücken ...
Ihre Antwort schreiben
Antworten
Ihre Antwort schreiben