Weil Paketzusteller:innen genau um die Zeit arbeiten, in der dies auch viele anderen Menschen tun und demnach oft nicht zu Hause sind, können massenhaft Pakete nicht zugestellt werden. Sind keine Nachbar:innen oder anderweitige Abstellmöglichkeiten vorhanden, geht das Paket auf eine weitere Reise und wird entweder in eine Filiale oder eine Packstation befördert, wo es zur individuellen Abholung bereitsteht. Wir wurden gefragt: Beginnt in solchen Fällen die Widerrufsfrist mit der planmäßigen Zustellung oder mit der tatsächlichen Übergabe an die bestellende Person?
Widerrufsfrist läuft erst mit Besitz
Viele Verantwortliche im E-Commerce unterliegen dem Irrtum, dass der fehlgeschlagene Zustellversuch die Widerrufsfrist trotzdem in Gang setzt. Dem ist aber laut dem Willen des Gesetzgebers nicht so: Die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren an einen Verbraucher oder eine Verbraucherin beginnt, sobald diese Person oder eine benannte Ersatzperson die Ware erhalten hat.
Viele Paketunternehmen oder Händler:innen berufen sich nun bei einer erfolglosen persönlichen Zustellung möglicherweise auf die Zustellung in der Nachbarschaft o. Ä. Die Ablieferung in einer Packstation, Postfiliale oder die Abgabe in der Nachbarschaft ist jedoch keine wirksame Zustellung, wenn sie nicht explizit vom Verbraucher verlangt wurde. In solchen Fällen wären der oder die Dritte auch nicht explizit als Zustelloption benannt. Bis der Kunde oder die Kundin die Sendung nicht in den Händen hält, also an der Packstation oder in der Filiale entgegengenommen hat, läuft auch keine Widerrufsfrist. Sie beginnt erst am Tag nach dem Empfang, also um 0:00 Uhr des Folgetages.
Anderslautende Klauseln in den AGB des Shops oder Transportdienstleisters sind unzulässig, da sie die Rechte der Verbraucher:innen beschneiden würden, denn sie würden ihnen so einen Teil der Widerrufsfrist von mindestens 14 Tagen nehmen.
Ausnahme: Zustellgenehmigungen
Anders sieht die Lage aus, wenn die Kundschaft sich bewusst für eine Lieferung an eine Wunschfiliale entscheidet, die Sendung manuell an eine Packstation umleiten lässt oder generell eine Abstellgenehmigung bzw. einen Garagenvertrag mit dem Paketunternehmen vereinbart hat. Dann beginnt mit der wunschgemäßen Zustellung am Folgetag die Widerrufsfrist.
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Aber was gilt (im u.g.Beispiel) bis Beginn Widerrufsfrist?
Beispiel:
Kunde lässt nach Hause liefern, obwohl er genau weiß, dass zur Zeit der Lieferung keiner zu Hause ist.
Paket wird in Postfiliale oder Packstation zur Abholung geliefert.
Paket wird nach Lagerungsfrist an Absender zurück gesendet, weil Kunde Paket nicht abgeholt hat.
(Verkäufer musste Hin und Rückversand an Paketdienst bezahlen.)
A) Kunde fordert kompletten Kaufpreis zurück, weil er Ware nicht erhalten hat.
1. Gilt eine Rückforderung des Kaufpreises als Widerruf?
2. Darf der Verkäufer dann die Retourekosten abziehen?
3. Oder hat der Verkäufer Anspruch auf Zahlung der kompletten zusätzlichen Kosten & auf Nachlieferung?
4. Falls ja, in welchen §§ steht das geschrieben?
B) Kunde antwortet gar nicht.
1. Wie lange darf Kunde Kauf widerrufen?
2. Wie lange muss Verkäufer die Ware aufbewahren? (Waren z.T. mit Verfallssdatum)
3. Darf Verkäufer vom Kauf zurücktreten und bei der Rückerstattung die zusätzlichen Kosten (Hin - und Rückversand) abziehen?
Das sind die Fälle, mit denen wir häufig zu tun haben.
Wäre gut, dahingehend einen Leitfaden zu haben.
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Antwort der Redaktion
Hallo Susanne,
im ersten Fall befindet sich die Kundschaft klar im Annahmeverzug. Auch Verbraucher haben Pflichten: In dem Fall die Pflicht zur Abnahme des Produktes. Die Kundschaft muss in dem Fall für die zusätzlich entstandenen Kosten inkl. des nochmaligen Versandes aufkommen (§§ 293, 304 BGB). Die Rückforderung des Kaufpreises darf allerdings als Widerruf verstanden werden. Wird das ganze so gedeutet, kommt es für die Kostentragung dann darauf an, was in der Widerrufsbelehr ung für den Rückversand geregelt ist. Übernimmt der Online-Shop die Kosten des Rückversandes, so wird er auf den Kosten Sitzen bleiben. Übernimmt diese die Kundschaft, so können die Kosten auf die Kundschaft abgewälzt werden, auch wenn diese die Kosten für einen normalen Rückversand übersteigen.
Zum zweiten Fall: Da die Widerrufsfrist mit Erhalt der Ware beginnt, kann die Kundschaft in jedemfall so lange widerrufen, wie die Ware beim Händler verbleibt. In der Theorie müsste das Produkt so lange aufbewahrt werden, bis die Sache verjährt ist. Eventuelle Lagerkosten können auf die Kundschaft abgewälzt werden. In der Praxis werden die meisten die Sache wohl einfach abhaken und den Auftrag (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) stornieren.
Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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Egal ob nacher die Sendung in einer Filiale oder PS befindet.
So wäre ja jetzt Betrug Türe und Tor geöffnet...
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Hallo Joachim,
vielen Dank für die Nachfrage, jedoch können wir nicht nachvollziehen, worauf du dich beziehst.
Eine erfolglose Zustellung setzt die Widerrufsfrist NICHT in Gang, sondern erst die Inbesitznahme. Alles andere würde Online-Händler: innen in die Karten spielen und sie könnten die Zustellung so lange hinauszögern, bis die Widerrufsfrist abgelaufen ist. Das ist seit gut 10 Jahren geltendes Recht.
Viele Grüße
Die Redaktion
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Laut dejure ist FernAbsG §3 welcher das bis 2002 regelte durch BGB §312c ff abgelöst und 312g Abs 1 bestimmt dass außerhalb der Geschäftsräume und im Fernabsatz das Widerrufsrecht nach BGB 355 gilt.
Auf welcher Basis gilt die Frist also erst ab Zustellung?
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Hallo Arno Nym,
Respekt, dass du dich so genau in die Thematik eingelesen hast. Allerdings hast du dabei die gesetzliche Muster-Widerruf sbelehrung sowie § 356 Absatz 2 BGB übersehen.
Die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren (Verbrauchsgüte rkauf) im Fernabsatz (z.B. Kauf über den Online-Shop) beginnt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Ware erhalten hat.
Viele Grüße
Die Redaktion
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