Ob ein Arbeitgebender dazu verpflichtet ist, eine Abmahnung aus der Personalakte zu löschen, ist rechtlich höchst umstritten. Dabei landen immer wieder Fälle vor deutschen Gerichten, in denen Arbeitnehmende nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Vor allem die Frage, ob ein Löschungsanspruch nach der DSGVO besteht, führt bei den Gerichten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach der jüngsten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg besteht sehr wohl ein Anspruch nach der DSGVO.
Azubi fordert Rücknahme der Anschuldigung
Zu beurteilen hatte das LAG Baden-Württemberg den Fall eines Ex-Azubis eines Fitnessstudios. Dieser hatte während seiner Beschäftigungszeit einen Eintrag in seine Personalakte erhalten, in dem er des Betruges beschuldigt wurde. Grund dafür sollen falsch angegebene Arbeitszeiten gewesen sein. Nach Beendigung der Ausbildung forderte der Ex-Azubi durch einen Anwalt die „Rücknahme der Anschuldigung“ aus der Personalakte und die Auskunft über die personenbezogenen Daten sowie die Übermittlung der Personalakte. Damit stieß er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber jedoch auf taube Ohren.
Mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht hatte der Mann keinen Erfolg. Das Gericht folgte der Argumentation des Arbeitgebers, der der Auffassung war, dass die DSGVO auf die Personalakte des Fitnessstudios gar keine Anwendung findet, da diese nur in Papierform und nicht etwa digital vorliegt.
Ist die Papierakte ein Dateisystem?
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 28. Juli 2023, Az. 9 Sa 73/21) kam nach der eingelegten Berufung allerdings zu einem ganz anderen Schluss. Das nach Artikel 2 der DSGVO geforderte „Dateisystem“ könne auch mit einer Papierakte gegeben sein. Schließlich sei ein Dateisystem jede strukturierte Datensammlung, die eben nicht nur digital sein müsse. Entscheidend sei vielmehr, dass die Akte gleichartig und anhand von bestimmten Kriterien aufgebaut sei. Eine Mindestanzahl von Akten gebe es jedenfalls nicht, um als Datei nach der DSGVO durchzugehen.
Somit hatte der ehemalige Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Löschung der Abmahnung aus der Personalakte. Nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg findet nicht nur die DSGVO Anwendung, sondern es handele sich bei einer Abmahnung auch um personenbezogenen Daten, die eine bestimmte Verhaltensweise aufzeigen und Arbeitnehmende vor einer möglichen Kündigung warnen sollen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfiele dieser Zweck, weshalb die Abmahnung aus der Personalakte auf Antrag zu löschen sei.
Anderslautende Rechtsprechung
Das LAG Baden-Württemberg schlug mit seinem Urteil nicht nur einen anderen Weg als die Vorinstanz ein, sondern argumentierte auch entgegen der Auffassung eines anderen Landesarbeitsgerichts. Das LAG Sachsen urteilte in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 31. März 2023, Az. 4 Sa 117/21), dass dem Kläger schon das Interesse an der Löschung fehle, da durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Erledigung eingetreten ist. Die Anwendung der DSGVO auf Papierakten sah das LAG Sachsen als nicht gegeben an.
Wann ein Anspruch auf die Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht, wird von den Gerichten also ganz unterschiedlich beurteilt. Vor allem die Frage nach der Anwendbarkeit der DSGVO auf die Papierakte ist höchst strittig.
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