Das Gewährleistungsrecht gehört zum Tagesgeschäft eines jeden Unternehmens. Dabei sind es oft immer wieder die gleichen Fragen, die auftauchen. In diesem Beitrag haben wir uns daher vor allem mit den einfachen Basics beschäftigt und erklären sie anhand von Beispielen.
Vorab: Was ist eigentlich dieses Gewährleistungsrecht?
Schließen zwei Parteien einen Kaufvertrag, so verspricht die eine der anderen, ein bestimmtes Produkt zu überlassen. Die andere Partei bezahlt den ausgemachten Kaufpreis. Dieser Kaufvertrag kommt im Online-Handel spätestens mit dem Versand der Ware zustande.
Was ist nun aber, wenn das Produkt eben nicht die Beschaffenheit aufweist, die vereinbart wurde? Oder anders gesagt: Was ist, wenn das Produkt nicht hält, was es verspricht? Dann spricht man in der Regel von einem Sachmangel und dieser ist die Voraussetzung für das Gewährleistungsrecht. Unter diesem Gewährleistungsrecht versteht man die Haftung von Verkäufer:innen für die Einhaltung von Verträgen. Die rechtliche Grundlage verfolgt also zum einen den Zweck, das vertragliche Ziel zu erreichen, und zum anderen, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen.
Transportschaden: Wenn das Geschirr als Bausatz ankommt
Der Fall: Torben bestellt bei Ulrike ein neues Geschirrservice. Die Freude ist groß, als das Paket endlich ankommt. Doch bereits bei der Übernahme vom Boten vernimmt Torben ein unheilvolles Klirren. Er nimmt das Paket trotzdem entgegen. Beim Auspacken sieht er, dass tatsächlich ein Teil des Geschirrs nicht mehr heil ist. Er meldet sich umgehend bei Ulrike. Nun fragen sich beide: Wie ist die Rechtslage? Immerhin hat Ulrike das Geschirr angemessen verpackt. Hätte Torben das Paket überhaupt annehmen dürfen? Schließlich hörte er bereits, dass etwas nicht stimmen könnte.
Lösung: Nach dem Verbraucherschutzrecht trägt Ulrike in diesem Fall das Versandrisiko. Es ist also zumindest für das Vertragsverhältnis zwischen Ulrike und Torben egal, ob die Ursache für den Transportschaden bei der Verkäuferin oder beim Logistikunternehmen liegt. Torben durfte das Paket auch annehmen. Das hätte er selbst dann machen dürfen, wenn der Karton eingedellt gewesen wäre. Als Verbraucher trifft ihn weder eine Rügepflicht noch eine Rügefrist. Ulrike muss die kaputten Stücke also ersetzen und Torben auf ihre Kosten neue zuschicken.
Hinweis: Im B2B-Bereich oder auch beim Privatverkauf gilt zum Thema Transportschaden etwas anderes. In diesen Bereichen haften Verkäufer:innen nur dann für Transportschäden, wenn sie diese zu verantworten haben, weil sie etwa zerbrechliches Gut nicht ausreichend gepolstert haben. Wird die Ware trotz Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt von Seiten der verkaufenden Partei beschädigt, hat die Kundschaft das Nachsehen und muss trotzdem den vereinbarten Kaufpreis zahlen.
Falschlieferung: Und jetzt das Gleiche bitte nochmal in Grün
Der Fall: Marie bestellt in Bärbels Häkelshop einen Schal in blau. Beim Auspacken stellt sie aber fest, dass sie stattdessen einen roten bekommen hat. Sie wendet sich an Bärbel. Beide fragen sich nun, wie das Prozedere ist. Immerhin will Bärbel den blauen Schal gern weiterverkaufen. Marie ist sich hingegen gar nicht mehr so sicher, ob sie noch Produkte von Bärbel haben will.
Lösung: Kommt die Ware in der falschen Farbe, handelt es sich um einen klassischen Sachmangel. Bei einem solchen Mangel gilt das sogenannte Recht der zweiten Andienung. Heißt nichts anderes, als dass der Verkäuferin Bärbel eine weitere Chance gegeben werden muss, den Fehler zu korrigieren. Wir erinnern uns: Das Gewährleistungsrecht hat die Funktion, das vertragliche Ziel trotz Mangels noch zu erreichen. Entsprechend kann Marie jetzt nicht einfach vom Kaufvertrag zurücktreten. Sie muss den falschen Schal zurücksenden und Bärbel muss ihr das richtige Produkt zukommen lassen. Für die Mehrkosten muss Bärbel aufkommen. Aber Achtung: Das gesetzliche Widerrufsrecht bleibt davon unberührt. Natürlich könnte Marie jetzt auch einfach noch den Widerruf erklären. In diesem Fall müsste sie aber – je nach Gestaltung der Widerrufsbelehrung – möglicherweise selbst die Rücksendekosten tragen.
Hinweis: Etwas anderes gilt, wenn Verkäufer:innen die Nacherfüllung ernsthaft verweigern. In diesen Fällen darf die Kundschaft den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und hat damit auch Anspruch auf die Rückzahlung des Kaufpreises.
Unvollständige Lieferung: Und wo bleibt der Rest?
Der Fall: Gisela bestellt für ihren Verein einhundert Kugelschreiber. Beim Nachzählen stellt sie fest, dass es nur 90 sind. Sie wendet sich an den Verkäufer und sendet ihm ein Foto zu: Darauf ist der Versandkarton mit neun Zehner-Packungen Kugelschreiber zu sehen. Da sich Gisela direkt am Tag der Zustellung meldet und proaktiv ein Foto mit sendet, glaubt er ihr direkt. Offenbar ist beim Packen im Lager etwas schiefgegangen. Beide sind nun ratlos, ob Gisela einen Anspruch auf eine anteilige Rückzahlung des Kaufpreises hat.
Lösung: Wird zu wenig geliefert, handelt es sich per Gesetz um einen Sachmangel. Das heißt, dass auch hier zunächst der Vorrang der Nacherfüllung greift. Der Verkäufer muss also erst mal die Gelegenheit haben, die fehlenden Kugelschreiber auf seine Kosten nachzuliefern.
Hinweis: Kommt die Ware hingegen vollständig nicht bei der Kundschaft an, handelt es sich nicht um einen Sachmangel. Mit dem Kaufvertrag verpflichten sich Verkäufer:innen nämlich dazu, Verbraucher:innen Eigentum und Besitz durch die Lieferung zu verschaffen. Kommt es gar nicht erst zur Lieferung, ist der Vertrag noch nicht erfüllt. Die Kundschaft kann sich hier also nicht auf die Gewährleistungsrechte berufen, sondern muss auf die Erfüllung des Kaufvertrages „pochen“. Das klingt mit Hinblick auf die Einleitung zwar erst mal beides ganz ähnlich, hat rechtlich aber ganz andere Folgen. So können Verkäufer:innen bei einer verloren gegangenen Sendung nicht zur Nachlieferung verpflichtet werden, sondern dürfen den Kaufpreis stattdessen direkt erstatten. Übrigens: Anders, als die Zu-wenig-Lieferung handelt es sich bei der Lieferung von zu vielen Produkten nicht um einen Sachmangel.
Der Mangel: Wenn das Produkt ein Rad abhat
Der Fall: Theo bestellt für seinen Nachwuchs einen Kinderwagen in Claudias Online-Shop. Bereits nach einem Vierteljahr löst sich trotz normalen Gebrauchs vorn ein Rad. Bei genauerem Hinschauen stellt Theo fest, dass der Kinderwagen nicht nur ein Rad abhat, sondern zudem über eine lockere Schraube verfügt. Er wendet sich an Claudia. Diese ist nun ratlos, wie sie damit umgehen soll.
Die Lösung: Eigentlich gilt der Grundsatz, dass die Partei die Umstände beweisen muss, die für sie günstig sind. Da Theo sich hier wegen eines möglichen Sachmangels meldet, müsste er diesen eigentlich beweisen. Theo ist aber Verbraucher und profitiert von der Beweislastumkehr. Er muss lediglich belegen, dass etwas am Produkt nicht stimmt. Dass dieser Umstand auf einem Sachmangel beruht, der bereits bei der Lieferung vorliegt, muss er nicht beweisen. Claudia müsste ihrerseits beweisen, dass der Kinderwagen sachmangelfrei war und die lockere Schraube beispielsweise auf einen unsachgemäßen Gebrauch zurückzuführen ist. Sie kann sich jetzt erstmal den Kinderwagen zusenden lassen, um selbst zu schauen, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt. Akzeptiert sie den Umstand, dass es sich um einen Mangel handelt, gilt der Vorrang der Nacherfüllung. Hier hat Theo das Wahlrecht zwischen Reparatur oder Neulieferung.
Hinweis: Die Beweislastumkehr gilt für ein Jahr nach der Lieferung. Wäre das Rad erst nach über einem Jahr abgefallen, hätte Theo die komplette Beweislast getroffen. Außerdem kann es für Händler:innen sinnvoll sein, den Mangel nicht offiziell anzuerkennen, sondern stattdessen zu schreiben, dass sie die Reparatur oder den Umtausch aus Kulanz übernehmen. Stimmen sie dem Vorliegen eines Mangels zu, ist dies ein Schuldanerkenntnis. In der Folge beginnt die Gewährleistungsfrist durch die Nacherfüllung von vorn. Allerdings ist dieser Tipp mit etwas Vorsicht zu genießen. Verbraucher:innen können nämlich auch darauf bestehen, dass Händler:innen den Mangel anerkennen und ihre Gewährleistungsrechte einklagen.
Rücksendung: Der schwere Weg zurück zum Unternehmen
Der Fall: Udo bestellt ein großes Party-Zelt für seinen 77. Geburtstag. Als er es schon mal aufbauen will, stellt er schnell fest, dass etwas nicht stimmt. Irgendwie ist das Gestänge verbogen. Er ruft direkt bei Händler Helmuth an. Dieser will sich gern selbst vom Mangel überzeugen und sagt Udo, dass er das Zelt einfach zurückschicken soll. Laut Udo geht das aber nicht so einfach. Sein letzter Origami-Kurs ist schon eine Weile her und er weiß beim besten Willen nicht, wie er das unhandliche Zelt wieder versandfähig verpacken soll. Beide fragen sich nun, wessen Problem das eigentlich ist.
Die Lösung: Erst vor wenigen Jahren hat der Europäische Gerichtshof eine klare Entscheidung gefällt. Verbraucher:innen sind zwar dazu verpflichtet, mangelhafte Produkte zur Überprüfung „bereitzustellen“; was dieses Bereitstellen bedeutet, ist aber vom Einzelfall abhängig. So kann von Verkäufer:innen bei schweren und/oder unhandlichen Produkten die Abholung verlangt werden. Helmuth ist in diesem Fall also tatsächlich dazu verpflichtet, die Abholung des Zeltes zu organisieren. Sollte sich herausstellen, dass es sich nicht um einen Mangel handelt, muss Udo allerdings für diese Kosten aufkommen.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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