Das Zusammenspiel aus Widerrufs- und Gewährleistungsrecht kann komplex sein. Stellen wir uns einfach folgende Situation vor: Die Ware ist versandt und kurze Zeit später meldet sich die Kundschaft wegen eines Sachmangels. Dieser wird schnell – sei es durch eine Neulieferung oder Reparatur – behoben. Nun erklärt die Kundschaft aber doch den Widerruf. Aber: Geht das überhaupt? Immerhin ist die Widerrufsfrist für die erste Lieferung in der Regel schon verstrichen. Oder beginnt die Widerrufsfrist etwa einfach durch die Nacherfüllung von vorn?
Art des Mangels entscheidend
Um sich der Antwort zu nähern, muss man zunächst noch einmal einen Schritt zurück machen und sich die Frage stellen, welchen Sinn und Zweck das Widerrufsrecht eigentlich hat. Beim Widerrufsrecht sollen Verbraucher:innen die Möglichkeit haben, die Ware auf ihre Beschaffenheit zu prüfen.
Kommt die Ware jedoch mit einem Sachmangel an, kommt es also darauf an, ob die Ware trotz des Mangels auf die Beschaffenheit geprüft werden kann.
Eine Prüfung trotz Mangels ist beispielsweise möglich, wenn:
- die Kleidung zunächst mangelfrei anprobiert werden kann und dann nach dem ersten Waschgang aufgrund eines Materialfehlers einläuft.
- sich bei Schuhen nach Monaten der Benutzung die Sohle löst.
- von zehn bestellten Tellern einer kaputt ankommt.
Eine Prüfung ist hingegen nicht möglich, wenn:
- das T-Shirt in der falschen Farbe geliefert wird. Die Kundschaft kann das Shirt zwar anprobieren, aber ob die tatsächliche Farbe auch in der Realität den Vorstellungen entspricht, kann nicht geprüft werden.
- das Geschirr-Set komplett kaputt ankommt.
- die Schuhe in der falschen Größe geliefert werden. Hier kann natürlich nicht der richtige Sitz geprüft werden.
- Fake oder Fakt?: Verweigert die Kundschaft die Annahme des Pakets, stellt das einen Widerruf dar
- Wir wurden gefragt: Wie müssen Speditionskosten in der Widerrufsbelehrung angegeben werden?
- Dreist oder berechtigt?: Kunde schickt Handy Monate nach Widerrufserklärung zurück
Fazit: Widerrufsfrist kann von Neuem starten
Für die Ausgangsfrage kommt es also ganz darauf an, um welchen Mangel es sich handelt. Kann die Ware trotz des Mangels auf die Beschaffenheit geprüft werden, gibt es entsprechend auch nur das Widerrufsrecht ab der ersten Lieferung. Kann die Ware hingegen nicht auf die Beschaffenheit geprüft werden, so beginnt die Widerrufsfrist mit der Nacherfüllung. Entsprechend müssen Unternehmen prüfen, was im Einzelfall beachtet werden muss.
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