In dieser Woche machen wir wieder einen Abstecher ins Widerrufsrecht: Eine Kundin bestellt über Amazon Schmuck. Innerhalb der Frist erklärt sie den Widerruf und schickt die Ware zurück. Der Händler muss allerdings feststellen, dass die Kette sichtbare Gebrauchsspuren hat. Das Metall, insbesondere der Anhänger, hat deutliche Kratzer. Offenbar wurde die Kette nicht einfach nur anprobiert, sondern eine geraume Zeit lang getragen. Der Händler informiert die Kundin daraufhin darüber, dass er einen Wertersatz für das Tragen der Kette verlangt und überweist ihr nur einen Teilbetrag vom Kaufpreis zurück. Die Kundin fordert daraufhin die Herausgabe des Schmuckstückes. Wenn sie den Kaufpreis nicht komplett zurückbekommt, will sie die Kette wieder haben. Zu Recht?
Grundsatz: Der Wertersatz im Widerrufsrecht
Was das Widerrufsrecht ist, dürfte einem Großteil klar sein. Was aber viele nicht wissen, sind zwei Fakten, die für diesen Fall relevant sind.
Fakt 1: Kaufverträge sind schwebend wirksam
Grundsätzlich kommen Kaufverträge im Online-Handel entweder durch das Betätigen des Bestellbuttons oder aber durch eine extra Bestätigung zustande. Im B2C-Geschäft haben wir aber die Besonderheit, dass Verbraucher:innen ein 14-tägiges Widerrufsrecht haben. Ohne Angabe von Gründen darf der Kaufvertrag in dieser Frist widerrufen werden. Bis die Frist verstrichen ist, gilt der Vertrag als schwebend wirksam. Wird von dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, ist der Vertrag hingegen unwirksam.
Fakt 2: Retouren dürfen selten abgelehnt werden
Außerdem ist es so, dass Ware, die im Rahmen des Widerrufsrechts zurückgeschickt wird, nur in gesetzlich geregelten Fällen abgelehnt werden darf. So darf der Widerruf für schnell verderbliche oder individualisierte Ware ausgeschlossen werden. Hygieneprodukte dürfen abgelehnt werden, wenn das Siegel gebrochen wurde. Wird ein Produkt verspätet oder beschädigt zurückgesandt, muss der Widerruf aber dennoch angenommen werden. Allerdings haben Händler:innen in diesen Fällen möglicherweise einen Anspruch auf Wertersatz: Geht beispielsweise der Schaden auf einen Umgang mit dem Produkt zurück, der über die Beschaffenheitsprüfung hinaus geht, dann dürfen Händler:innen einen Wertersatz verlangen, wenn sie die Ware nicht mehr zum ursprünglichen Preis anbieten können.
Fazit: Die Kundin kann sich nicht mehr auf den Kaufvertrag berufen
Was aber bedeutet das für unseren Fall? Der Kaufvertrag wurde durch den fristgerechten Widerruf der Kundin faktisch unwirksam. Sie kann sich also nicht mehr auf diesen berufen und hat entsprechend keinen Anspruch mehr auf die Kette. Daran ändert auch der Wertersatz, den der Händler verlangt, nichts: Wurde die Kette durch Tragen, welches über die Beschaffenheitsprüfung hinaus geht, beschädigt, steht ihm der Wertersatz zu. Wäre die Kette unverkäuflich, dürfte er sogar 100 Prozent Wertersatz geltend machen. Im Ergebnis würde das bedeuten, dass die Kundin wegen des Widerrufs die Kette nicht mehr hat, aber auch wegen des Wertersatzes den Kaufpreis nicht zurückerhält. Die Forderung der Kundin ist damit im Sinne dieses Formates dreist.
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Antwort der Redaktion
Hallo Susanne,
vielleicht ist es hier zu einem Missverständnis gekommen: Grundsätzlich hast du keine Pflicht, die Ware dem Verbraucher in so einem Fall noch mal anzubieten. Es kann höchstens aus dem Serviceaspekt heraus sinnvoll sein zu sagen: "Also entweder Wertersatz oder du nimmst die Ware wieder zurück." Eine rechtliche Verpflichtung gibt es aber nicht.
Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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