Probleme bei Amazon: Das Anhängen an bestehende Artikel

Veröffentlicht: 06.05.2015 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 23.06.2022

Aus Kundensicht bietet Amazon den schier perfekten Service. Doch aus Sicht der Händler, die ihre Produkte über den Marketplace verkaufen, ist Amazon ein Quell der Abmahngefahren. Beim Verkauf kann so viel schief gehen – und trotzdem scheuen sich viele Anbieter davor, Amazon den Rücken zu kehren, weil dann die Umsätze einbrechen könnten. Ein Thema, das immer wieder für Probleme sorgt, ist das Anhängen an bestehende Artikel.

 

Amazon logo: Weiß auf Schwarz

360b / Shutterstock.com

Das Anhängen an ein bestehendes Produkt ist ein überaus komplexes Thema, das schon viele Händler und Insider beschäftigt hat und das immer wieder für Ärger sorgt. Dieser Ärger wächst manchmal sogar über den eigenen Unmut hinaus und mutiert zu einem gravierenden Problem oder sogar zum Rechtsstreit. Was gilt es also zu beachten?

Wie funktioniert das mit EAN / GTIN?

Will man als Händler einen Artikel bei Amazon verkaufen, ist dafür für gewöhnlich eine entsprechende EAN (European Article Number ) bzw. GTIN (Global Trade Item Number) vonnöten. Über diese Nummern können die Produkte inklusive Details, Hersteller oder auch Eigenschaften identifiziert werden. Amazon selbst generiert nach der Eingabe der entsprechenden EAN bzw. GTIN einen eigenen Zahlencode, die ASIN (Amazon Standard-Identifikationsnummern) – eine hausinterne EAN sozusagen. (Bei Büchern übernimmt Amazon im Übrigen die festgeschriebene ISBN, sodass die entsprechende ASIN identisch ist.)

Das Problem dabei ist: Der erste, der einen Artikel anlegt, hat im Prinzip den schwarzen Peter gezogen. Denn um eine EAN zu beantragen und zu erhalten, muss (unter Umständen eine nicht unerhebliche Summe) Geld in die Hand genommen werden. Hinzu kommt natürlich die Arbeit mit den Produktdetails.

Was passiert mit meinen Nutzungsrechten (der Bilder und Beschreibungen)?

Wer als Händler auf Amazon Marketplace handeln will, muss die AGB des Unternehmens akzeptieren – ob sie ihm nun gefallen oder nicht. Die einzige Alternative, die bleibt, wäre, sich einen anderen Marktplatz zu suchen.

Die Zustimmung der AGB beinhaltet auch, dass ein Händler alle Nutzungsrechte bezüglich seiner Produktfotos und Artikelbeschreibungen an Amazon abtritt (Amazon AGB, A. XIII). Legt ein Anbieter also einen neuen Artikel an, lädt Fotos hoch und erstellt mühevoll Produktbeschreibungen, so darf der Konzern diese (mit einigen Ausnahmen) vergütungsfrei, zeitlich unbefristet und umfassend verwenden, vervielfältigen, verbreiten, bearbeiten und veröffentlichen. Amazon behält sich sogar vor, mit diesen Bildern und Beschreibungen zu werben.

Das sagt unsere Rechtsexpertin Yvonne Gasch zum Thema Nutzungsrecht:

Auch Mitbewerber bei Amazon dürfen die hochgeladenen Produktfotos zum Leidwesen vieler Händler mitverwenden. Die Mitbenutzung von hochgeladenen Produktfotos bei Amazon durch sich im Nachhinein anhängende Online-Händler stellt keine Urheberrechtsverletzung dar (vgl. zuletzt Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19.12.2014, Az.: 6 U 51/14). Ein Anhängen verhindern kann man als Amazon-Händler auch nicht, indem Wasserzeichen oder eine Beschriftung (beispielsweise mit dem Copyright-Vermerk) einfügt werden, da Amazons Richtlinien für Produktdetailseiten eine solche Vorgehensweise eindeutig verbieten.

Wann ist das Anhängen an bestehende Produkte erlaubt?

Grundsätzlich ist es Händlern erlaubt, sich an die andere Händler oder besser gesagt an bereits bestehende, fremde Angebote anzuhängen. Alles andere würde das Prinzip von Amazon auch ad absurdum führen. Schließlich basiert das Konzept von Amazon darauf, dass möglichst wenige gleiche bzw. identische Produkte nebeneinanderher existieren (wie etwa bei Ebay). Die Praxis zeigt, dass Amazon sogar nicht-identische, aber ähnliche Produkte zusammenführt, um ein möglichst „aufgeräumtes“ Erscheinungsbild seiner Plattform zu garantieren. Unter diesem Gesichtspunkt (und auch nach dem Urteil diverser Gerichte) ist ein Anhängen nicht unlauter und meistens sogar unumgänglich.

Hat ein Händler die Mühe auf sich genommen, ein neues Produkt anzulegen, könnte er sich unter Umständen daran stören, dass andere Anbieter seine Arbeit einfach „ausnutzen“ und sich anhängen. Doch dies ist – wie gesagt – integraler Bestandteil des Amazon-Konzepts und muss so hingenommen werden. Natürlich jedoch, unter gewissen Voraussetzungen:

Da der Amazon-Kunde erwartet, genau jenes Produkt zu erhalten, welches auf den zugehörigen Fotos abgebildet und in der Beschreibung ausgeführt ist, darf auch nichts anderes bzw. Abweichendes geliefert werden. Wer sich als Händler also an eine ASIN anhängt, muss sicherstellen, dass seine Produkte identisch mit jenen sind, die bereits angeboten werden. Ansonsten kommt es aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu einer Irreführung, was wiederum mit teuren Abmahnungen geahndet werden kann. Auch ein noch viel kostspieligerer Rechtsstreit ist dann nicht ausgeschlossen.

Wann ist das Anhängen nicht erlaubt?

Wie gerade erläutert, dürfen nur solche Artikel angehängt werden, die mit dem bestehenden Produkt identisch sind. Was nun aber genau „identisch“ heißt, kann von Einzelfall zu Einzelfall variieren.

Über alle weiteren, rechtlichen Details weiß Volljuristin Yvonne Gasch Bescheid:

Im kürzlich entschiedenen „Quietscheentchen“-Fall störte sich das Gericht nicht daran, dass die Quietscheentchen unterschiedliche GTIN-Nummern trugen, nicht identisch verpackt waren und von unterschiedlichen Lieferanten bezogen wurden. Das Thema bleibt aus rechtlicher Sicht dennoch problematisch.

Anhängen: Vermarktung unter eigenem Markennamen als Lösung?

Um das lästige Anhängen von Mitbewerbern auszuschließen, wird vermehrt festgestellt, dass Erst-Anbieter, die lediglich No-Name-Produkte auf Amazon anbieten, eine eigene Marke eintragen lassen. Die Marken des Anbieters finden sich bei Amazon in der Artikelüberschrift oder im oberen Teil der Artikelbeschreibungen im Zusatz "von..." sowie in der Artikelbeschreibung mit dem bei Amazon üblichen Zusatz "Marke:".

Unter Verwendung einer eigenen eingetragenen Marke hat der Anbieter somit ein ausschließliches Recht dieses Produkt in den Verkehr zu bringen. Anbieter, die sich an dieses Angebot bei Amazon anhängen und die Artikelbeschreibung nutzen wollen, sind gezwungen, dieses Produkt von eben dieser Marke zu verkaufen. In der Regel wird dies gerade nicht geschehen. Nutzen die Anbieter eine Artikelbeschreibung mit, in der ein Markenprodukt angeboten wird, besteht die Gefahr einer markenrechtlichen Abmahnung.

Für eine Markenrechtsverletzung ist aber erforderlich, dass das Markenrecht auch tatsächlich besteht und die Marke auch für die bspw. im Register des Deutschen Marken- und Patentamtes eingetragenen Waren genutzt wird. Im Verfahren über das Anhängen an Quietscheentchen hat das Landgericht Düsseldorf beispielsweise vorab schon eine Markenverletzung durch die Mitbenutzung der Marke „Duckshop“ verneint.

Probleme bei einer nachträglichen Änderung der Artikel

Eine Abmahnung ist außerdem als unbegründet anzusehen, wenn ein No-Name Produkt über Nacht zum Markenprodukt wird und andere ASIN-Nutzer, die das Produkt schon längere Zeit anbieten, wenige Stunden später auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Das letzte Wort zum Thema „Anhängen“ in dieser den Online-Handel bewegenden Rechtsfrage ist gewiss noch nicht gesprochen. Weitere Abmahnungen mit zahlreichen divergierenden Urteilen sind sicher denkbar. Entscheiden kann hier wieder nur der Einzelfall.

Bisher sind in der Themenreihe „Probleme bei Amazon“ erschienen:

Kontensperrung durch Verifikationsprozess

Das Anhängen an bestehende Artikel

Asics beschränkt offenbar Handel auf dem Marketplace

Kommentare  

#1 Bernd Kohnle 2015-05-07 16:00
Interessant in dem Zusammenhang:

was geschieht mit abmahnfähig angelegten Artikeln?

Nur ein Bsp.: (von vielen)
Bei Amazon gibt es eine Reihe an Artikeln, die gegen die Grundpreisveror dnung verstoßen - sprich die Angabe des Grundpreises fehlt. Ein Händler, der sich an ein Produkt dranhängt, hat kaum die Möglichkeit die Angaben zu verbessern. Häufig sind die Artikel auch noch in falschen Rubriken angelegt und die Templates dieser Rubriken sehen eine Grundpreisberec hnung und -anzeige nicht einmal vor.

Amazing Amazon!
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