Ein Jahr Verbraucherrechterichtlinie – Wir blicken zurück

Veröffentlicht: 10.06.2015 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 10.06.2015

Mit Spannung und Eifer erwartete der Online-Handel den 13.06.2014 mit diesem Tag die größte rechtliche Umstellung seit Jahren. Nicht nur im Bereich des Widerrufsrechtes mussten sich Online-Händler auf viele neue Paragraphen einstellen. Tausende Online-Shops mussten nach dem Willen der Verbraucherrechterichtlinie um Punkt 0:00 Uhr auf die neue Rechtslage eingestellt sein. Die Nacht vom 12. auf den 13. Juni dürfte daher bei den meisten Online-Händlern eine schlaflose gewesen sein.

1. Geburtstag

(Bildquelle Happy Birthday: OlegDoroshin via Shutterstock)

Verbraucherrechterichtlinie: Warum, wieso, weshalb?

Die letzen Jahre haben nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers gezeigt, dass das grenzüberschreitende Potenzial des Versandhandels nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wird. Grund seien unter anderem die unterschiedlichen Verbraucherschutzvorschriften der Mitgliedstaaten und die damit einhergehende Unsicherheit unter den Online-Händlern und Verbrauchern. Aus diesem Grund musste eine Richtlinie her, die diese Hindernisse durch eine Angleichung der Rechtsvorschriften in der gesamten Union beseitigt: die sog. Verbraucherrechterichtlinie.

Mit der Einführung der sog. "Button-Lösung" hat ein Teil der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Deutschland bereits im Jahr 2012 begonnen. Ein weiterer Teil der Verbraucherrechterichtlinie wurde zum 13. Juni 2014 im deutschen Recht umgesetzt.

Prophezeite Abmahnwelle ausgeblieben

Die vorab in den Medien teilweise prophezeite Abmahnwelle ist glücklicherwiese ausgeblieben. Zwar gab es bereits etliche Abmahnungen zu den seit 13.06.2014 gültigen Regelungen. Diese bezogen sich jedoch vorwiegend auf veraltete Rechtstexte (z.B. veraltete Widerrufsbelehrungen). An Detailprobleme (z.B. Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung) trauten sich die Abmahner jedoch noch nicht recht heran. Aus diesem Grund gibt es bisher auch nur sehr wenige Gerichtsentscheidungen zur neuen Rechtslage.

Spannend war unter diesen Urteilen vor allem die Klärung der Frage, ob eine im Impressum angegebene Telefonnummer auch in der Widerrufsbelehrung genannt werden muss. Obwohl der Gesetzeswortlaut von der Angabe „soweit verfügbar“ spricht, hat das Oberlandesgericht Hamm die Telefonnummer kürzlich als Pflichtangabe angesehen (Beschluss vom 24.03.2015, 4 U 30/15). Ein wichtiger Punkt in der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ist damit geklärt.

Ein ewig währender Streit zwischen Händlern und Kunden ist außerdem der Widerruf nach der Lieferung von personalisierten Waren. Händler fürchten im Widerrufsfall, auf der bestellten und aufgrund der Individualität wertlosen Sache sitzen zu bleiben. Dennoch ist das Greifen des gesetzlichen Ausschlussgrundes sehr streng. Bei individuell zusammengestellten Sofas soll kein Widerrufsrecht bestehen (Amtsgericht Siegburg, Urteil vom 25.09.2014, Az.: 115 C 10/14) – oder etwa doch?

Online-Handel reagiert gemischt auf neue Möglichkeiten

Mit den neuen gesetzlichen Regelungen haben Online-Händler die Wahl, ob sie die Rücksendekosten auf den Kunden umlegen wollen oder ob sie die Kosten selbst tragen wollen. Viele, besonders kleinere, Online-Händler haben diese Änderung sicherlich sehr begrüßt. Eine aktuelle Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres durch Vergleich.org hat untersucht, ob der Online-Handel die neu eingeräumte Chance der Kostenverlagerung nutzt oder nicht. Nach den Ergebnissen der Studien haben drei Viertel der 100 größten Online-Shops nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Rücksendekosten komplett auf den Kunden umzulegen. Nur neun der untersuchten Shops lassen den Kunden komplett zahlen. Damit schafft der neue Handlungsspielraum noch mehr Ungleichgewicht im Handel, denn nur große Online-Shops können oder wollen sich diesen Kundenservice leisten.

Kommentarlose Rücksendung immer noch Thema

Durch die von Verbrauchern häufig genutzte Möglichkeit der kommentarlosen Rücksendung hatten Online-Händler in der Praxis oft Schwierigkeiten, die Ware zuzuordnen. Insbesondere die Frage, ob ein Widerrufsrecht ausgeübt werden sollte, oder es sich um einen Gewährleistungsfall handelte, war für den Händler meist nur schwer einzuordnen.

Entsprechend hat der europäische Gesetzgeber in der Verbraucherrechterichtlinie eine Neuregelung dahingehend geschaffen, dass der Widerruf nur durch eine Erklärung gegenüber dem Unternehmer erfolgen soll, aus der der Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen muss. Eine kommentarlose Rücksendung der Ware an den Unternehmer ist für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht mehr ausreichend. Ein Online-Händler teilte uns dazu im Zuge unserer Umfrage mit, dass sich nach seiner Erfahrung „ca. 50 % bei Ihren Rücksendungen nicht daran halten, diese zuvor anzukündigen, oder überhaupt dazu keine Stellung nehmen (kommentarlose Rücksendung). Diese Vermutung hatten wir aber bereits im Vorhinein. Kunden interessiert die Rechtsprechung maximal wenn sie selbst davon profitieren können.

Noch nicht alle Shops auf dem aktuellen Stand

Obwohl die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie vor mittlerweile mehr als einem Jahr in Kraft getreten sind, gibt es immer noch Shops, die keine (vollständige) Anpassung auf die neue Rechtslage vorgenommen haben. So erreichen uns immer noch Abmahnungen wegen veralteter Rechtstexte. Höchste Zeit also, noch einmal nachzubessern.

Wir sind gespannt, wie sich die Rechtslage weiter entwickeln wird. An dieser Stelle werden wird weiter über aktuelle Abmahnung und die neueste Rechtsprechung berichten.

Kommentare  

#2 Sigi B. 2015-06-10 18:44
Natürlich habe ich mich - wie wohl fast jeder kleine Händler - anfangs auch wahnsinnig geärgert über die Änderungen. Vor allem da diese immer Zeit und Nerven kosten.
Anfangs habe auch ich die Rücksendekosten weiterhin getragen. Da ich allerdings feststellte, dass es doch so viele "Kunden" gibt, die mal eben was bestellen um es dann zu retournieren, habe ich mich vor ein paar Monaten nun dazu entschlossen, die Rücksendekosten vom Kunden tragen zu lassen. Und siehe da - der Verkauf ist nicht "eingebrochen", dafür gibt es aber weniger Retouren. Auf Kunden, die eh zurück schicken wollen, können wir herzlich gerne verzichten.

Was wir jedoch auch immer wieder feststellen, ist, dass Kunden Ware zurück senden, ohne einen Hinweis darauf, was nun passieren soll. Vor allem auch zu ca. 70 % ganz ohne Absender...........
Also dürfen wir raten mit wem wir uns in Verbindung setzen "dürfen".

Inzwischen lassen wir solche Rücksendungen nur noch liegen und kümmern uns erst darum, wenn der Kunde sich quasi beschwert, dass er von uns nichts hört.

Einen Wettbewerbsnach teil für kleine Händler kann ich hier nicht erkennen, wenn der Kunde die Retourenkosten trägt.
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#1 Beate Kirsch 2015-06-10 15:44
Viel Wind um nichts, kann hier nur gesagt werden. Eine Kostenerleichte rung für den Onlinehandel ist nicht eingetroffen so lange jeder machen kann was er will. Es ist auch kein Gesetz nur eine Empfehlung wenn jeder selbst entscheiden kann ob er die Rücksendekosten dem Kunden auferlegt oder nicht.
An ein Gesetz hätte sich jeder zu halten und es gäbe keine Auswahl Option. Hier profitieren nur die großen Onlinehändler mal wieder und die kleinen bleiben auf der Strecke, da Sie im Wettbewerbsnach teil sind. Die Abwicklung für Rücksendungen müssen per Gesetz für alle Händler gleich geregelt sein ohne Wahl Option und daran hat sich dann jeder Händler zu halten. Dann gibt es auch bei den Kunden keine Diskussion und einen viel höhere Akzeptanz. Weiter würde jeder Händler seine Retourenquote verbessern, da nicht mehr so leichtsinnig bestellt und zurück geschickt wird. Weiteres hätte jeder Händler die gleichen Wettbewerbschan cen in Sachen Rücksendungen. Aber die nette EU hat mal wieder uns nur ein tolles Formular beschert, welches sicherlich Millionen Steuergelder verschwendet hat. Kein Kunde nutzt es, ist ja auch optional aber jeder Händler musste einen riesen Aufwand betreiben um ein Formular in seinen Shop zu integrieren, welches absolut für die Katz ist. Ansonsten ist alles beim alten aber die EU hat sich mal wieder nützlich gemacht und ein tolles Möchtegern Gesetz heraus gebracht, weiter gebracht hat uns Händler es nicht, im Gegenteil.
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