Anfeindungen wegen seiner Arbeitsbedingungen und die damit verbundenen Streiks von Mitarbeitern und einer eifrigen Gewerkschaft sind nur einige Punkte, wegen denen Amazon es einfach nicht schaffen will, sein Image ins positive Licht zur rücken. Auch wenn Amazon die Nation spaltet… gibt es noch einen Weg vorbei an Amazon, weil Amazon sich diese Zuneigung erschleicht?!
Kommt man an „Prime“ noch vorbei?
Sind wir bald alle Prime-Kunden? Das war bereits unser Kolumnenthema in der vergangenen Woche. Getreu dem Motto „Du kommst hier net rein“, ließ man meiner Kollegin ihre Tastatur wie eine süße Verlockung vor der Nase herumbaumeln… um sie dann, ganz nüchtern, im Regen stehen zu lassen: „Dieser Artikel ist für Prime-Mitglieder für EUR 24,99 reserviert“. Wer kein Prime-Mitglied ist, hat einfach mal Pech gehabt. Jetzt seht ihr, was ihr davon habt, wenn ihr nicht mitmacht… ätsch bätsch. Das Lachen von Jeff höre ich ganz leise und kaum wahrnehmbar im Hintergrund.
Natürlich hat Amazon das Rad nicht neu erfunden. Wer bereits einmal nichtsahnend beim Stadtbummel in die Fänge des Buchclubs Bertelsmann geraten ist, wird wissen, wovon ich rede. Auch hier durfte man sich dem exklusiven Lesegenuss nur hingeben, wenn man Mitglied im Club war. Aber der Ton macht die Musik.
Hänsel und Gretel und die Amazon Prime-Mitgliedschaft
Wer nicht freiwillig Teil der Amazon-Familie wird… tja, den muss man sich anders ins Boot holen. Um Unentschlossene zum Abschluss der hauseigenen Prime-Mitgliedschaft zu bewegen, bietet Amazon schon seit Langem einen Testzeitraum an. Dreißig Tage darf man die wohlige Sünde der sagenhaften Film-Datenbank nutzen und sich dekadent und kostenlos den passenden Fire-TV-Stick am gleichen Abend an die Haustür bringen lassen. Der Mann, der ihn brachte, war auch sehr sympathisch. „Hallo, hier ist Amazon“ rief er fröhlich durch die Gegensprechanlage. Egal…ich schweife ab.
Jedenfalls hat der Online-Gigant für sein Angebot, für dreißig Tage Teil der Amazon-Familie zu werden, einen „Test“-Button eingesetzt, mit dessen Hilfe der ahnungslose Durchschnittsverbraucher den umfangreichen Prime-Service ausprobieren kann. Was jedoch nur ganz kleingedruckt und für Menschen ohne Superheldenkräfte oder der Fähigkeit, hohe nur für Hunde wahrnehmbare Töne zu hören, sichtbar war, ist, dass Amazon anschließend die Hände aufhält. Nach Ende des Testzeitraumes wird ein kostenpflichtiger Vertrag geschlossen, auf den die Kunden bereits bei Abschluss deutlich hingewiesen werden müssen. Wieder einmal hat dies ein Gericht festgestellt. Diesmal das Oberlandesgericht Köln und ganz taufrisch (Urteil vom 3.2.2016).
Man hat Amazon schon mal gesagt, dass das so nicht geht. Und zwar vor Jahren. Ein Gericht, damals das Landgericht München I, hat Amazon damals schon auf die Finger geklopft. Der Test-Button darf nicht mehr „Jetzt kostenlos testen“ heißen. Amazon hat nachgebessert. Immer noch nicht genug. Das Zustandekommen des kostenpflichtigen Vertragsverhältnisses wird nur dadurch verhindert, dass der Kunde seinerseits tätig wird und innerhalb des Gratis-Zeitraums die Mitgliedschaft „storniert“. Genau hier scheint Amazon anzusetzen – und ich sage Ihnen, es funktioniert.
Der verführte naive Verbraucher?
Der Vorwurf des Gerichts ist nicht aus der Luft gegriffen. Müssen Verbraucher vor sich selbst geschützt werden? Gibt es ihn wirklich, den digital verführten naiven Verbraucher, wie ihn die Verbraucherzentrale NRW zu sichten vermag? Offensichtlich ja. Ich weiß es, weil ich ein Exemplar kenne. Erst kürzlich berichtete mir meine (viel) bessere Hälfte, dass er als Prime-Mitglied in seinem Bestellablauf einen kostenlosen Versand am selben Tag nutzen konnte. Das kam ihm spanisch vor. „Ist das normal? Ich bin doch gar kein Prime-Mitglied“?
Natürlich war mir die Möglichkeit des kostenlosen Versandes nicht unbekannt. Auch in unserer Heimat bietet Amazon die taggleiche Lieferung an. Aber doch nur für die exklusiven Prime-Mitglieder. „Prime-Mitglied, du? Seit wann?“, konnte ich nur mit gerunzelter Stirn erwidern. Da hat es ihm leider auch nichts mehr genützt, mit einer studierten Volljuristin verheiratet zu sein. Die Köder war ausgelegt – und er war in die Falle getappt. Ohne Jurastudium scheint der Durchschnittsdeutsche nicht ganz ungefährlich zu leben, wenn er sich auf der Amazon-Webseite bewegt. Und die Gerichte kommen mal wieder gar nicht so schnell hinterher.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte
Warum macht Amazon nie, was man ihm sagt? Da frage ich mich schon (und meine Redaktionskollegen mich übrigens auch), warum dürfen die das? Wie geht sowas? Warum müssen Online-Händler seit Jahren einen Button verwenden, dessen Bezeichnung ihnen der Gesetzgeber vorgegeben hat – um beim kleinsten Fehler doch böse Post zu bekommen? Und warum schluckt Amazon jegliche Untersagungen einfach herunter, um so weiter zu machen wie bisher? Weil es funktioniert… Das sollte Ihnen aber egal sein. Das haben Sie, liebe Online-Händler, nämlich schlicht und ergreifend nicht nötig. Ihre Kunden kommen auch so zu Ihnen (zurück).
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