Kommentar: Kostenlose Schlichtung in Deutschland - Danke für nichts!

Veröffentlicht: 12.10.2016 | Geschrieben von: Peggy Sachse | Letzte Aktualisierung: 12.03.2021

Diese Schlagzeile eines bekannten Statistikportals gibt zu denken: „Halb Deutschland hat schon bei Amazon gekauft.“ Das spricht für sich. Die seit 09.01.2016 bestehende Möglichkeit, eine sog. “alternative Streitbeilegung” zu nutzen, macht den Einkauf im Internet sicherer – wenn es Schlichtungsstellen gäbe. Auch Online-Händler gehen diese Verbraucherschlichtungsverfahren eine ganze Menge an.

Problemlösung

(Bildquelle Problemlösung: gualtiero boffi via Shutterstock)

Online-Händler profitieren auch von alternativer Streitbeilegung

Es sind nicht nur die ewig gleichen Abmahner, die sich neuerdings auf einen nicht angezeigten Link auf die europäische OS-Plattform spezialisieren. Das Schlichtungsverfahren für Online-Händler bringt auch viele Vorteile. Alternative Streitbeilegung wurde in der ADR-Richtlinie vom europäischen Gesetzgeber so erdacht, dass sie gleichfalls ein Instrument für Händler darstellt.

Denn die immer noch viel günstigeren und schnelleren Schlichtungsverfahren bringen Sicherheit vor Risiken, die der grenzüberschreitende Handel an EU-Verbraucher in sich birgt. Schließlich haben die ausländischen Verbraucher bei einer deutschen Schlichtungsstelle die Beschwerden über die deutschen Online-Händler einzureichen. Aber auch für Streitigkeiten mit inländischen Kunden sparen die Online-Händler in Deutschland enorm.

Gerichtsverfahren im Inland sind bekanntlich teuer und langwierig, aber auch Ängste vor Auseinandersetzungen mit ausländischen Verbrauchern sind nicht unbegründet. Wenn Sie von einem ausländischen Verbraucher in dessen Land verklagt werden, bedeutet das oft erhebliche Ausgaben für einen ausländischen Rechtsanwalt. Von den Gepflogenheiten der ausländischen Gerichte und der Kenntnis des ausländischen Rechts ganz zu schweigen.

Blanke Theorie? Nein, denn dies ist schon dem einen oder anderen Online-Händler passiert. Damit ist alternative Streitbeilegung sehr attraktiv auch für die Händler - nur dafür müsste es in Deutschland erst einmal solche Verbraucherschlichtungsstellen geben.

Eine Schlichtungsstelle in Deutschland für alle Streitigkeiten

So hatte sich das die Europäische Kommission wahrscheinlich nicht vorgestellt, als sie die Online-Schlichtungs-Plattform für alle EU-Verbraucher errichtete. Die hektische Umstellung der Webseiten für die Einbindung des Links zur OS-Plattform zum 09.01.2016 ist allen Online-Händlern noch im Gedächtnis. Dieser Link zeigt die Schlichtungsstellen in den Ländern der EU an. Unsere Themenreihe zeigte damals  Wichtigkeit - und alle Widrigkeiten - auf.

Aber wozu das Ganze, wenn sich deutsche Online-Händler keinen Schlichtungsstellen anschließen können, die dann erst überhaupt die Schlichtungsverfahren durchführen? Eine Verlinkung auf eine OS-Plattform, die die Beschwerden der Verbraucher ablehnt, da keine anerkannten Streitbeilegungsstellen vorhanden sind, ist reine Formalität und ohne jeglichen Nutzen für die eigentlich Betroffenen.

Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle am Zentrum für Schlichtung e.V. ist bundesweit tätig und steht auch Verbrauchern aus allen EU- und EWR-Staaten offen, sofern die Streitigkeit des Verbrauchers mit einem in Deutschland niedergelassenen Unternehmen besteht. Der Online-Schlichter ist zwar auf Streitigkeiten über online geschlossene Verträge spezialisiert, jedoch bisher nicht als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt und auf der ODR-Plattform gelistet.

Er ist ebenfalls wie die Allgemeine Schlichtungsstelle in Kehl ansässig, allerdings nur in Teilen Deutschlands tätig. Eine Zuständigkeit ist nur dann gegeben, wenn Verbraucher oder Unternehmer aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein kommen. Das klingt allerdings nicht gerade nach internationalem Online-Handel.

Andere Länder haben ein höheres Verbraucherschutzniveau – Beispiel Österreich

Da muss doch an dieser Stelle ein Lob auf unser Nachbarland Österreich ausgesprochen werden, denn dort existieren für 8,5 Mio. Menschen immerhin zwei Verbraucherschlichtungsstellen, eine für im Internet abgeschlossene Verträge und eine für andere Verbrauchergeschäfte. Und der Vorteil: es gibt keine Eingrenzung auf einzelne österreichische Bundesländer! Das würde doch gemessen an den Einwohnerzahlen bedeuten, dass, wenn Deutschland diesen Verbraucherschutz bieten würde, es hier ca. 19 Schlichtungsstellen für Verbraucherstreitigkeiten, die keine Spezialmaterien betreffen, geben müsste. Das sind immerhin 18,5 fehlende Schlichtungsstellen für Deutschland.

Nun mal Hand aufs Herz, liebe Verbraucherschützer. Den mangelnden Verbraucherschutz vieler Unternehmer öffentlich anzuprangern ist zweifelsohne sehr wichtig. Aber endlich die von der EU geforderten Verbraucherschlichtungsstellen in Deutschland zu errichten, das sollte künftig im Interesse von Unternehmern und Verbrauchern weit mehr in den Fokus rücken. Denn nicht zur Errichtung der Schlichtungsstellen beizutragen, bedeutet doch letztlich auch die Verhinderung von effektivem Verbraucherschutz, oder? Dafür heute im Namen von Verbrauchern und Unternehmern ein Danke für nichts!

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