Kolumne: Das Leben der anderen – Wie viel Datenschutz braucht der Mensch noch/wieder?

Veröffentlicht: 25.11.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 05.07.2022

Datenschutzgesetze werden novelliert. Zähe, jahrelange und ausufernde Debatten gehen dem voran. Datenschutzaktivisten ziehen an einem Zipfel, milliardenschwere Unternehmen am anderen. Der technologische Fortschritt schreitet inzwischen mit Lichtgeschwindigkeit voran. Ist auch egal, weil sich ohnehin niemand „da oben“ um Datenschutzverstöße kümmert? Das fordert Ottonormalbürger lautstark ein.

Und Gott sprach: Du sollst gelassen sein!

Doch dann diese Zahl: Ein Drittel der deutschen Internetnutzer verzichtet komplett darauf, die Datenschutzerklärungen im Internet zu lesen. Die Befragung fand heraus, dass sich davon sogar 21 Prozent bewusst dafür entscheiden, ihre kostbare Lebenszeit nicht dem Studieren von laaaangweiligen und unverständlichen Texten zu verschwenden. Eine Datenschutzerklärung könnte genauso gut in Hebräisch verfasst sein, ich würde ihr ebenfalls nicht weniger Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Nein, das ist keine Resignation, das ist Selbstschutz. Wie den Befragten legte mir meine Mutter die Grundeinstellung in die Wiege: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Ganz klar: In Zahlen ist es kaum ausdrückbar, täglich werden Massen an Daten von Internetnutzern erhoben und in riesigen Datensilos gesammelt. Für sich genommen sind die Daten meist wertlos. Logisch zusammengefügt kann man mit den Erkenntnissen jedoch eine Menge Geld verdienen. Google & Co. machen es vor. Am Ende geht es nur ums Geld. Wissen ist Macht.

Ich weiß die Aktivitäten der zahlreichen Datenschützer daher durchaus zu schätzen. Wie sicher sind meine persönlichen Daten an meinem Arbeitslaptop? Wer liest mit, wenn ich eine Online-Überweisung mache? Kann es mir noch zum Verhängnis werden, wenn das bei WhatsApp versendete (freizügige) Foto vom letzten Strandurlaub irgendwo auftaucht...? Fragen, die auch ich mir stelle. Aber oft genug entscheiden wir uns doch bewusst gegen den Datenschutz. Bei unseren Smartphones und Apps werden wir gefragt, ob wir Ortungsdienste aktivieren wollen. Ja, wenn ich bei Facebook oder Instagram bewusst Fotos vom letzten Abendessen hochlade, die ganze Welt inklusive meiner Freunde, Chefs und Arbeitskollegen weiß, dass es ein Glas Wein dazu gab... Dann dürft ihr euch nicht wundern!

Willkommen im 21. Jahrhundert!

Seit dem vergangenen Frühjahr dürfen keine Plugins mehr auf Webseiten verwendet werden, weil niemand weiß, welche Daten Facebook von mir sammelt und was damit angestellt wird. Ja, so sagt es das Gesetz. Aber was stellt ihr euch vor?  Dass jemand am Nordpol in einem Serverraum sitzt und schaut, was ihr zuletzt bestellt habt, womöglich denkt „Oh oh oh, das Gelb, bei deiner Haarfarbe...“. Die Erde hat sich weitergedreht und der Datenschutzgedanke hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Es gibt sie nicht mehr, die Geheimagenten der alles überschattenden Mächte, die das Volk unterdrücken.

Daten werden immer noch und überall gespeichert. Die Schattenseite der Digitalisierung. Nur jetzt haben sie eine andere Richtung eingeschlagen. Dagegen anzukommen? Ein Ding der Unmöglichkeit. Na klar werden persönliche Sachen von mir gespeichert, die einen Rückschluss auf mich, meine Krankheitsgeschichte oder meine finanzielle Situation ziehen. Wird mir mein Kredit verweigert, weil ich auf Facebook mit einem Glas Wein zu sehen bin? Weiß der Autohersteller und damit vielleicht meine Autoversicherung, dass einige meiner Freunde in einem hippen Viertel der Stadt wohnen, in dem es jedoch oft zu Krawallen kommt? Beängstigend.

Genau an dieser Stelle ist nun ein neuer Ansatz wichtig. Ähnlich wie im Strafprozess vielleicht. Ein „Datenverwertungsverbot“, dass bestimmte Daten eben nicht zum Gegenstand einer Entscheidung werden dürfen? Das klingt doch ziemlich gut, oder? Die Hoheitsgewalt über meine Daten quasi. Das wär schön. Aber die neuesten Sales bei GAP, die mir basierend auf meinem letzten Besuch angezeigt werden... immer her damit!

Wir müssen lernen, mit der Preisgabe unserer Daten zu leben – zumindest ein Stück weit. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Auch mit dieser Kolumne hinterlasse ich eine unauslöschliche Datenspur. Bei einem Datenschutzverband brauch ich mich jedenfalls nicht mehr bewerben...

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