Dass sie (bewusst oder unbewusst) einen Fehler gemacht haben, sehen die meisten abgemahnten Online-Händler im Abmahnfall ein. Dass mit einem kleinen (und subjektiv als unbedeutend empfundenen) Fehler jedoch meist viele Hundert Euro zu zahlen sind, lässt viele am deutschen Rechtssystem zweifeln. Erst kürzlich meldete sich eine Leserin auf einen unserer Abmahnmonitore und fragte, ob die Abmahnung, die sie ebenfalls erhalten habe, nicht rechtsmissbräuchlich sei.

Rechtsmissbrauch
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Ohne Abmahnungen kein Online-Handel

Keine Branche überwacht sich mit solchen Argusaugen wie der Online-Handel. Seit einigen Wochen veröffentlichen wir daher in regelmäßigen Abständen die Trends aus der Abmahnbranche in unserem Abmahnmonitor. Dabei gehen wir auf Abmahnungen ein, die wegen ihres Inhaltes besonders auffällig waren oder in einer ungewöhnlichen Häufigkeit auftraten, um so Händler vor gleichen Verstößen zu warnen.

Immer wieder melden sich Leser auf unsere Veröffentlichungen hin und teilen mit, ebenfalls betroffen zu sein. So erst kürzlich eine Leserin, die aufgrund eines Abmahnmonitors neue Hoffnung geschöpft hatte: „Nach meinem persönlichen Unrechtsempfinden habe ich höchstens einen Fehler gemacht, mich aber nicht unlauter verhalten oder mir einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Für mich ist diese Abmahnung ein Skandal [...].“ Das Anliegen der Dame war daher schlussendlich das Sammeln von Hinweisen, mit denen dem Abmahner eine rechtswidrige Massenabmahnung mit betrügerischer Absicht nachgewiesen werden kann.

Abmahnungen sind eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, um den ordnungsgemäßen Wettbewerb zu sichern und Konkurrenzen auf Verstöße hinzuweisen. Die Abmahnung muss daher aus dem Grund erfolgen, faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. Wirbt ein Händler mit unlauteren Werbeaussagen, beispielsweise „versicherter Versand“, muss er zu Recht darauf hingewiesen werden. Aber alles hat seine Grenzen.

Abmahnindustrie ein Skandal?!

Hat die Abmahnung allein oder ganz überwiegend andere Motive, kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen. Dies kann beispielsweise dann vorkommen, wenn der abmahnende Händler in den Abmahnungen lediglich eine gewinnbringende Beschäftigung betreibt. Bei einem kleinen Online-Händler kann ein Rechtsmissbrauch schon angenommen werden, wenn der eigene Umsatz des Abmahners in keinem Verhältnis zur umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit steht.

Übrigens: Was die wenigsten wissen, ist, dass an wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen nur der Rechtsbeistand verdient, nicht jedoch der Abmahner selbst. Absprachen mit Anwälten sind jedoch fast nie nachweisbar.

Folgende Anhaltspunkte sprechen dafür, dass eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist:

  • massenhafte Versendung
  • alleiniges Ziel, Abmahngebühren zu generieren (Achtung: Beweisbarkeit!)
  • Frist von nur einem Tag
  • Ausübung von Druck, z. B. durch Inaussichtstellen höherer Kosten
  • Unternehmen wurde offensichtlich zum Zweck der Abmahnung gegründet

Liegt nach dem ersten Lesen oder Recherchieren schon einer der oben genannten Gründe vor, kommt bei vielen Händlern der Verdacht auf, dass es nicht in erster Linie um den fairen Wettbewerb geht. Da Abmahnungen generell nie ohne Rechtsanwalt abgewickelt werden sollten, sollte auch der Verdacht des Rechtsmissbrauchs kritisch angegangen werden. Bei Befürchtung eines Rechtsmissbrauchs sollte sorgfältig geprüft und abgewogen werden, ob neben der eigentlichen Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen noch andere Motive eine Rolle spielen.

Rechte bei Rechtsmissbrauch

Ist die Abmahnung tatsächlich rechtsmissbräuchlich, kann der Abgemahnte die Erstattung der eigenen Rechtsverfolgungskosten verlangen. Außerdem besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht mehr.