OLG Hamm: Rechtsmissbrauch bei koordinierten Mehrfachabmahnungen

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 07.03.2013

Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm (vom 03.05.2011, Az: 4 U 9/11), welches nunmehr im Volltext vorliegt, sind Mehrfachgegenabmahnungen, die von einer Interessengemeinschaft koordiniert und abgestimmt gegen einen Mitbewerber durchgeführt werden, rechtsmissbräuchlich.

Im Sachverhalt, den das OLG Hamm zu entscheiden hatte, mahnte ein Händler - nennen wir ihn H - welcher über Ebay Spielzeug verkaufte, diverse Mitbewerber wegen der Verwendung einer veralteten Widerrufsbelehrung ab. Einer der Mitbewerber beauftrage Rechtsanwalt R, welcher im Internet über den „Rechtsmissbrauch des Herrn H“ informierte und von diesen Abmahnungen Betroffene aufforderte, sich dringend anwaltlich beraten zu lassen, mit der Gegenabmahnung. Rechtsanwalt R mahnte H nachfolgend im Auftrag von 6 Mandanten innerhalb von nicht mehr als 9 Tagen wegen nahezu identischer Verstöße ab (H hatte u.a. eine fehlerhafte 40,00 €-Klausel verwendet und seine Kunden nicht über die Speicherung des Vertragstextes informiert). H gab daraufhin gegenüber einigen der Gegenabmahner strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab.

Damit war die Angelegenheit jedoch noch nicht erledigt. In der Folgezeit wurde H von Rechtsanwalt R im Auftrag der Mitbewerber erneut wegen derselben Vorwürfe abgemahnt. H wollte keine weiteren Unterlassungserklärungen abgeben, daraufhin erwirkte die Gegenseite vor dem LG Bochum eine einstweilige Verfügung, welche nachfolgend vom Gericht auch aufrechterhalten wurde. Hiergegen richtete sich H mit seiner Berufung. Das LG Bochum habe in seinem Urteil (Az: 12 O 164/10) die Rechtsmissbräuchlichkeit der Gegenabmahnungen zu Unrecht verneint. Es habe kein vernünftiger Grund für die Mehrfachverfolgung vorgelegen - Rechtsanwalt R habe das Geschäft gewittert, mehrfach Gebührenansprüche generieren zu können.

Das OLG Hamm gab Händler H Recht und gab der Berufung statt. Es führte in seinem Urteil u.a. aus:

„....Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 IV UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende oder vorrangige Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (...). Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Dabei dient die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs vorwiegend dazu, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung oder auf Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen. Ein Missbrauch kann aber auch vorliegen, wenn es dem Anspruchsberechtigten in erster Linie darum geht, den Verletzer mit Kosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden (...).
...Im vorliegenden Fall spricht alles für ein solches vorherrschendes Kostenbelastungsinteresse des Antragstellers in Bezug auf den Antragsgegner als ihn zuvor abmahnenden Wettbewerber. Die Abmahnung des Antragstellers steht nämlich nicht für sich. Es gab insgesamt sechs Abmahnungen von gleichfalls zuvor abgemahnten Mitbewerbern des Antragsgegners, denen überwiegend identische Verstöße zugrunde lagen. Nachdem sich der Antragsgegner nach den gleichlautenden Abmahnungen gegenüber dem Antragsteller ebenso wie gegenüber den Mitbewerbern Q und A unterworfen hatte, haben alle drei einen einheitlichen Verstoß gegen die ihnen gegenüber eingegangene Unterlassungsverpflichtung zum Anlass genommen, den Antragsgegner am selben Tag erneut abzumahnen und von ihm das Versprechen einer höheren Vertragsstrafe zu verlangen. Diese Art der Mehrfachverfolgung des Antragsgegners mit ihren ganz erheblichen Kostenrisiken für diesen war nicht erforderlich, um das legitime Ziel des Antragstellers zu erreichen, die wettbewerbswidrige Präsentation seiner Internetangebote verbieten zu lassen. Dazu hätte vielmehr ein einziger Titel ausgereicht (...). Solch eine nicht erforderliche Mehrfachverfolgung lässt aus objektiver Sicht nur den Schluss zu, dass vielfache Kostenerstattungsansprüche und mögliche vielfache Vertragsstrafenansprüche produziert und dann auch verfolgt werden sollten....“

Fazit:

Die Gegenabmahnung als Mittel, den abmahnenden Mitbewerber an die eigene Lauterkeit zu erinnern bzw. auf eigene Wettbewerbsverstöße aufmerksam zu machen, ist zulässig – die Gegenabmahnung als „Retourkutsche“ einer koordiniert handelnden Personenmehrheit, um den Abmahnenden darüber hinaus zu schädigen, allerdings nicht. Die einzelnen Mandanten konnten sich hier insbesondere nicht damit herausreden, von der aufeinander abgestimmten Mehrfachverfolgung keine Kenntnis gehabt zu haben, denn das Wissen des Rechtsanwaltes müssen sich die Mandanten zurechnen lassen.

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