Amazon „verschenkt“ deine Ware und du zahlst die Rechnung? Die Realität für FBA-Händler

Veröffentlicht: 26.05.2025
imgAktualisierung: 26.05.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
26.05.2025
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ca. 3 Min.
Auf einer Türschwelle stehen zwei Amazon-Pakete
jeramey.lende.gmail.com / Depositphotos.com
Was tun, wenn Amazon versehentlich zu viel liefert – und der Händler dafür haftet? Dieser Artikel zeigt, wie Seller reagieren.


Ein Kunde bestellt eine Tintenpatrone – geliefert wird ein Dreier-Blister. Eine Kundin wartet auf ein USB-Kabel – und bekommt stattdessen eine Tastatur. Ein anderer bestellt ein Handy und bekommt – Steine. So kurios das klingt, in der Welt von Amazon und Fulfillment by Amazon (FBA) sind solche Pannen nicht auszuschließen. Die Ursachen reichen von fehlerhaften Einbuchungen im Lager über menschliches Versagen beim Verpacken bis hin zu Zugriffen in der Lieferkette. Doch während sich Kunden vielleicht über das Extra freuen, beginnt für den Händler oft ein wirtschaftlicher Drahtseilakt.

FBA: Komfort mit Risiken

Für viele Online-Händler ist Amazon FBA eine wertvolle Unterstützung: Die Plattform übernimmt Lagerung, Versand und sogar Teile des Kundenservice. Doch sobald es zu Fehllieferungen kommt, müssen Händler wachsam sein. Denn auch wenn Amazon viele Prozesse automatisiert und erleichtert, liegt die Verantwortung für korrekte Liefermengen letztlich beim Anbieter.

Ein klassischer Fall: Ein Händler liefert eine Palette mit 1.000 Druckerpatronen ins Amazon-Lager. Dort wird die Ware eingebucht – doch durch einen menschlichen oder systembedingten Fehler landet ein ganzer Karton im falschen Fach. Plötzlich erhält ein Kunde nicht eine Patrone, sondern 50. Die Chancen, dass sich dieser meldet, sind gering. Viel wahrscheinlicher findet man den Überschuss dann in den einschlägigen Kleinanzeigen-Portalen.

Zu viel geliefert, behalten oder melden?

Daher schauen wir uns zunächst einmal die andere Seite an – die Seite derjenigen, die von solchen Pannen profitieren (könnten). Man bestellt eine Druckerpatrone und bekommt gleich drei. Oder es liegt plötzlich ein zweites Handy im Karton. Was nun? Viele Kundinnen und Kunden stehen dann vor der Frage: Soll ich mich kaputt freuen, dass ich den großen Hit gelandet habe? Darf ich das einfach behalten? Muss ich den Händler informieren? Oder mache ich mich sogar strafbar, wenn ich schweige?

Schauen wir ins Gesetz: Wer unbestellte Ware erhält, darf sie behalten. So regelt es das Bürgerliche Gesetzbuch in § 241a. Dieser Paragraf ist jedoch für unlautere Verkaufstricks gedacht, wie sie in der Vergangenheit passierten. Manche werden sich noch an unerbetene Warenproben oder Abo-Fallen erinnern können, die besonders in den 90ern ein großes Thema waren. Die Regel greift also nur dann, wenn die Lieferung tatsächlich unbestellt ist. Wer etwas zu viel geliefert bekommt, hat aber zumindest zuvor eine Bestellung getätigt. Wenn jemand ein Set Bettwäsche bestellt, aber zwei bekommt, handelt es sich nicht um eine klassische unbestellte Lieferung, sondern um eine sogenannte Zuviellieferung.

Kunden dürfen Zuviellieferung nicht behalten

Wer erkennt, dass er zu viel bekommen hat, sollte dem Verkäufer die Möglichkeit geben, den Fehler zu korrigieren. Ignoriert man die zu viel gelieferte Ware und nutzt sie in Kenntnis des Fehlers, kann das als ungerechtfertigte Bereicherung gewertet werden. Wird die Fehllieferung später – etwa bei einer Inventur – entdeckt, kann der Händler grundsätzlich eine Rückgabe oder Wertersatz verlangen. Auch ein Betrugsverdacht kann entstehen, wenn man aktiv versucht, den Fehler zu verschleiern und auf Nachfrage lügt. Fakt ist: In der Praxis wird selten jemand belangt, aber rein rechtlich darf man die Zuviellieferung nicht behalten.

Anders sieht es aus, wenn man etwas völlig anderes erhält als bestellt – etwa statt eines Headsets ein Paar Sportschuhe. Juristisch handelt es sich dabei um einen Gewährleistungsfall. Der Händler hat dann seine Vertragspflicht verletzt und der Kunde kann die richtige Lieferung verlangen. Aber: Dieses Recht greift nur, wenn der Kunde den Mangel überhaupt meldet. Wer statt einer Powerbank ein Tablet erhält, wird sich wohl (zum Leidwesen der Händler) zweimal überlegen, ob er lieber schweigen sollte.

Was Händler tun können

Amazon bietet Händlern in solchen Fällen zwar Support und Prüfprozesse, doch die Klärung kann aufwendig sein. Oft muss der Händler nachweisen, was und wie viel er angeliefert hat. Gleichzeitig hat er keinen direkten Einfluss auf die internen Abläufe in Amazons Fulfillment-Zentren. Wer auf FBA setzt, sollte sich der potenziellen Stolperfallen bewusst sein und proaktiv gegensteuern. Viele Händler setzen auf dokumentierte Lieferungen, etwa durch Fotos oder Seriennummern. Manche führen stichprobenartige Testkäufe durch, um die Auslieferungskette zu überprüfen. Und sollte es doch zu Unstimmigkeiten kommen, kann es sich lohnen, spezialisierte Dienstleister für FBA-Erstattungsprozesse hinzuzuziehen. Denn auch wenn Amazon vieles erleichtert, erfordert der professionelle Umgang mit Fulfillment-Pannen Organisation, Nachweisfähigkeit und einen kühlen Kopf.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 26.05.2025
img Letzte Aktualisierung: 26.05.2025
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

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