Verkäufer auf Amazon investieren oft viel Herzblut, Geld und Zeit in ihr Geschäft. Sie bauen Kundenbeziehungen auf, entwickeln Produkte, sorgen für exzellenten Service. Umso frustrierender ist es, wenn diese Bemühungen zunichtegemacht werden – nicht etwa durch eigenes Fehlverhalten, sondern durch Kundenbetrug in Kombination mit Amazons rigidem A-Z-Garantiesystem.

Der Fall: Ware geliefert – und trotzdem Rückzahlung

Ein aktueller Beitrag im Amazon-Verkäuferforum hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Ein Händler berichtet dort, wie er zwei maßgefertigte Massivholztische verkauft und ordnungsgemäß geliefert hat. Der Kunde jedoch reichte gleich zwei A-Z-Garantieanträge ein – mit der Behauptung, die Ware nie erhalten zu haben. Amazon erstattete den Kaufpreis in vollem Umfang, ohne den vorgelegten Liefernachweis oder die Kommunikation mit dem Kunden zu würdigen.

Einspruch? Erfolglos. Amazon blieb bei seiner Entscheidung – der Händler blieb auf den Kosten sitzen.

Händler fühlen sich im Stich gelassen

Mag man den vielen Berichten glauben, ist das kein Einzelfall. Seller berichten von Retouren, bei denen Ware beschädigt zurückkommt – trotzdem verlangt Amazon eine vollständige Rückzahlung, so der Vorwurf. Andere schildern Fälle, in denen Kunden behaupten, nur einen Teil der Lieferung erhalten zu haben, obwohl alle Artikel nachweislich korrekt versendet wurden. Besonders dreist: Einige Kunden schicken offensichtlich benutzte Produkte zurück, teils sogar ausgetauscht gegen minderwertige oder gefälschte Ware.

In all diesen Fällen zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: Zum einen spielt der gesetzliche Verbraucherschutz ihnen in die Karten. Aber auch Amazon entscheidet gefühlt reflexartig zugunsten der Käufer – mit Verweis auf die A-Z-Garantie und das Ziel, die Kundenzufriedenheit um jeden Preis sicherzustellen. Für die Händler bleibt oft nur Frust – und ein finanzieller Schaden.

Rechtlich fragwürdig: Darf Amazon das überhaupt?

Juristisch gesehen basiert der Verkauf zwischen Händler und Kunde auf einem ganz normalen Kaufvertrag nach deutschem Recht – auch wenn Amazon die Plattform stellt. Die A-Z-Garantie ist hierbei lediglich ein zusätzliches freiwilliges Serviceversprechen von Amazon an die Käufer – aber keine gesetzlich bindende Rechtsentscheidung. Das bestätigte bereits der Bundesgerichtshof (BGH). Die A-Z-Garantie sei eine Vereinbarung allein zwischen Amazon und den Kunden – und bindet Händler nicht. Diese Entscheidung bedeutet somit, dass Händler auch nicht verpflichtet sind, Amazons Entscheidungen im Rahmen ihrer eigenen vertraglichen Beziehungen mit dem Kunden zu akzeptieren.

Amazon kann die Rückzahlung zwar im Rahmen seiner Plattformregeln durchführen – das entbindet den Kunden aber nicht automatisch von seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Händler. Der Händler hat je nach Einzelfall weiterhin einen Anspruch, beispielsweise auf Bezahlung oder auf Rückgabe der Ware.

Was Händler tun können – und was nicht

Amazon entscheidet häufig, offenbar ohne neutral zu prüfen – und gibt dem Händler somit keine realistische Möglichkeit zur Verteidigung. Wehren kann man sich dennoch, so man genügend Geduld und Ausdauer übrig hat. Mögliche Schritte und Handlungsempfehlungen sind:

  • Beweise sichern: Immer Versandnachweise, Fotos, Trackinginformationen und Kundenkommunikation aufbewahren.
  • Ablehnungen anfechten: Bei Amazon-Einspruchsfällen hartnäckig bleiben – und alle Unterlagen strukturiert einreichen.
  • Juristische Schritte prüfen: Statt sich ausschließlich auf Amazons Entscheidungen zu verlassen, sollten Händler ihre gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche prüfen (z. B. das Recht auf Nachbesserung statt einer Erstattung des Kaufpreises im Falle eines Mangels). Eine Kanzlei kann helfen, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Kunden durchzusetzen – auch bei vermeintlich abgeschlossenen Amazon-Fällen. Offene Zahlungen können wie gewohnt über Inkassodienste, Mahnverfahren oder Klagen verfolgt werden, wenn sie fällig und berechtigt sind.
  • Ggf. Rechtsschutzversicherung prüfen: Manche Gewerbeversicherungen decken Betrugs- oder Zahlungsausfallrisiken ab.
  • Reputation außerhalb Amazons stärken: Wer auch eigene Online-Shops oder andere Plattformen nutzt, kann sich unabhängiger machen.

Was sich ändern muss

Die A-Z-Garantie war ursprünglich als Schutzmechanismus für Kunden gedacht – ein guter Gedanke, der Vertrauen schaffen sollte. Doch wenn diese Garantie zur Einbahnstraße wird und eine Steilvorlage für dreiste Kunden bietet, kippt das Gleichgewicht. Amazon muss hier dringend nachbessern: Es braucht transparentere Entscheidungsprozesse, eine echte Prüfung der Fakten und vor allem die Möglichkeit für Verkäufer, sich effektiv zu wehren.

Doch genau das ist in der Praxis oft kaum möglich. Denn wer sich mit Amazon anlegt, geht auf dünnem Eis. Händler wissen, wie schnell eine Sperrung, ein entfernter Artikel oder eine gesenkte Sichtbarkeit droht – oft ohne Vorwarnung und ohne nachvollziehbare Begründung. Viele scheuen deshalb den offenen Konflikt – aus Angst, ihren gesamten Vertriebskanal zu verlieren.

Auch der Rechtsweg ist– nüchtern betrachtet – nicht immer eine realistische Option. Wer klagt schon wegen 20 Euro – oder schaltet ein Inkassobüro ein, wenn die Kosten höher sind als der Streitwert? Genau das wissen leider auch jene Kunden, die das System gezielt ausnutzen. Sie spekulieren darauf, dass Händler den Aufwand scheuen – und behalten am Ende Geld und Ware. Was bleibt, ist Frust. Und das Gefühl, einem System ausgeliefert zu sein, das den eigenen Beitrag zwar gern entgegennimmt, aber im Ernstfall keinen Schutz bietet.