Ab dem 28. Juni 2025 wird Barrierefreiheit in Deutschland für viele Produkte und Dienstleistungen (z. B. Online-Shops) verpflichtend – geregelt durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten, Geräten und Services zu ermöglichen. Besonders für Unternehmen im Handel oder Dienstleistungsbereich ist es jetzt wichtig, sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinanderzusetzen.
Dabei lohnt sich ein genauer Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen – denn nicht in jedem Fall gelten die Pflichten uneingeschränkt.
Welche Ausnahmen gibt es für Kleinstunternehmen?
Das BFSG verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Produkte und digitalen Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Doch es gibt auch Ausnahmen: Kleinstunternehmen können in bestimmten Fällen von den Anforderungen an eine barrierefreie Dienstleistung (z. B. die Umsetzung einer barrierefreien Webseite) ausgenommen sein.
Ein Unternehmen gilt als Kleinstunternehmen, wenn es:
- weniger als 10 Personen beschäftigt und
- einen Jahresumsatz oder eine Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro hat.
Das BFSG erklärt selbst nicht, wie man die Beschäftigenzahl berechnet. Hierzu werden die Artikel 2 und 5 der Empfehlung der EU-Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen und der dort beschriebenen Methodik herangezogen. Konkret bedeutet das: Die Mitarbeiterzahl entspricht der Zahl der Jahresarbeitseinheiten (JAE), d. h. der Zahl der Personen, die in dem betroffenen Unternehmen oder auf Rechnung dieses Unternehmens während des gesamten Berichtsjahres einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sind. Für die Arbeit von Personen, die nicht das ganze Jahr gearbeitet haben oder die im Rahmen einer Teilzeitregelung tätig waren, und für Saisonarbeit wird der jeweilige Bruchteil an JAE gezählt.
In die Mitarbeiterzahl gehen laut der Kommission ein:
- Lohn- und Gehaltsempfänger (z. B. klassische Angestellte mit Arbeitsvertrag);
- für das Unternehmen tätige Personen, die in einem Unterordnungsverhältnis zu diesem stehen und Arbeitnehmern gleichgestellt sind (z. B. freie Mitarbeiter mit Weisungsbindung);
- mitarbeitende Eigentümer (z. B. Inhaber eines Einzelunternehmens, die operativ mitarbeiten);
- Teilhaber, die eine regelmäßige Tätigkeit in dem Unternehmen ausüben und finanzielle Vorteile aus dem Unternehmen ziehen (z. B. Gesellschafter in einer GbR oder OHG, die aktiv mitarbeiten).
Nicht mitzuzählen sind
- Auszubildende
- Praktikant:innen ohne reguläres Arbeitsverhältnis
- Langzeitabwesende (z. B. Elternzeit, Sabbatical, Langzeiterkrankung)
- Reine Kapitalgeber, stille Teilhaber
Eine JAE entspricht einer Vollzeitkraft über ein ganzes Jahr. Teilzeitkräfte, Saisonbeschäftigte oder Aushilfen zählen anteilig.
Achtung: Für die Produkte selbst gilt diese Ausnahme allerdings nicht – sie müssen unabhängig von der Unternehmensgröße barrierefrei gestaltet werden, sofern sie unter das BFSG fallen.
Beispiel zur Berechnung
Schauen wir uns diese Anforderungen an einem konkreten Beispiel an. Ein Unternehmen beschäftigt:
- 3 Vollzeit-Angestellte (100 Prozent) = 3,0 JAE
- 1 Inhaber (arbeitet voll mit) (100 Prozent) = 1,0 JAE
- 2 dauerhafte Teilzeitkräfte (je 50 Prozent) = 1,0
- 1 Vollzeit arbeitende Saisonkraft (3 Monate, 100 Prozent) 25 Prozent = 0,25 JAE
- 1 Mitarbeiter in Elternzeit = 0,0 JAE
Gesamt = 5,25 JAE
Das Unternehmen liegt in diesem Beispiel unter der Zehn-Personen-Grenze und könnte hinsichtlich seiner Dienstleistungen (insbesondere dem Online-Shop) von der Ausnahme profitieren – nicht aber bei den Produkten, soweit es welche anbietet, die dem BFSG unterfallen.
Fazit
Das BFSG betrifft viele Unternehmen – auch kleinere. Für Webseiten und digitale Services gelten unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen für Kleinstunternehmen. Doch: Bei den betroffenen Produkten gibt es keine Ausnahme – hier ist Barrierefreiheit Pflicht. Eine präzise Berechnung der Beschäftigtenzahl ist daher entscheidend, um korrekt einzuordnen, welche Anforderungen für welchen Bereich gelten.
Weitere Informationen rund um die Barrierefreiheit findest du auf unserer Themenseite Barrierefreiheit.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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