Der Verlust von Paketen – speziell etwa nach der Ablage vor der Wohnungstür, im Garten oder an sonstigen Abstellorten – ist ein leidiges Thema für viele Seller. Denn neben Unachtsamkeiten beim Transport oder Fehlern bei der Zustellung kommt es in der Praxis auch immer wieder zu Betrugsfällen: In solchen Fällen melden Kundinnen und Kunden arglistig den angeblichen Verlust des Pakets, um dann Ersatz oder Rückerstattung zu verlangen.
Für Händlerinnen und Händler sind solche Fälle von Betrug in der Regel nicht nur mit Kosten, sondern auch mit Ärger und teils erheblichen Belastungen verbunden:
- Sie erleiden finanzielle Schäden durch einen doppelten Verlust (Produkt und Rückerstattung bzw. Ersatz).
- Der Austausch mit den Kundinnen und Kunden kann einen erhöhten Aufwand im Bereich Kundenservice nach sich ziehen.
- Auch durch die Kommunikation rund um die Paket-Nachforschung sowie die Prozesse im Rahmen der Beweispflicht stellen einen Mehraufwand dar.
- Um den Druck auf die Seller zu erhöhen, greifen die Kundinnen und Kunden teils auf öffentliche Anschuldigungen, z. B. über soziale Medien, zurück, was zu einem Reputationsverlust führen kann.
Händler sind häufig in der Pflicht
Geht ein Paket nach Abstellung verloren, ist die Haftung nicht nur von der Art des Geschäfts – also B2C oder B2B – abhängig, sondern auch davon, ob der Kunde oder die Kundin eine entsprechende Abstellgenehmigung erteilt hat. Eine Übersicht über mögliche Haftungsfälle geben wir an dieser Stelle:
>> Paket einfach abgelegt – Wer haftet bei Verlust? <<
Viele Fälle, bei denen Seller einen Betrug vermuten, sind jedoch ähnlich gelagert: Bei ihnen handelt es sich oft um B2C-Verkäufe (also einen Handel zwischen Unternehmen und Privatpersonen), wobei keine Abstellgenehmigung vorliegt. In solchen Fällen tragen Seller das Transportrisiko und haften so lange, bis das Paket dem Empfänger oder der Empfängerin tatsächlich zugestellt wurde. Sie sind entsprechend in der Verantwortung, wenn Ware auf dem Versandweg kaputtgeht oder verschwindet.
Trotz dieses Umstands sollten Unternehmen grundsätzlich nicht zögern, die Schäden durch Paketverluste bei Bedarf gegenüber den genutzten Zustelldiensten geltend zu machen. Wird eine Sendung trotz fehlender Abstellgenehmigung einfach auf dem Briefkasten oder vor der Wohnungstür hinterlegt, darf bei Verlust gegebenenfalls auf eine Vertragsverletzung bei der Zustellung verwiesen und ein Kompensationsanspruch erhoben werden. Die Auseinandersetzung mit den involvierten Kundinnen und Kunden erspart dies dennoch nicht.
Kritik: Amazon soll Betrug mit Paket unterstützen
Gerade aus dem Universum des Amazon-Marktplatzes gibt es zahlreiche Berichte von Sellern, die mit verschwundenen Paketen und vermutetem Betrug kämpfen. Ein Blick ins Sellercentral offenbart dabei teils scharfe Kritik an den Strukturen des Marktplatzanbieters: Amazons kundenfreundliche Rückgabe- und Erstattungsrichtlinien – Stichwort A-bis-Z-Garantie – unterstützen demnach betrügerische Absichten, da Reklamationen häufig schnell, unkompliziert und ohne tiefgreifende Prüfungen erfolgen.
Selbst, wenn Nachweise oder Fotos vorliegen, lasse Amazon oft nicht mit sich reden und Beschwerden gegen Erstattungsentscheidungen laufen ins Leere, so der Vorwurf, der immer wieder zu lesen ist. Da oft zugunsten der Kundinnen bzw. Kunden entschieden werde, entstünden Sellern beispielsweise auch in solchen Fällen Schäden, in denen eine Zustellung an die Empfänger später eigentlich belegt werden könne. Doch natürlich sind solche Fälle auch abseits von Amazon zu finden.
Die Beweisbarkeit als Problem – Tipps für Seller
Die Schwierigkeit solcher Fälle besteht häufig darin, dass die Aussagen des verkaufenden Unternehmens den Aussagen der Kundin bzw. des Kunden gegenüberstehen. Händlerinnen und Händler sind grundsätzlich erst einmal in der Beweispflicht und müssen belegen, dass die Ware tatsächlich bei der Kundschaft angekommen ist. Dazu können sie auf verschiedene Mittel (gut auch in Kombination) zurückgreifen:
- Dokumentation der versandten Ware, z. B. durch Scannen der Produkte vor oder beim Verpacken
- Videoüberwachung der Packprozesse (Aber Achtung: Bei einer Videoüberwachung von Arbeitsplätzen müssen auch rechtliche Grundlagen wie die DSGVO und die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden berücksichtigt werden)
- Abgleich des Paketgewichts vor und nach der Einlieferung beim Versanddienst
- Einlieferungsbeleg und Tracking-Nummer
- Nachweis des Lieferdienstes über die Zustellung, z. B. Lieferbestätigung, Unterschrift, Fotos etc.
- durch den Versand an Pack- bzw. Abholstationen kann sichergestellt werden, dass nur legitimierte Personen die Sendung abholen
- Eidesstattliche Versicherung der Kundin bzw. des Kunden über den Nichterhalt der Sendung (Näheres dazu folgt im nächsten Abschnitt)
All diese Beweismittel können im Fall der Fälle genutzt werden, um die Erfüllung der eigenen Pflichten zu belegen und die eigene Position sowie Glaubwürdigkeit in der Argumentation zu stärken – sei es nun im Zuge einer kommunikativen Auseinandersetzung mit der Kundschaft, gegenüber dem Versanddienst oder im Rahmen rechtlicher Schritte, wie einer Anzeige.
Was kann eine Eidesstattliche Versicherung bewirken?
Ein Instrument, das Sellern auf unterschiedliche Arten helfen kann, ist eine sogenannte „Eidesstattliche Erklärung“ oder „Eidesstattliche Versicherung“, mit der Kundinnen und Kunden im Problemfall bestätigen, dass sie ihre Sendung erstens tatsächlich nicht erhalten haben und zweitens die Wahrheit sagen.
Paketdienste kommen nicht selten auch erst dann für den Verlust von Sendungen auf bzw. regulieren entsprechende Schäden, wenn eine solche Erklärung vorliegt. Im Zuge der Klärungsprozesse sind es dabei häufig die Unternehmen selbst, die angehalten sind, ihre Kundinnen und Kunden um eine solche Erklärung zu bitten.
Zwar kann ein Verbraucher bzw. eine Verbraucherin nicht verpflichtet werden, eine solche Erklärung über den Nichterhalt der Sendung abzugeben, doch allein die Aufforderung um Abgabe kann die Umstände erheblich verändern: So ist aus der Praxis zu hören, dass sich bei vermeintlichem Paketverlust manche Fälle nach der Bitte um eine „Eidesstattliche Versicherung“ selbst klären – etwa dann, wenn Kundinnen und Kunden im Betrugsversuch registrieren, dass es sich dabei keinesfalls um ein Kavaliersdelikt, sondern um eine waschechte Straftat handelt, die mit rechtlichen Konsequenzen einhergehen kann.
Um Sellern den Aufwand hier zu erleichtern, bieten Rechtsdienstleister wie der Händlerbund Mustervorlagen einer solchen Erklärung beim Eidesstattlichen Paketverlust.
Maßnahmen zum Schutz vor Paketbetrug
Leider können Seller Betrug mit Paketverlust nicht gänzlich ausschließen. Ein Patentrezept ist auch hier mal wieder Mangelware. Doch es gibt durchaus Maßnahmen und Strategien, die einerseits das Risiko mindern können, Opfer zu werden, und die andererseits im Falle eines Betrugsfalls dabei helfen können, den Schaden zu mindern.
Technische Maßnahmen zur Betrugserkennung
Der Markt bietet mittlerweile eine ganze Bandbreite verschiedener automatisierter Tools zur Risikoanalyse im Online-Handel und zur Erkennung und Prävention von Betrug. Da diese Systeme datenbasiert funktionieren und mittlerweile häufig auf künstliche Intelligenz zurückgreifen, sind sie in der Lage, potenzielle Betrugsversuche in Echtzeit aufzudecken.
Problematische Kundinnen und Kunden ausschließen
„Aus Schaden wird man klug“, heißt es im Volksmund. Und das sollte auch im Online-Handel gelten. Haben Seller schlechte Erfahrungen mit einzelnen Kundinnen und Kunden gemacht – etwa wegen horrender Retourenquoten oder häufiger Paketverluste – dürfen sie diese von künftigen Käufen ausschließen. Dies kann beispielsweise auch für solche Menschen gelten, die bei Problemfällen in der Vergangenheit die Abgabe einer Eidesstattlichen Erklärung verweigert haben. Rechtliche Grundlage für den Ausschluss ist das Hausrecht, das nicht nur im stationären Handel greift, sondern auch im digitalen Raum eingesetzt werden kann. Diese Maßnahme kann dem Schutz des Unternehmens vor wirtschaftlichem Schaden sowie der Wahrung eines sicheren Kaufumfelds dienen.
Schulungen der eigenen Teams
Gerade in kritischen Fällen wie Paketverlust oder in vermeintlichen Betrugsfällen ist eine zielführende Kommunikation wichtig. Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut geschult, können sie potenzielle Betrugsversuche besser erkennen, auch in hitzigen Gesprächssituationen gut reagieren, nützliche Rückfragen stellen und so zur Deeskalation und Klärung der Lage beitragen.
Versandversicherung nutzen
Eine Transportversicherung ist sicher nicht für alle Händlerinnen und Händler lohnenswert. Doch gerade, wenn es um hochwertige oder einzigartige Produkte geht, die die gängige Absicherungshöhe der Versandhaftung von Paketdiensten übersteigt, sollten sich Unternehmen mit den Möglichkeiten auseinandersetzen. Gleiches trifft auch auf saisonale Entwicklungen zu: Wenn sich etwa in der weihnachtlichen Peak-Saison die Paketmengen deutlich erhöhen und in Kombination mit Zeitdruck das Risiko von Paketverlusten steigt.
Rechtliche Schritte
Je nach Situation und Höhe des Verlusts gibt es sicher Fälle von vermeintlichem Paketbetrug, die Seller aus Zeit- und Ressourcengründen einfach durchwinken. Auch hier muss die Kosten-Nutzen-Kalkulation schließlich mit Verstand und Augenmaß erfolgen. Doch gerade bei schwerwiegenderen Fällen sollen Händlerinnen und Händler rechtliche Möglichkeiten nutzen, um zu ihrem Recht zu kommen. Neben einer fachlichen Beratung durch Experten ist beispielsweise auch eine polizeiliche Anzeige möglich.
Fazit: vorbeugen, lernen, handeln
Betrügerisch gemeldete Paketverluste sind im Online-Handel leider kein Einzelfall, sondern ein reales Risiko. Um entsprechende Schäden möglichst gering zu halten, sollten Händlerinnen und Händler präventive Maßnahmen ergreifen und sich sowohl technisch als auch organisatorisch wappnen. Werden Prozesse gut dokumentiert, sind Risiko- und Betrugstools im Einsatz, liegen Musterschreiben griffbereit und sind die eigenen Teams gut auf kritische Fälle eingestellt, dann haben Seller bessere Chancen, sich gegen unlauter handelnde Kundinnen und Kunden zu wehren und im Fall der Fälle ihr Recht zu erstreiten.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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