Gericht streicht Wertersatz und Händler bleibt auf Kosten sitzen

Veröffentlicht: 23.04.2025
imgAktualisierung: 23.04.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
23.04.2025
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Aus einem Stapel Münzen wird eine herausgezogen, was den Einsturz provoziert
eamesBot / Depositphotos.com
Widerruf ohne Wertersatz? Das OLG Stuttgart setzt ein fatales Signal für Online-Händler. Jetzt lesen, was man dringend beachten muss!


Der Wertersatz ist eine Dauerbaustelle im Online-Handel. Seit Jahren kämpfen Händler darum, bei Widerruf zumindest für die Nutzung benutzter Ware entschädigt zu werden. Doch die Gerichte zeigen sich zurückhaltend – und nun verschärft ein Urteil des OLG Stuttgart die Lage erneut. Trotz monatelanger Nutzung eines teuren Pkws: kein Cent Wertersatz. Die Entscheidung sorgt für Empörung – und bringt erneut Unsicherheit in eine ohnehin schon heikle Rechtslage. Was dahintersteckt und worauf sich Händler jetzt einstellen müssen, liest du hier.

Rückgabe nach Nutzung – und der Händler zahlt die Zeche

Mit einem Urteil vom 8. April 2025 (Az. 6 U 126/24) hat das OLG Stuttgart entschieden, dass ein Verbraucher trotz monatelanger Nutzung eines Fahrzeugs keinen Wertersatz leisten muss – nur weil die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß war. Was war passiert?

Ein Kunde hatte über den Online-Shop eines Autoherstellers ein Elektrofahrzeug für knapp 65.000 Euro gekauft – und nach Auslieferung den Kaufvertrag widerrufen. Der Hersteller verweigerte die Rückzahlung unter Verweis auf den erheblichen Nutzungsvorteil. Doch das Gericht stellte klar: Ohne fehlerfreie Widerrufsbelehrung gibt’s keinen Cent Wertersatz.

Der Teufel steckt im Kleingedruckten

Das OLG betonte: Nur eine korrekte, transparente und vollständige Widerrufsbelehrung schafft überhaupt die Grundlage für Wertersatzansprüche. In einem ähnlichen Fall hatte das Gericht schon klargestellt, dass Online-Händler ihrer Informationspflicht über das Widerrufsrecht nur dann nachkommen, wenn sie Verbraucher eindeutig und verständlich darüber belehren.

Und genau da hapert es in der Praxis bei vielen Online-Händlern – oft unbewusst. Schon kleine Formfehler reichen aus, um den gesamten Anspruch platzen zu lassen. In diesem Fall musste der Händler das komplette Geld erstatten, obwohl der Wagen bereits genutzt wurde – inklusive Zinsen, trotz verweigerter Rücknahme.

Nach dem Widerruf ist vor dem Schaden?

Ein kleiner juristischer Nebensatz im Urteil lässt dennoch hoffen: Für die Zeit nach dem Widerruf bleibt dem Händler unter Umständen ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Verbraucher die Ware weiter nutzt und dadurch ein zusätzlicher Schaden entsteht.

Im konkreten Fall hatte der Käufer den Widerruf bereits erklärt – das Fahrzeug aber nicht zurückgegeben, sondern über mehrere Monate hinweg weitergenutzt. Der Händler befand sich im Annahmeverzug, weil er die Rücknahme des Fahrzeugs verweigert hatte. Trotzdem betonte das Gericht: Diese fortgesetzte Nutzung nach dem erklärten Widerruf könne grundsätzlich zu einem eigenständigen Schadensersatzanspruch führen – allerdings nur, wenn ein messbarer Schaden entstanden ist und dieser vom Händler konkret dargelegt und bewiesen werden kann.

Die Hürden sind also hoch, aber der Weg ist nicht vollständig versperrt. Gerade bei hochpreisigen oder empfindlichen Waren könnte es sich lohnen, auf eine übermäßige Nachnutzung hinzuweisen, etwa durch Kilometerstände, Softwarelogs oder Gebrauchsspuren. In besonders dreisten Fällen besteht hier zumindest eine theoretische Möglichkeit, einen Teil der Verluste geltend zu machen – allerdings nur außerhalb des eigentlichen Widerrufsrechts und mit entsprechendem Aufwand.

Rechtslage: Streng, aber eindeutig

Im Fernabsatzrecht ist klar geregelt: Wer falsch belehrt, hat das Nachsehen. Der Gesetzgeber will den Verbraucher umfassend schützen – das ist nicht neu. Doch das Urteil des OLG Stuttgart zeigt noch einmal sowohl deutlich als auch schmerzhaft, wie hoch der Preis sein kann, wenn Händler auf Standardtexte oder Copy-Paste-Verfahren setzen. Wer seine Rechtstexte nicht vom Experten bezieht, sollte sie lieber noch einmal auf Herz und Nieren prüfen. Besonders bei hochpreisigen Artikeln kann jede Nachlässigkeit zum betriebswirtschaftlichen Dilemma werden.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 23.04.2025
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Lesezeit: ca. 3 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
9 Kommentare
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Oli P.
24.04.2025

Antworten

Ich würde zugern wissen: Wenn Händler immer wieder, aufgrund aktueller Rechtssprechung, seine Rechtstexte aktualisieren sollte - wie verhält es sich denn dann mit alten Kaufverträgen. Also wenn die Rechtssprechung die dazu führt das man Rechtstexte updated, noch gar nicht gesprochen war? Heist das im Umkehrschluss das jeder alte Vertrag problematisch ist sobald zwischendrin mal ein Richter an bestimmten Klauseln etwas nicht passt? Scheint fast so...
Allen
24.04.2025

Antworten

Hallo Frau Bachmann, die Problematik lag direkt am Anfang der Widerrufsbelehrung. Dies können Sie in der Urteilsbegründung unter Punkt 53 entnehmen. Hierzu steht: "... 53: Mit dem Konditionalsatz am Beginn der Widerrufsbelehrung der Beklagten wird der Käufer lediglich über die persönlichen („Wenn sie Verbraucher sind“) und sachlichen („und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln [wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.] geschlossen haben“) Voraussetzungen eines Widerrufsrechts informiert. Er kann dem nicht unmittelbar entnehmen, ob in seinem Fall ein Widerrufsrecht besteht. Die Kenntnis von seinem Widerrufsrecht erlangt er nur, wenn er die in der Belehrung verwendeten Rechtsbegriffe zutreffend versteht und auf die konkreten Umstände des Vertragsschlusses anwendet. ..." Wenn möglich bitte noch in Ihrem Artikel ergänzen, denn dies ist schon ein wichtiger Stolperstein der das Ganze zu Fall gebracht hatte. Danke im Voraus. Allen
Max Sonntag
24.04.2025

Antworten

Guten Morgen Frau Baumann, Sie schreiben in einer Antwort, dass die Wiedergabe deswegen fehlerhaft sei, weil sie den Satz "Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren." enthält. Können Sie das bitte genauer erklären, warum das rechtswidrig ist? Dieser Satz findet sich auch in unserer Widerrufsbelehrung, die von einer bekannten und auf Onlinehandel spezialisierten Kanzlei erstellt und gepflegt wird.
Redaktion
24.04.2025
Hallo Max, ich verstehe, dass rechtliche Fragestellungen für den Laien manchmal etwas kompliziert wirken, daher erkläre ich noch einmal ausführlich die Problemstellung. Im Fall ging es nicht um reguläre paketversandfähige Ware, wie vermutlich in Ihrem Shop, sondern um ein Auto. Zur Kostentragung bei der Rück"sendung" des Autos wäre der Kunde nur verpflichtet, wenn er auch über die Höhe der Kosten der Rücksendung informiert worden wäre. Diese Information hat das Unternehmen nicht erteilt, weshalb die Widerrufsbelehrung für das Gericht insgesamt fehlerhaft war. Beste Grüße, die Redaktion
Jens
23.04.2025

Antworten

Das hier ist wieder mal eine absolute Unverschämtheit! Es gibt keinerlei sinnhafter Zusammenhang zwischen einer Widerrufserklärung und einem Schadenersatz..! Wenn der Vertrag von Anfang an nichtig ist, darf der Kunde die Dienstleistung und das Produkt auch nicht benutzen.. Basta! Liebe Redaktion: An welcher Stelle im Fernabsatzrecht ist das denn klar geregelt??
Redaktion
24.04.2025
Hallo Jens, der Wertersatz bei Widerruf ist im § 357 Abs. 7 BGB geregelt. Er betrifft Waren, die der Verbraucher über das zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise hinausgehende Maß genutzt hat. In solchen Fällen muss der Kunde Wertersatz leisten, auch wenn der Vertrag widerrufen wurde. Das bedeutet: Wird die Ware über das übliche Maß hinaus benutzt und dann widerrufen, ist ein Wertersatz zulässig – nicht als Schadenersatz, sondern als Ausgleich für die Wertminderung. Für die Zeit nach dem Widerruf öffnet das Gericht nun zusätzlich die Tore für einen weiteren Schadensersatz. Viele Grüße, die Redaktion
Allen
23.04.2025

Antworten

Hallo Frau Bachmann, könnten Sie bitte noch Ihrem Artikel hinzufügen, was genau das Detail in der Widerrufsbeleherung war, weshalb diese wegen Formfehlers keine Anwendung fand? Danke im Voraus. Allen
Redaktion
24.04.2025
Hallo Allen, vielen Dank für die Nachfrage. Die Belehrung war unter anderem deshalb fehlerhaft, weil sie den Hinweis enthält, dass der Käufer die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren trage, ohne Hinweis auf die (geschätzten) Kosten der Rücksendung. Diese Information entspricht nicht der Rechtslage. Viele Grüße, die Redaktion [Zur Klarstellung wurde die Antwort noch einmal nachträglich angepasst.]
Nora
24.04.2025
An die Redaktion: Die Aussage, dass diese Information nicht der Rechtslage entspräche, ist ohne Kontext ja nun auch erst mal "falsch", denn laut § 357 BGB ist genau DAS ja nun richtig! "(5) 1Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. 2Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen." (Quelle: https://dejure.org/gesetze/BGB/357.html) Ich vermute, dass hier vielmehr der Zusatz "(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können." greift. Solche Aussagen sorgen für unnötige Verwirrung bei uns Händler:innen!