Unberechtigte Schutzrechtsmeldungen auf Amazon führen immer wieder dazu, dass Angebote ohne Vorwarnung gesperrt werden. Für Händler bedeutet das nicht nur den Verlust wertvoller Sichtbarkeit, sondern auch mehr oder weniger konkret messbare Umsatzeinbußen. Während viele Betroffene resignieren, zeigt ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf: Es besteht nicht nur ein Anspruch auf Freischaltung – auch der entgangene Gewinn kann ersetzt werden. Doch wie genau funktioniert das?
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz
Grundlage für den Schadensersatz ist die unrechtmäßige Schutzrechtsmeldung, die von einem Wettbewerber bei Amazon eingereicht wurde. Dabei handelt es sich um sogenannte „Infringement“-Meldungen, in denen behauptet wird, ein Produkt verstoße gegen Marken-, Design- oder Patentrechte.
Kommt es auf Basis einer solchen Meldung zu einer Sperrung einer oder mehrerer ASINs, obwohl der Vorwurf unzutreffend ist, handelt es sich um eine gezielte Behinderung im Sinne des Wettbewerbsrechts. Das Landgericht Düsseldorf (Az. 4b O 19/23) hat in einem Fall entschieden, dass die unberechtigte Meldung bei Amazon eine Rechtsverletzung darstellt. Der meldende Händler kann zum Schadensersatz verpflichtet werden – und das auch dann, wenn er selbst nicht unmittelbar profitiert hat.
Wichtig ist dabei, dass der Betroffene belegen kann, dass:
- die Meldung unbegründet war,
- die Sperrung zu einem konkreten wirtschaftlichen Schaden geführt hat,
- der meldende Händler fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt hat.
Welche Nachweise sind erforderlich?
Gerichte verlangen in der Regel keine vollständige Gewinnkalkulation, wohl aber eine nachvollziehbare Schätzung auf Grundlage belastbarer Zahlen. Betroffene sollten daher bereits unmittelbar nach der Sperrung mit der Dokumentation beginnen. Folgende Informationen sind dafür besonders relevant:
- Zeitraum der Sperrung und betroffene ASINs
- Verkäufe des betroffenen Produkts in vergleichbaren Zeiträumen (z. B. Vormonat oder Vorjahr)
- Durchschnittlicher Verkaufspreis und geschätzte Marge
- Historie von Werbemaßnahmen
- Erläuterung von Saisonabhängigkeiten (z. B. dass Schwimmartikel von Juni bis September einen Peak haben)
- Umsatzdaten aus Tools wie dem Amazon Seller Board, aus Shop-Analysen oder aus ERP-Systemen
Je sorgfältiger diese Daten aufbereitet sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gericht den Schaden anerkennt – oder dass der Gegner im Rahmen eines Vergleichs einlenkt.
Wie lässt sich der Schaden berechnen?
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass lediglich der Umsatzverlust als Schaden geltend gemacht werden kann. Tatsächlich kommt es auf den entgangenen Gewinn an, der durch die Sperrung verloren ging. Das bedeutet konkret: Es wird geschätzt, wie viele Einheiten während der Sperrzeit realistischerweise verkauft worden wären, multipliziert mit dem durchschnittlichen Gewinn pro Stück. Eine exakte Berechnung ist laut Rechtsprechung weder möglich noch erforderlich – eine begründete Schätzung muss demnach ausreichen.
Beispiel: Wurde ein Produkt im Vorjahreszeitraum, der dem der Sperrung entspricht, durchschnittlich 300-mal verkauft, bei einem Gewinn von 15 Euro pro Einheit, und dauert die Sperre 14 Tage während einer saisonal besonders starken Periode, ergibt sich ein potenzieller Schaden von über 4.000 Euro. Gerichte berücksichtigen dabei auch Marktschwankungen, Wettereffekte oder Werbekampagnen, sofern diese nachvollziehbar dargelegt werden. Außerdem können Saisonprodukte nicht immer im gleichen Zeitraum verkauft werden, wenn beispielsweise Ostern jedes Jahr kalendermäßig auf ein anderes Datum fällt.
Wie Händler zu ihrem Geld kommen
Der erste Schritt ist häufig eine anwaltliche Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Schadensregulierung. Kommt es zu keiner Einigung, besteht die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung gegen den meldenden Händler zu beantragen oder den Schadensersatz im Klageweg geltend zu machen. Hierfür muss, das kommt erschwerend hinzu, manchmal im ersten Schritt zunächst das anonyme Gegenüber herausgefunden werden.
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