Infringement bei Amazon: Wie berechnet und bekommt man Schadensersatz?

Veröffentlicht: 14.05.2025
imgAktualisierung: 14.05.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
14.05.2025
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ca. 3 Min.
Ein Smartphone, auf dem das Amazon-Logo zu sehen ist, liegt auf einem Haufen Geld
diy13(at)ya.ru / Depositphotos.com
Schutzrechtsmeldungen auf Amazon können die Existenz bedrohen. Wer die Sperrung nicht hinnimmt, kann Schadensersatz fordern.


Unberechtigte Schutzrechtsmeldungen auf Amazon führen immer wieder dazu, dass Angebote ohne Vorwarnung gesperrt werden. Für Händler bedeutet das nicht nur den Verlust wertvoller Sichtbarkeit, sondern auch mehr oder weniger konkret messbare Umsatzeinbußen. Während viele Betroffene resignieren, zeigt ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf: Es besteht nicht nur ein Anspruch auf Freischaltung – auch der entgangene Gewinn kann ersetzt werden. Doch wie genau funktioniert das?

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz

Grundlage für den Schadensersatz ist die unrechtmäßige Schutzrechtsmeldung, die von einem Wettbewerber bei Amazon eingereicht wurde. Dabei handelt es sich um sogenannte „Infringement“-Meldungen, in denen behauptet wird, ein Produkt verstoße gegen Marken-, Design- oder Patentrechte.

Kommt es auf Basis einer solchen Meldung zu einer Sperrung einer oder mehrerer ASINs, obwohl der Vorwurf unzutreffend ist, handelt es sich um eine gezielte Behinderung im Sinne des Wettbewerbsrechts. Das Landgericht Düsseldorf (Az. 4b O 19/23) hat in einem Fall entschieden, dass die unberechtigte Meldung bei Amazon eine Rechtsverletzung darstellt. Der meldende Händler kann zum Schadensersatz verpflichtet werden – und das auch dann, wenn er selbst nicht unmittelbar profitiert hat.

Wichtig ist dabei, dass der Betroffene belegen kann, dass:

  • die Meldung unbegründet war,
  • die Sperrung zu einem konkreten wirtschaftlichen Schaden geführt hat,
  • der meldende Händler fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt hat.

Welche Nachweise sind erforderlich?

Gerichte verlangen in der Regel keine vollständige Gewinnkalkulation, wohl aber eine nachvollziehbare Schätzung auf Grundlage belastbarer Zahlen. Betroffene sollten daher bereits unmittelbar nach der Sperrung mit der Dokumentation beginnen. Folgende Informationen sind dafür besonders relevant:

  • Zeitraum der Sperrung und betroffene ASINs
  • Verkäufe des betroffenen Produkts in vergleichbaren Zeiträumen (z. B. Vormonat oder Vorjahr)
  • Durchschnittlicher Verkaufspreis und geschätzte Marge
  • Historie von Werbemaßnahmen
  • Erläuterung von Saisonabhängigkeiten (z. B. dass Schwimmartikel von Juni bis September einen Peak haben)
  • Umsatzdaten aus Tools wie dem Amazon Seller Board, aus Shop-Analysen oder aus ERP-Systemen

Je sorgfältiger diese Daten aufbereitet sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gericht den Schaden anerkennt – oder dass der Gegner im Rahmen eines Vergleichs einlenkt.

Wie lässt sich der Schaden berechnen?

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass lediglich der Umsatzverlust als Schaden geltend gemacht werden kann. Tatsächlich kommt es auf den entgangenen Gewinn an, der durch die Sperrung verloren ging. Das bedeutet konkret: Es wird geschätzt, wie viele Einheiten während der Sperrzeit realistischerweise verkauft worden wären, multipliziert mit dem durchschnittlichen Gewinn pro Stück. Eine exakte Berechnung ist laut Rechtsprechung weder möglich noch erforderlich – eine begründete Schätzung muss demnach ausreichen.

Beispiel: Wurde ein Produkt im Vorjahreszeitraum, der dem der Sperrung entspricht, durchschnittlich 300-mal verkauft, bei einem Gewinn von 15 Euro pro Einheit, und dauert die Sperre 14 Tage während einer saisonal besonders starken Periode, ergibt sich ein potenzieller Schaden von über 4.000 Euro. Gerichte berücksichtigen dabei auch Marktschwankungen, Wettereffekte oder Werbekampagnen, sofern diese nachvollziehbar dargelegt werden. Außerdem können Saisonprodukte nicht immer im gleichen Zeitraum verkauft werden, wenn beispielsweise Ostern jedes Jahr kalendermäßig auf ein anderes Datum fällt.

Wie Händler zu ihrem Geld kommen

Der erste Schritt ist häufig eine anwaltliche Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Schadensregulierung. Kommt es zu keiner Einigung, besteht die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung gegen den meldenden Händler zu beantragen oder den Schadensersatz im Klageweg geltend zu machen. Hierfür muss, das kommt erschwerend hinzu, manchmal im ersten Schritt zunächst das anonyme Gegenüber herausgefunden werden.

Das Urteil des LG Düsseldorf zeigt jedoch, dass Gerichte durchaus bereit sind, auch konkrete Schadenssummen zuzusprechen – wenn die Schätzung fundiert erfolgt. Im verhandelten Fall wurde ein entgangener Gewinn von über 16.000 Euro anerkannt, basierend auf Daten aus dem Amazon Seller Board, Verkaufsvergleichen und saisonalen Verkaufsperioden.

Was viele Händler davon abhält – und warum sich der Schritt dennoch lohnt

Viele Händler verzichten aus Angst vor Kosten oder bürokratischem Aufwand auf rechtliche Schritte. Doch das ist aus mehreren Gründen unnötig: Erstens kann sich die Wettbewerbsverzerrung bei wiederholten Meldungen verfestigen. Zweitens signalisiert die Untätigkeit, dass solche Methoden folgenlos bleiben. Wichtig ist daher, frühzeitig zu handeln und die Beweise zu sichern. Je besser die eigene Position dokumentiert ist, desto höher ist die Chance, eine Entschädigung außergerichtlich oder im Rahmen eines Vergleichs zu erzielen.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 14.05.2025
img Letzte Aktualisierung: 14.05.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
3 Kommentare
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roland.baer@yahoo.de
16.05.2025

Antworten

Was empfehlen Sie zu unternehmen bei Anbietern die Wettbewerb verhindern und Amazon alle Hinweise auf diese Behinderung. Amazon reagiert nicht auf Hinweise. Statt dessen werden nach der Manipulation eigene Angebote gesperrt oder das Neueinstellen nicht zugelassen Geben Sie einfach folgende 2 Schlagworte in Amazon ein als 2 von unzähligen Beispielen Mobilfunk Krause SPES Samsung Akku Sie sehen z. B. jede Menge Samsung, Nokia, Sony Akkus etc. abgebildet aber im Titel steht Mobilfunk Krause oder Samsung Akku abgebildet - Marke SPES. Was tun?
M. Lord
15.05.2025

Antworten

Mich würde an dieser Stelle interessieren, wie man bei Amazon an die notwendigen Informationen kommt (wer hat den Rechtsverstoß gemeldet?), um an eine ladungsfähige Anschrift zu kommen. Nur so kann man am Ende ja eine Abmahnung aussprechen. Was passiert, wenn der Rechtsverstoß von jemanden außerhalb der EU gemeldet wurde?
Redaktion
15.05.2025
Hallo M. Lord, sehr guter Aspkest. Amazon gibt in der Regel nicht preis, wer eine Infringement-Meldung abgegeben hat (bzw. wäre das sogar ein DSGVO-Verstoß) – eine ladungsfähige Anschrift erhält man nur auf Anfrage, ggf. über einen Anwalt. Aus unserer Erfahrung heraus gibt Amazon Angaben meist nur per Gerichtsbeschluss heraus. Daher wäre das der erste Schritt, diesen über eine Kanzlei zu erwirken. Meldungen aus dem Ausland sind möglich, aber rechtlich schwer angreifbar. In solchen Fällen kann man sich nur indirekt über Amazon gegen die Sperrung wehren, denn der beste Titel eines Gerichts (z. B. ein Beschluss) nützt nichts, denn er kann nicht oder nur ganz schwer im Ausland vollstreckt werden. Viele Grüße, die Redaktion