In weniger als drei Wochen greift das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Online-Händler, Softwareanbieter und Dienstleister sollen bis dahin ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten – von Online-Shops über Bezahlsysteme bis hin zu digitalen Kundenservices. Was nach einer technischen Randnotiz oder einem Nischenthema klingt, bedeutet für viele kleinere Betriebe einen erheblichen Anpassungsdruck. Zwischen steigenden Werbekosten, wachsenden Kundenansprüchen und den täglichen Herausforderungen des E-Commerce droht das Thema Barrierefreiheit unterzugehen. Die Unsicherheit ist ebenfalls groß: Muss jeder kleine Webshop nun umfassend barrierefrei werden? Oder gibt es Ausnahmen? Und falls ja – wie sehen diese konkret aus?
Die Ausnahmeregelung im BFSG: Wann Kleinstunternehmen nicht betroffen sind
Das Gesetz sieht eine wichtige Ausnahme für Kleinstunternehmen vor. Zur Prüfung, ob ein Unternehmen von der Ausnahme Gebrauch machen kann, sind zwei Kriterien entscheidend. Unternehmen müssen die Anforderungen an den barrierefreien Shop nicht erfüllen, wenn sie weniger als zehn Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro erzielen.
- Beschäftigtenzahl: Maßgeblich ist dabei der europäische KMU-Standard (Empfehlung 2003/361/EG). Es zählen sowohl Vollzeitkräfte als auch Teilzeitkräfte, letztere anteilig, in die Berechnung ein. Entscheidend ist also nicht nur die Anzahl der Köpfe, sondern der rechnerische Personalwert. Wir haben die konkrete Berechnung bereits erklärt.
- Umsatzgrenze: Maßgeblich ist der Jahresdurchschnitt des Vorjahres – also für die Prüfung im Jahr 2025 die Zahlen aus 2024. Überschreitet ein Unternehmen im darauffolgenden Jahr die Schwelle, fällt die Ausnahme weg. Wer knapp an der Grenze liegt oder erst neu gegründet wurde, sollte rechtzeitig mit seinem Steuerbüro sprechen und prüfen, wie sich die Zahlen entwickeln – gerade bei saisonal schwankenden Einnahmen.
Beide Bedingungen müssen für die Ausnahme gleichzeitig erfüllt sein, damit ein Unternehmen unter die Ausnahmeregelung für Kleinstunternehmen im Sinne des BFSG fällt. Zur Verdeutlichung noch drei Beispiele:
- Ein Online-Shop hat nur drei Mitarbeitende, macht aber drei Millionen Euro Umsatz → nicht befreit.
- Ein Unternehmen hat nur eine Million Euro Umsatz, beschäftigt aber 15 Mitarbeitende → nicht befreit.
- Ein Händler mit vier Mitarbeitenden und 500.000 Euro Jahresumsatz → befreit.
Die Ausnahme gilt für alle, die digitale Dienstleistungen bereitstellen – vom Online-Shop über digitale Kundensupportsysteme bis hin zu elektronischen Buchungstools. Wer diese Schwellen nicht überschreitet, muss seine Online-Angebote nicht verpflichtend barrierefrei gestalten. Das bedeutet aber nicht, dass das Thema BFSG nun vom Tisch ist.
Was trotz Ausnahme zu beachten bleibt
Viele Unternehmen wähnen sich in Sicherheit, wenn sie weder genügend Umsatz noch Personal haben. Das ist jedoch falsch, denn die Ausnahmeregelung bedeutet nicht, dass das BFSG komplett an Kleinstunternehmen vorbeigeht. Denn je nach Produkttyp können dennoch mittelbare Verpflichtungen bestehen – etwa wenn Produkte in Verkehr gebracht werden, die unter die Barrierefreiheitsanforderungen fallen. Dazu zählen z. B.: E-Book-Reader oder bestimmte digitale Endgeräte wie Smartphones, Laptops oder Router. In solchen Fällen kann auch für Kleinstunternehmen eine Pflicht zur Produktanpassung bestehen. Diese betroffenen Produkte dürfen künftig nur noch angeboten werden, wenn sie dem neuen Gesetz gerecht werden.
Auch Informationspflichten gegenüber der Marktüberwachungsstelle gelten teilweise unabhängig von der Unternehmensgröße. Hier kann unter Umständen ein Nachweis gefordert werden, ob die Kleinstunternehmerregelung wirklich erfüllt wurde.
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